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Artikel „Gilhausen, Ludwig“ von Hermann Müller (Bibliothekar) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 171–173, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gilhausen,_Ludwig&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 06:23 Uhr UTC)
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Gilhausen: Ludwig G., als dessen Geburtsstadt gewöhnlich und auch in dem Album studiosorum scholae Marpurgensis vom Sommersemester 1577 Marburg a/L. bezeichnet wird, der aber ausweislich der Kirchenbücher an diesem Orte nicht geboren, wahrscheinlich also erst später mit seinen Eltern nach dort gezogen ist und über dessen Schulbildung es an allen Nachrichten und Aufzeichnungen [172] fehlt, studirte in Marburg Rechtswissenschaften, promovirte ebendaselbst zum Doctor der Rechte, erlangte darauf eine Stelle als Advocat zu Friedberg in der Wetterau und war später bei den Gerichten in Butzbach und Lich in richterlicher Function thätig, daneben Rechtsconsulent und Geheimer Rath des Grafen zu Solms. Er war ein Schwager des bekannten Marburger Juristen Hermann Vultejus. So wenig wie über sein Geburtsjahr, haben wir über sein Todesjahr irgend welche bestimmte Nachricht. Das letztere fällt indeß nach 1642, von welchem Jahre noch die von ihm zur dritten Auflage seines Werkes „Arbor judiciaria criminalis“ geschriebene Vorrede datirt. An Schriften hat er hinterlassen: „Commentarius in Tit. Dig. De injuriis et famosis libellis“, Jenae 1602; „Viridarium juridicum s. Flores utriusque juris“, Jenae 1610, 2. Aufl. Ibid., 1624; „Arbor judiciaria civilis secundum augustissimum camerale jus atque Saxonicum multaque alia provincialia judicia erecta atque directa“, Francofurti 1604, 1612, 1621, Fol. und Coloniae 1620, Fol. Das Buch enthält eine systematische Darstellung des Civilprocesses in der damaligen Manier, mit 114 Formularen zu Klagen und Klagebeantwortungen, sowie Anweisungen für die Advokaten der klägerischen und beklagten Parthei. Zu dem, dem Bischof von Mainz, Joh. Schweickhardt, gewidmeten Buche haben Hermann Vultejus und Joh. Goddaeus empfehlende Vorreden geschrieben. Der Verfasser hatte nach eigener Angabe dabei besonders das Bedürfniß der praktischen Juristen im Auge, es sollte diesen dazu dienen, das Buch auf gütliche Tagleistungen und Tagfahrten bequem mitzunehmen um in zweifelhaften Fällen sich auf der Stelle daraus Raths erholen zu können. Dieser ausgesprochenen Absicht ungeachtet, ist das Buch ein dickleibiger Foliant geworden. Dem Rathe seines Schwagers H. Vultejus entsprechend, hat G. in der letzten Ausgabe des Buches welche den Titel führt: „Processus absolutissimus tam civilis quam criminalis“, Francofurti 1626. 1642. 1662. 1694, Fol., auch den Criminalproceß mit aufgenommen. Daß das Buch auch noch nach dem Tode des Verfassers zweimal neu aufgelegt wurde, erscheint als ein Beweis, daß G. das vor Augen gehabte Ziel wirklich getroffen und es als nützlicher Handweiser für praktische Rechtsgelehrte sich bewährt hatte. Auch hat das Buch vor der gleich zu besprechenden „Arbor judiciaria criminalis“ den Vorzug der Selbständigkeit und es kann ihm namentlich nicht der Vorwurf gemacht werden, daß es eine bloße Compilation sei, bei welcher der Verfasser sich grober und weitgehender Plagiate schuldig gemacht habe. Unabhängig hiervon hat er eine eigene „Arbor judiciaria criminalis“ (1. Ausg. Francof. 1606. 3. Ausg. Coloniae Agrippinae 1642, Fol.) erscheinen lassen. Es ist das erste ausführliche System über gemeines deutsches Strafrecht und Strafproceß. Die Anordnung und Behandlung in diesem gleichfalls weniger für Gelehrte, als hauptsächlich für das Bedürfniß des praktischen Juristen berechneten Buches ist so abgeschmackt wie sein Titel. Ein Hauptfehler ist, daß die Carolina, deren einzelne Artikel bei jeder Lehre wörtlich vorangestellt werden, selbst dann nicht erklärt wird, wo im Gegensatz zu dem in ausführlicher Entwicklung vorgetragenen römischen Rechte mit der Modification, welche dasselbe durch die italienischen Criminalisten und zum Theil durch die Praxis des 16. Jahrhunderts erhielt, eine sehr nahe liegende Veranlassung und Anregung gegeben war, während umgekehrt und richtiger Weise die Carolina der Ausgangspunkt und die Grundlage hätte sein sollen, an welche die Erörterung und Vergleichung des römischen Rechts geknüpft werden mußte. Es hängt dies mit der damals herrschenden Richtung zusammen, von welcher G. sich loszusagen nicht fähig war. Daneben hat G. mit einer Staunen erregenden Dreistigkeit die Schrift eines seiner Vorgänger auf diesem Gebiete, Nicol. Vigelius, Constitutiones Carolinae publicorum judiciorum in ordinem redactae cumque jure communi collatae, [173] ohne auch ein einziges Mal die benutzte Quelle zu nennen, ausgeschrieben. C. G. v. Wächter, Gemeines Recht Deutschlands, S. 91, Note 112, hat eine Anzahl von Nachweisungen dieser Plagiate gegeben, auf welche hier zu verweisen genügen mag. Nichtsdestoweniger stellt ihn Henke, Geschichte des deutschen peinlichen Rechts, Thl. II, S. 149, weit über Vigel. Einen integrirenden und als solchen auch auf dem Titel des eben besprochenen Buches (wenigstens in der 3. Auflage, welche ich allein benutzen konnte) bezeichneten Bestandtheil bildet im Anhang der Text der peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. mit lateinischem Commentar unter jedem einzelnen Capitel, wonach der Behauptung C. G. v. Wächter’s a. a. O. S. 90, Note 111, daß G. von Einigen mit Unrecht unter die Commentatoren der Carolina gezählt werde, widersprochen werden muß. Die von Jöcher im Gelehrtenlexikon aufgestellte Behauptung, daß G. auch Jak. Aloillius, Comment. ad. Tit. Inst. de actionibus neu herausgegeben habe, finde ich nicht bestätigt.

C. G. v. Wächter, Gemeines deutsches Recht, S. 89–91. O. A. Walther, Die Litteratur des gemeinen ordentlichen Civil-Processes, S. 64. § 152. J. de Wal, Beiträge zur Litteraturgeschichte des Civil-Processes, herausgegeben von R. Stintzing, S. 72–73.