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Artikel „Grün, Dionys Ritter von“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 581–583, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gr%C3%BCn,_Dionys_Ritter_von&oldid=- (Version vom 20. November 2024, 03:42 Uhr UTC)
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Grün: Dionys Ritter von G., Geograph, wurde am 18. Januar 1819 als Sohn unbemittelter jüdischer Eltern zu Prerau in Mähren geboren. Nachdem [582] er die Volksschule besucht hatte, wendete er sich, der Noth gehorchend, zunächst der Landwirthschaft zu, jedoch vermochte ihn dieser Beruf nicht zu befriedigen, da er seinem regen Bildungstriebe zu wenig Nahrung bot. Sein durch Selbststudium immer mächtiger angeregtes Verlangen nach wissenschaftlichen Kenntnissen wurde endlich so mächtig, daß er sich noch im Alter von 20 Jahren entschloß, das Gymnasium zu Preßburg zu besuchen. Nachdem er den Cursus vollendet hatte, bezog er 1845 die Universität Prag, um hauptsächlich Philosophie und Geschichte zu studiren. Als er sich nach zwei Jahren aus Mangel an Mitteln außer Stande sah, das Studium fortzusetzen, nahm er eine Hauslehrerstelle in Dresden an. Durch die Unruhen des Jahres 1849 verscheucht, siedelte er nach Berlin über und suchte sich hier seinen Unterhalt durch schriftstellerische Thätigkeit zu verdienen. Daneben hörte er an der Universität Vorlesungen namentlich bei dem Physiker und Meteorologen Heinrich Wilhelm Dove und dem Geographen Karl Ritter. Der letztere erweckte in ihm ein so lebhaftes Interesse für sein Specialgebiet, daß G. den Entschluß faßte, sich in Zukunft ganz der geographischen Wissenschaft zu widmen, doch hat er es nicht zu wirklich hervorragenden Leistungen auf diesem Gebiete gebracht. In Berlin geschah es auch, daß er nach reiflichen Erwägungen zur katholischen Kirche übertrat. Nachdem er die akademischen Studien abgeschlossen hatte, kehrte er nach seinem Vaterlande Oesterreich zurück. Da er aber durch einige in Berlin erschienene Zeitungsaufsätze über den ungarischen Aufstand das Mißfallen der reactionären Machthaber erregt hatte, wurde er verhaftet und einige Zeit im Untersuchungsgefängniß gehalten. Da sich jedoch seine völlige Ungefährlichkeit herausstellte, gab man ihm bald die Freiheit zurück. Er beschloß nun, sich der journalistischen Laufbahn zu widmen. Als er sich jedoch in seinen Erwartungen enttäuscht sah, nahm er 1853 eine Lehrerstelle an dem erzbischöflichen Gymnasium zu Leutschau in der Zipser Gespanschaft an, die er zwei Jahre später mit einer Professur für Geschichte und Geographie am akademischen Gymnasium zu Wien vertauschte. Hier führte er nun 20 Jahre hindurch ein ruhiges, den Studien und der Lehrthätigkeit gewidmetes Leben. Litterarisch trat er nur selten hervor. Als erstes selbständiges Werk veröffentlichte er einen Gedichtband „Lerchengrüße“ (Wien 1855, 2. Auflage Prag 1881), später einen Leitfaden der Geographie für die erste Stufe des erdkundlichen Unterrichts (Wien 1866), endlich eine mehr als 1000 Seiten umfassende Länder- und Völkerkunde (Wien 1870–71, 2. Aufl. 1873). Dieses Buch gab hauptsächlich den Anlaß, daß er 1872 den Auftrag erhielt, den damals 14jährigen Kronprinzen Rudolf von Oesterreich in den geographischen Fächern zu unterrichten. G. unterzog sich dieser nicht immer leichten Aufgabe mit Erfolg und durfte sich rühmen, in dem jungen Prinzen jene Vorliebe für die Geographie erweckt und gefördert zu haben, die derselbe später auf seinen Reisen und in mehreren Schriften länderkundlichen Inhalts zum Ausdruck gebracht hat. Als 1875 der Cursus beendigt war, wurde G. in Anerkennung seiner Verdienste die Ritterwürde verliehen. Auch berief ihn die deutsche Universität zu Prag als Professor auf den neu errichteten Lehrstuhl für Geographie. In seiner Antrittsvorlesung behandelte er „Die Geographie als selbständige Wissenschaft“. Durch seine akademische Thätigkeit übte er indessen keinen weitreichenden Einfluß aus. 1885 sah er sich durch andauernde Kränklichkeit genöthigt in den Ruhestand zu treten. Seine letzten Jahre verlebte er in Prag, wo er am 26. Februar 1896 an Altersschwäche starb. Seine nicht unbedeutende Büchersammlung hinterließ er dem Verein der Geographen an der Universität Wien.

Bericht über das 22. Vereinsjahr des Vereins der Geographen an [583] der Universität Wien 1895–96. – W. Wolkenhauer im Geographischen Jahrbuch XX, 471 und im Biogr. Jahrbuch II, 437.