ADB:Grotefend, Georg Friedrich

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Grotefend, Georg Friedrich“ von Hermann Grotefend in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 763–765, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Grotefend,_Georg_Friedrich&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 00:34 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Grotefend, August
Nächster>>>
Grotefend, Karl
Band 9 (1879), S. 763–765 (Quelle).
Georg Friedrich Grotefend bei Wikisource
Georg Friedrich Grotefend in der Wikipedia
Georg Friedrich Grotefend in Wikidata
GND-Nummer 118718991
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|9|763|765|Grotefend, Georg Friedrich|Hermann Grotefend|ADB:Grotefend, Georg Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118718991}}    

Grotefend: Georg Friedrich G., hervorragender Schulmann und Alterthumsforscher, geboren den 9. Juni 1775 zu Münden an der Weser als der Sohn eines Schuhmachers. Seine Jugendbildung erhielt er auf der Schule seiner Vaterstadt und bezog erst spät das Pädagogium zu Ilfeld. Vom Jahre 1795 ab lag er auf der Universität Göttingen dem Studium der Theologie und Philologie ob. Sein eiserner Fleiß und die gewissenhafte Art, mit welcher er der ihm gesteckten Lebensaufgabe gerecht zu werden suchte, verschaffte ihm in Heyne, Tychsen und Heeren fördernde Freunde und so dankte er es vornehmlich dem Einflusse des Ersteren, daß er noch während seiner Studienzeit an dem Gymnasium zu Göttingen zuerst provisorische Beschäftigung als Hülfslehrer, dann aber 1797 als Collaborator eine feste Anstellung und was noch wichtiger war, die äußeren Mittel fand, seine begonnenen Studien fortsetzen zu können. Mit durchdringendem Scharfsinn begabt, dabei durch ein außerordentliches Gedächtniß und eine selten fehlgreifende Combinationsgabe unterstützt, wandte G. sich schon in seinen frühesten Studien seiner eigentlichen Lebensaufgabe zu, dunkle Partien der Wissenschaft aufzuhellen. Gerade die schwierigsten Probleme lockten ihn am meisten. Einem Schriftchen „De pasigraphia sive scriptura universali“ (Göttingen 1799), durch das er sich zuerst weiteren Kreisen bekannt machte, folgte im J. 1802 ein erster glücklicher Versuch der Entzifferung der assyrischen Keilschrift (vorgelegt in der Septembersitzung der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften). [764] Heeren verschaffte demselben durch Aufnahme in seine „Ideen über Politik, den Verkehr und den Handel der alten Welt“ (4. Aufl. I. 2, S. 345), größere Verbreitung und erhöhtes Ansehen in der damaligen gelehrten Welt. Gerne erkannte später G. die Verdienste seiner Nachfolger auf dem Gebiete der Keilschriftforschung an, und gestand ihnen, so emsig auch er selbst an dem gemeinsamen Werke bis an sein Lebensende fortarbeitete, eine Ueberlegenheit, schon durch ihre Kenntniß des Sanscrit, die ihm selber abging, zu, aber ebenso räumen ihm auch die größten Kenner der Keilschriften die Priorität der Entzifferung nicht nur, sondern die Größe der Entdeckung an sich, wie auch die Bedeutung ihrer Methode für die weiteren Entzifferungsversuche willig und offen ein. Im J. 1803 war G. als Prorector an das unter Matthiä’s Leitung stehende Gymnasium zu Frankfurt a. M. berufen, 1806 erhielt er die erledigte Conrectorstelle und 1812 den Titel Professor der classischen Litteratur der inzwischen mit dem großherzoglich frankfurtischen Lyceum verbundenen Anstalt. 1821 wurde er als Director des städtischen Lyceums nach Hannover berufen, aus welchem Amte er 1849, unter Verleihung des Titels „Schulrath“ Seitens der Regierung, in den Ruhestand trat. In Frankfurt hatte G. sich mehr der praktischen Seite des Schulberufes zugewendet, wie seine Publicationen beweisen, von denen die „Anfangsgründe der deutschen Prosodie“ (1815) und die zwei lateinischen Grammatiken (in den älteren Auflagen), diesem Zeitraume angehören. Die größere war eine Umarbeitung von Wenck’s „Lateinischer Grammatik“ (2 Bde., 4. Aufl. 1823–24); die kleinere die selbständige „Kleine lateinische Grammatik“ (2. Aufl. 1825). Doch schenkte er auch allgemeineren Zwecken seine volle Aufmerksamkeit. 1817 war er Stifter und Hauptleiter des Frankfurter Gelehrtenvereins für deutsche Sprache, 1819 finden wir ihn unter den Begründern der Gesellschaft zur Herausgabe der „Monumenta Germaniae“. Während seines Aufenthalts in Hannover wandte er sich seiner wissenschaftlichen Lebensaufgabe wieder lebhafter zu. 1832 wurde er durch die in London veröffentlichten „Remarks on some inscriptions found in Lycia and Phrygia“, wie vordem für die Keilschrift, so auch für die lycische und phrygische Sprache ein Bahnbrecher von nachhaltiger Bedeutung. Noch im J. 1842 griff er selbst (Göttinger gel. Anz. 14. Stück, S. 138) auf diese Forschungen zurück. 1835–38 erschienen die „Rudimenta linguae Umbricae“ (8 Hefte) und 1839 die „Rud. l. Oscae“ (1 Heft), die, zwar von der Forschung bei Seite gelegt, doch auf einen höheren Titel als den des rein historischen Materials Anspruch haben. Seine Schrift „Zur Geographie und Geschichte von Altitalien“ (1840–42) überraschte durch ihre kühnen, häufig allerdings nicht bestätigten oder doch angefochtenen Muthmaßungen. An Keilschriftpublicationen erschienen noch von ihm: „Neue Beiträge zur Erläuterung der persepolitanischen Keilschrift“ (1837 zum Göttinger Jubiläum); desgleichen zur babylonischen Keilschrift (1840 zur Gutenbergfeier); „Bemerkungen zur Inschrift eines Thongefäßes mit babylonischen Keilschriften“ (1848), desgleichen mit ninivitischer Keilschrift (1850); Nachträge dazu (1850); „Anlage und Zerstörung der Gebäude zu Nimrud“ (1851); „Die Tributverzeichnisse des Obelisken zu Nimrud“ (1852); „Erläuterung der Keilschriften babylonischer Backsteine“ (1852); „Erläuterung zweier Ausschreiben des Königs Nebukadnezar“ (1853); „Erläuterung der babylonischen Keilschrift aus Behistun“ (1853); „Erläuterung einer Inschrift des letzten Königs aus Nimrud“ (1853). Ein Theil dieser Arbeiten sind Sonderabdrücke aus den Abhandlungen der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Auch verdanken wir ihm in seine Specialstudien einschlagende Artikel in den Realencyklopädien von Ersch und Gruber und von Pauly, sowie einige Schulschriften des Lyceums zu Hannover. G. wurde im 79. Lebensjahre am 15. December 1853 durch einen plötzlichen Tod seiner unermüdlichen [765] Forscherarbeit entrissen. Nur wenige Wochen hatte er das Erscheinen seiner letzten Arbeit, der man das Alter am wenigsten anmerkt, überlebt. Sein handschriftlicher Nachlaß wird auf der Göttinger Universitätsbibliothek aufbewahrt.