ADB:Grolman, Karl von
v. Möllendorf und endlich 1805 zum Stabscapitän avancirt. Er gehörte zu dem Kreise von Officieren, der sich in jener Zeit um Scharnhorst gruppirte und der wesentlich, von diesem geleitet, Träger des die Armee regenerirenden Geistes wurde. Grolmann’s hohe kräftige Gestalt barg ein durchaus gesundes Innere. Einfach und ruhig, offen und anspruchslos, tapfer und beharrlich, dem Scheine abhold, voll stolzer Freude an Verantwortung und Selbständigkeit, Achtung und Wohlwollen für Andere im Herzen, wurde er einer der ausgezeichnetsten Vertreter seines Berufes. Für den Feldzug 1806 war G. ursprünglich als im Gefolge des Feldmarschalls v. Möllendorf dem Stabe des Königs zugetheilt. [715] Mit der nach den Schlachten vom 14. October anhebenden Verwirrung führten ihn die verschiedensten Aufträge bald zum General Kalkreuth, bald zum Fürsten Hohenlohe, bis er endlich der Capitulation von Prenzlau glücklich entgehend, dem Generalstabe des L’Estocq’schen Corps überwiesen wurde. Bei der Vertheidigung der Soldauübergänge Ende December wurde er am Arm schwer verwundet. Kaum genesen, focht er 1807 in den blutigen Gefechten am Brückenkopfe bei Spandau und in der Schlacht bei Heilsberg, den russischen commandirenden Officieren mit ausgezeichnetem Rathe zur Seite stehend. Er wurde zum Major befördert. Nach dem Frieden von Tilsit wurde G. als tüchtigste Stütze Scharnhorst’s Mitglied der berühmten Armeereorganisations-Commission, sowie der nicht minder eingreifenden Untersuchungs-Commission, welche die während des Krieges zu Tage getretenen personellen Schäden der Armee bloslegen und beseitigen sollte. Bei der neuen Organisation des Kriegsministeriums wurde er in dasselbe berufen (1. März 1809). Die preußische Entwickelung erschien jedoch dem ungestümen Verlangen Grolmann’s nicht entschieden genug Stellung zu nehmen. Mitglied des Tugendbundes, vermeinte er die Gemeinsamkeit der Interessen des gesammten von Napoleon geknechteten Europa’s überall da verfechten zu müssen, wo die Waffen gegen Napoleon erhoben wurden. Als die Kriegserklärung Oesterreichs gewiß geworden war, nahm er in Preußen den Abschied. Ein Versuch, sich mit Schill zu einigen, mißglückte. Er eilte zur österreichischen Armee, die, nachdem sie bei Aspern geschlagen hatte, auf dem Marchfelde stand. Der Erzherzog Karl überwies ihn als Major dem Generalstabe. Als solcher ging er mit dem General v. Kienmayer nach Sachsen. Der General sollte dort die in verschiedenen Richtungen operirenden österreichischen Truppencorps vereinigen und mit gesammelter Kraft eine Diversion nach Norddeutschland zu machen versuchen. Das Auftreten größerer französischer Truppenkörper hemmte die Unternehmung; der Waffenstillstand von Znaym gebot vollständige Ruhe. G. schied auch von Oesterreich und suchte in Spanien sein Streben zu verwirklichen. Ueber England erreichte er im April 1810 Cadiz, wo das letzte Bollwerk spanischer Regierung nur mühsam durch englische Unterstützung gegen die überlegenen Kräfte des Marschall Victor vertheidigt wurde. Man suchte nach Hülfsmitteln, sich zu verstärken; eine legion extrangera wurde gebildet, in der G. mit der Stellung als Sargento-Major maßgebenden Einfluß gewann. Nach verschiedenen im Sande verlaufenen Unternehmungen gelang im April 1811 eine Cooperation des englischen General Beresford von Portugal her mit dem Spanier Blake. G. nahm Theil am Siege von Albuhera. Bald folgte indessen wieder Ruhe und nach einem erneueten Vorrücken der Franzosen die Rückkehr der Spanier nach Cadiz. Eine Expedition im August 1811 führte G. mit der Legion zur unglücklichen Schlacht von Sagunt und in die Verschanzungen von Valencia. Mit der Capitulation dieses Platzes wurde auch G. kriegsgefangen und unter vielen Fährlichkeiten nach Beaune in Burgund geführt. Ohne an eingegangene Verpflichtungen gebunden zu sein, entkam er am 1. Juni 1812 nach der Schweiz. Er ging unter fremdem Namen nach Jena und wartete dort die Entwickelungen des russischen Krieges ab. Schon im Januar 1813 eilte er nach Berlin, folgte dem Könige nach Breslau und wurde anfangs März von neuem im preußischen Generalstabe als Major angestellt. Im Stabe des Obersten v. Dolffs focht er bei Großgörschen, bei Bautzen und am entschiedensten hervortretend bei Haynau. Im Waffenstillstand wurde er zum Chef des Generalstabes beim zweiten Armeecorps (General v. Kleist) ernannt, indessen schon mit dem 8. August zum General Barclay de Tolly, dem Höchstcommandirenden der russisch-preußischen Truppen bei der großen Armee deputirt. Bei dem Rückzug der Alliirten nach der Schlacht bei Dresden zum General v. Kleist [716] entsandt, gewann er die Gelegenheit, dem zweiten Corps eine Marschdirection zu geben, durch welche die Schlacht bei Kulm zur Niederlage des Vandamme’schen Corps wurde. Abermals schwer verwundet, konnte er bereits der Schlacht bei Leipzig wieder mit voller Thätigkeit beiwohnen und trat nach derselben definitiv in sein früheres Dienstverhältniß zum General v. Kleist zurück. In dem bunten Wechsel des Feldzugs 1814 ist G. der vornehmlichste Träger der Leistungen des zweiten Corps; er wird aber gleichzeitig der einflußreiche Vertreter der im Gegensatze zum österreichischen Hauptquartiere zur Aggression drängenden Tendenz der Blücher’schen Armee. Wesentlich auf seine Vorschläge erfolgte Ende Februar die Trennung der beiden Armeen und der Abmarsch Blücher’s nach dem rechten Marne-Ufer, um dann gemeinschaftlich mit Bülow die entscheidenden Operationen gegen Paris aufzunehmen. Nach Eintritt des Friedens zum Generalmajor und zum Director des zweiten Departements im Kriegsministerium ernannt, ging er zum Congreß nach Wien, wurde dann aber, sobald die Entweichung Napoleons von Elba die Vorbereitungen für den neuen Krieg erheischte, Ende März 1815 als Generalquartiermeister dem Blücher’schen Hauptquartiere überwiesen. Hier hatte er mit Gneisenau gemeinsam den hervorragendsten Antheil an den großen Erfolgen des Feldzuges. In sein dienstliches Verhältniß zum Kriegsministerium zurückgekehrt, fiel ihm nach den damals obwaltenden Ressortverhältnissen die Reorganisation des Generalstabes zu. Auf die von ihm getroffenen Einrichtungen und auf seine Instructionen ist denn auch die Bedeutung zurückzuführen, welche derselbe im Laufe der Zeit für die Armee und ihre Leistungen gewonnen hat. Grolmann’s außerordentliche, auch über das rein militärische Gebiet hinausgehende Thätigkeit wurde unterbrochen in Folge des Gegensatzes, in welchem er gemeinsam mit Boyen zu den Bestrebungen gerathen war, die eine Umformung der Landwehr, wie sie das J. 1813 hatte erstehen lassen, zu Gunsten des schärfer gefaßten Begriffs eines stehenden Heeres verlangten. Im December 1819 wurde ihm der Abschied bewilligt; er zog sich auf eine Besitzung in der Lausitz zurück, bis daß er auf des ihn vom Kriege 1813 her besonders schätzenden Prinzen August von Preußen Vermittelung im October 1825 als Divisionscommandeur in Glogau wieder angestellt wurde. Von dort 1833 als commandirender General nach Posen berufen, begann er eine neue einflußreiche Thätigkeit. Es galt, in einer von nationalen und religiösen Gegensätzen durchsetzten Provinz mit Wohlwollen und Ernst die preußisch-deutsche Herrschaft zu vertreten. Sich seiner Aufgabe mit dem Einsetzen seiner ganzen Persönlichkeit widmend, erntete er Achtung und Anerkennung in reichem Maße. Im März 1837 wurde er zum General der Infanterie ernannt und bekleidete seine Stellung als solcher bis zum 1. Juni 1843, an welchem Tage er längeren körperlichen Leiden erlag. Zu eigentlicher schriftstellerischer Thätigkeit ist G. nicht gelangt, doch sind die von Damitz herausgegebenen Werke über die Feldzüge von 1814 und 15 unter seinem Einflusse und unter seiner Anregung entstanden. In dem lebhaften Streite, der 1836 durch die Aeußerungen des Herzogs von Wellington im englischen Parlamente über die Unentbehrlichkeit der Prügelstrafe in der Armee hervorgerufen war, trat G. sehr lebhaft für die vom Herzoge ungünstig beurtheilte Disciplin der preußischen Armee vom J. 1815 in die Schranken. Verheirathet war G. zwei Mal; seine beiden Söhne dienen noch jetzt in der Armee.
Grolmann: Karl Wilhelm Georg v. G., am 30. Juli 1777 zu Berlin geboren. Der Vater war Präsident des Geheimen Obertribunals und genoß während eines außergewöhnlich langen Lebens und Wirkens, als durch Unabhängigkeit des Charakters, Liebe zum Vaterlande und Schärfe des Urtheils bewährt, in weiten Kreisen hohe Achtung und hervorragenden Einfluß. Noch nicht 14 Jahre alt wurde G. als Junker in das Infanterieregiment v. Möllendorf eingestellt, 1795 zum Fähnrich, 1797 zum Secondelieutenant, 1804 zum Premierlieutenant und Adjutanten bei der Inspection des Feldmarschalls- Beiheft zum Militär-Wochenblatt, October 1843. – Beilage der Norddeutschen Allg. Zeitung, 6./12. 1875.