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Artikel „Fabricius, Wilhelm“ von August Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 526–528, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fabricius,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 19:25 Uhr UTC)
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Fabricius: Wilhelm F. (eigentlich Fabry), Arzt, ist den 25. Juni 1560 in dem Dorfe Hilden (in der Nähe von Düsseldorf) geboren und daher zumeist unter dem Namen F. Hildanus bekannt. Seinen ersten Unterricht genoß F. in einer Schule (wie er sagt, Akademie) in Köln; ungünstige Verhältnisse – wie es scheint – verhinderten ihn, sich eine medicinische Bildung auf Universitäten anzueignen, seine Neigung aber führte ihn auf dieses Gebiet, und so ging er zunächst (1576) bei dem Wundarzt und Magister Dumgens in Neuß, später bei Cosmos Slotanus (Slot), Leibbarbier und Leibwundarzt des Herzogs Wilhelm zu Jülich-Cleve-Berg, in die Lehre und wandte sich später (1585) an den berühmten Genfer Chirurgen Jean Griffon, über dessen Leistungen und Verdienste F. ein ausgezeichnetes Urtheil fällt, bei dem er als Gehilfe in Dienste trat. Nach vollständiger Ausbildung kehrte F. 1588 in seine Heimath zurück, blieb hier aber nur drei Jahre und siedelte dann nach Köln über, wo er bis zum J. 1596 als Wundarzt thätig gewesen ist, sich aber auch gleichzeitig eine tüchtige wissenschaftliche und selbst philologische Bildung zu eigen gemacht hat. Dann practicirte er einige Jahre, mit kurzer Unterbrechung, in Lausanne und 1602 folgte er einem Rufe als Stadtwundarzt nach Payerne (Peterlingen im Canton Waadt), wo er bis zum J. 1610 blieb. Inzwischen hatte sich sein Ruf als Wundarzt in weiten Kreisen verbreitet, vornehme Kranke an verschiedenen Punkten Deutschlands verlangten seinen Rath, auch wol eine längere Zeit fortgesetzte Behandlung und so gestaltete sich sein Leben zu einem wahren Periodeutenthum, das übrigens bei einer rastlosen Thätigkeit und der Sorglosigkeit, [527] mit welcher er sich den Strapazen der Reisen und den Anstrengungen der Praxis hingab, seine Kräfte in hohem Grade erschöpfte. Selbst nach seiner Berufung im J. 1614 als Stadtwundarzt nach Bern und trotz der Gichtbeschwerden, welche ihn lebhaft quälten, setzte er seine consultative Reisepraxis fort und erst im J. 1628, nachdem schwere Unglücksfälle in der Familie ihn tief gebeugt hatten, gab er sein Wanderleben auf und blieb dauernd in Bern, wo er, von Gicht und Asthma geplagt, am 14. Februar 1634 gestorben ist. F. nimmt nicht nur unter den deutschen Chirurgen des 17. Jahrh. die erste Stelle ein, er ist auch der erste, der die Chirurgie in Deutschland zu Ehren gebracht hat; man dürfte ihn in dieser Beziehung vielleicht nicht ganz unpassend als den „deutschen Paré“ bezeichnen. Mit einer, wenn auch nicht großen Schulgelehrsamkeit, doch tüchtigen wissenschaftlichen Bildung verband er Unbefangenheit, einen scharfen Blick und Originalität; er hatte sich eine ausgezeichnete Kenntniß in der Anatomie, welche er als die Basis der ganzen Medicin bezeichnete, zu eigen gemacht und war auch in richtiger Schätzung des großen Werthes pathologisch-anatomischer Studien nicht nur für den Arzt, sondern auch für den Chirurgen bestrebt, jede Gelegenheit, die sich ihm für Leichenuntersuchung darbot, aufs gewissenhafteste zu benützen. Wie hoch F. diese wissenschaftliche Ausbildung des Arztes veranschlug, geht u. a. aus der Vorrede zu seinen gesammelten Werken hervor, welche einen vollen Einblick in den ethischen und wissenschaftlichen Charakter dieses ausgezeichneten Mannes gewährt und in welcher er sich namentlich über die Unwissenheit der deutschen Chirurgen seiner Zeit und über das Unheil beklagt, das durch unwissende Bader, Bartscheerer und Pfuscher aller Art angerichtet wird. Viele verderbliche Vorurtheile in der chirurgischen Praxis seiner Zeitgenossen hat er mit Entschiedenheit bekämpft und mit Erfolg beseitigt; namentlich war sein Bestreben auf eine gründliche Diagnose des einzelnen Falles und auf eine Vereinfachung der Heilmethoden hingerichtet, und nicht weniger hat er sich durch Verbesserung und Erfindung chirurgischer Operationen verdient gemacht, von welchen einzelne bis in die neueste Zeit Anerkennung gefunden haben. Sein Ruf als Chirurg zog zahlreiche junge Aerzte zu ihm, die sich glücklich schätzten, in seiner Umgebung zu verweilen und seiner Unterweisung am Krankenbette theilhaftig zu werden. Trotz einer aufreibenden praktischen Thätigkeit gewann F. doch noch die Muße für litterarische Beschäftigung. In sechs in mehrjährigen Zwischenräumen erschienenen Sammlungen („Observationum et curationum centur. I-VI“) hat er einen bis auf den heutigen Tag gewürdigten Schatz von Beobachtungen und Erfahrungen – zumeist chirurgischen Inhaltes – niedergelegt, außerdem einige chirurgische Gegenstände monographisch bearbeitet (ein vollständiges Verzeichniß seiner Schriften findet sich in Haller, Bibl. chirurg., I. p. 259) und eine kleine vortreffliche anatomische Arbeit („Kurze Beschreibung der Fürtrefflichkeit der Anatomey“, Bern 1624) veröffentlicht. – F. beabsichtigte, seine Schriften gesammelt herauszugeben, er hatte auch bereits den Druck derselben vorbereitet, die Vorrede verfaßt und die Dedication (vom 1. April 1633 datirt und an mehrere Berner „Edle Herren“ gerichtet) geschrieben, als ihn der Tod ereilte; die Sammlung erschien dann, von Beyer herausgegeben, erst im J. 1646 und später in einer (schlechten) deutschen Uebersetzung von Greiff (Frankf. 1652). – Nach den Mittheilungen von Haller (Bibl. chirurg., I. p. 266) befinden sich auf der Berner Stadtbibliothek, außer einem mit handschriftlichen Bemerkungen von ihm versehenen Exemplare seiner anatomischen Schrift, drei Bände Manuscripte aus seinem Nachlasse, die vieles nicht Veröffentlichte und darunter namentlich einige hundert Briefe von F. enthalten, die auf seine Veranlassung abgeschrieben und gesammelt worden sind. – Eine ausführliche Mittheilung aus dem Inhalte dieser Codices hat Haller in Relat. Gotting. [528] fasc. XII gegeben, Meyer-Ahrens hat diese Briefe für die Bearbeitung seiner Biographie von F. benützt.

Ueber sein Leben vgl.: Leporin, Leben W. Fabricii v. Hilden, Quedlinb. 1722. Benedict, Commentatio de Guilelmo Fabricio Hildano, Vratisl. (1847); deutsch und erweitert in Janus, Zeitschr. f. Gesch. u. Litter. d. Med., 1848, III. S. 225–282. Meyer-Ahrens im Archiv für klin. Chirurg., 1864, VI. S. 1–66, 233–332.