ADB:Gottfried V.
Otto I. niedergeworfenen Geschlecht der Herzöge von Lothringen stammend, folgte nach dem Tode seines Bruders Heinrich 1095 diesem als Graf von Löwen und Herr der Besitzungen des Hauses, die in Brabant, im Haspengau, in Toxandrien lagen. Der Bürgerkrieg zwischen Heinrich IV. und dessen Sohn brachte dem Grafen die hohe Würde seiner Ahnen wieder; denn Heinrich V. entsetzte im J. 1106 den bisherigen Herzog von Niederlothringen, Heinrich von Limburg, als Anhänger des alten Kaisers und übertrug dem ihm ergebenen Grafen G. das Herzogthum nebst der damit verbundenen Mark Antwerpen. Den Widerstand des abgesetzten Herzogs brach G. durch die siegreiche Erstürmung der Hauptstadt [474] Aachen und zwang denselben zur Unterwerfung, zur Beschränkung auf seine Stammlande. Allerdings blieb der Graf von Limburg zunächst ein unruhiger Nachbar. Indeß das rücksichtslose Auftreten des jungen Königs Heinrich V. gegen die Kirche und die Fürsten, das so manche alte Widersacher zu gemeinsamer Opposition verband, führte auch hier die Gegner zusammen: beide, Heinrich von Limburg und G., betheiligten sich lebhaft an dem großen niederrheinisch-westfälischen Aufstande im J. 1114, dessen Mittelpunkt Köln war, und den der König vergeblich in zwei Feldzügen zu bewältigen suchte. Namentlich Niederlothringen verharrte in seinem Widerstande gegen das Königthum. Es war das nur der negative Ausdruck desselben Zeitgeistes, der sich hier, wie überall damals positiv in dem Streben der Fürsten nach Autonomie und Territorialhoheit äußerte und der unseren Herzog nicht minder als seine Standesgenossen erfüllte. Von seinem Herzogthum aus erstrebte er die Macht und den Einfluß eines unabhängigen Herrschers in jenen Gebieten und versäumte keine Gelegenheit, sich als solchen zu bethätigen. Im J. 1117, bei dem Erbfolgestreit um Flandern zwischen Karl dem Dänen und Wilhelm von Ypern, trat G. energisch zu Gunsten des letzteren auf, freilich vergeblich, da die Städte und der größere Theil des Adels auf Karls Seite standen. Mit besserem Erfolge warf der Herzog sich aber in den großen, ganz Lothringen 1119–21 bewegenden Lütticher Wahlstreit zwischen den Bischöfen Alexander und Friedrich, indem er ersteren gegen den Erzbischof von Köln und gegen den Papst selbst trotz wiederholter Excommunication vertheidigte. Es war dies ein Widerspiel des größeren Kampfes zwischen Kaiser und Papst, der um die Zeit ja nochmals aufs heftigste um die Bischofswahl und -Investitur entbrannt war, und G. näherte sich dadurch natürlich dem Kaiser, dessen Hülfe er in Anspruch nahm, von neuem, während die Feindschaft gegen den Grafen von Limburg – seit Heinrichs Tode 1119 dessen Sohn Walram –, der Friedrichs Partei ergriffen hatte, sich wieder verstärkte. Nach dem großen Friedensschluß des J. 1122 wurde auch die Lütticher Fehde beigelegt: im Einvernehmen mit dem Kaiser setzte G. 1123 die Wahl seines Bruders Albero zum Bischof von Lüttich durch – ein bedeutender Erfolg für die Befestigung und Erweiterung seiner Macht. Der Herzog stand damals auf der Höhe seines Lebens: befreundet mit dem Kaiser, nahe verwandt mit dem Papst Calixt durch dessen Schwester Clementia, seine zweite Gemahlin, durch seine Tochter Adele der Schwiegervater König Heinrichs I. von England, gebietend in seinem Herzogthum und darüber hinaus, stand er glänzend da. Seitdem, nach Heinrichs V. Tode, begann sein Stern zu sinken. Er hielt sich von Anfang an dem neuen Könige Lothar III. fern. Seine energische Parteinahme in dem nach Karls des Dänen Ermordung 1127 abermals ausbrechenden Streit um Flandern, für Wilhelm Clito gegen Dietrich, den Grafen von Elsaß, scheint dem Könige im J. 1128 den Anlaß gegeben zu haben, G. des Herzogthums zu entsetzen und dasselbe dem Erben des früheren Herzogs, dem Grafen Walram von Limburg zu übergeben. Auch im Bisthum Lüttich schwand der Einfluß Gottfrieds: sein Bruder Albero starb anfangs 1128, und mit dem Nachfolger Alexander, seinem früheren Parteigenossen, den Lothar nun auf den Bischofssitz beförderte, gerieth er sofort in Streit. Jedoch er gedachte, seine Stellung nicht ohne Kampf aufzugeben. Nach dem glänzenden Siege bei Axpoele, den er und sein Schützling, Wilhelm Clito, am 21. Juni 1128 über den Gegenprätendenten Dietrich erfochten, war Wilhelm am 27. Juli bei der Belagerung von Aalst gefallen; nun verständigte sich unser Herzog mit Dietrich zu gemeinsamem Kampf gegen Walram und Alexander. Auf dem Felde von Wilre beim Schlosse Duras, halbwegs zwischen Utrecht und Löwen, fiel am 7. August 1129 die Entscheidung: G. wurde schwer geschlagen. Damit war Walram’s Herzogthum befestigt, [475] Gottfrieds Einfluß jenseits der Geete vernichtet. Unter diesen Umständen schloß derselbe, auch mit Lothar, Frieden; er behielt den Herzogstitel und scheint seitdem in gutem Einvernehmen mit dem Könige, in leidlichem mit seinen Nachbarn gestanden zu haben. Auch unter Konrad III. blieb das so. Hochbetagt, begann der Herzog zu kranken. Für das Heil seiner Seele hatte er wohl gesorgt. Denn wenn er sich auch nicht scheute, wo es Krieg oder Politik mit sich brachte, Abteien und Stifter hart zu bedrängen – namentlich in St. Trond wußte man darüber zu klagen – so sühnte er das doch durch reichliche fromme Schenkungen und Stiftungen in seinem Lande. Die Klöster Vlierbach und Park bei Löwen, Bigard bei Brüssel, verdanken ihm ihre Gründung, und das Kloster Afflighem und der neu erblühende Prämonstratenserorden erfreuten sich seiner besonderen Gunst. Dort in Afflighem ward er auf seinen Wunsch, da er am 15. Januar 1139 gestorben war, bestattet. Er durfte bei seinem Tode der frohen Aussicht entgegensehen, daß die von ihm errungene, zum Theil wieder verlorene Stellung seines Hauses zurückgewonnen werden würde: denn sein Sohn Gottfried war mit Luitgarde, der Schwägerin König Konrads vermählt, und da Walram von Limburg 1138 gestorben war, übertrug der König nicht dessen Sohne, sondern dem Sohn und Erben unseres G. von neuem das Herzogthum Niederlothringen.
Gottfried mit dem Barte, auch der Große zubenannt, aus dem alten von- Vgl. F. Chr. Butkens, Trophées sacrés et profanes du duché de Brabant, à la Haye 1724, Vol. I. p. 95 ss.; W. v. Giesebrecht, Geschichte d. deutschen Kaiserzeit, Bd. III. u. IV.