Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Erwich, Westgothenkönig“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 414–415, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Erwich&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 04:07 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Erdmann, Erwin
Nächster>>>
Escher, Alfred
Band 48 (1904), S. 414–415 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Erwig in der Wikipedia
Erwig in Wikidata
GND-Nummer 102441758
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|414|415|Erwich, Westgothenkönig|Felix Dahn|ADB:Erwich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=102441758}}    

Erwich, Westgothenkönig, 15. Oct. a. 680 bis c. 15. Nov. a. 687. Unter König Kindaswinth (a. 641–652) war ein vornehmer Byzantiner, Ardebast (Artabazes), an den Hof von Toledo gekommen und mit einer Verwandten (consobrina, nicht Tochter) des Königs vermählt worden. Beider Sohn, E., war von König Wamba (a. 672–680, s. den Artikel) vor allen Palatinen geehrt worden. Zum Danke ließ sich der Halb-Grieche als Werkzeug von der Priesterpartei gebrauchen, die den hervorragend tüchtigen, ihr aber zu wenig gefügigen Herrscher stürzen wollte. Er reichte ihm den Trank, der ihn tödten sollte, aber Wamba’s kräftige Natur nur zu betäuben vermochte (4. oder 5. October a. 680). In diesem Zustand ward Wamba geschoren, in ein Mönchsgewand und in das Kloster Pampliega bei Burgos gesteckt, E. aber wenige Tage darauf zum König gesalbt. Bald darauf ward er in einer Priesterversammlung zu Toledo (XI. Concil. Tolet. a. 681, 9. Januar) unter Vorsitz eines jener gewaltigen Kirchenfürsten, wie sie wiederholt diesen priesterlich gewordenen Gothenstaat beherrscht haben, des Metropolitanen Julian von Toledo, der früher Wamba verherrlicht, jetzt aber die Verschwörung wesentlich geleitet hatte, von den zahlreich (41) erschienenen Geistlichen, aber nur 15 Palatinen als König anerkannt aus drei Gründen: weil Wamba durch die (aufgezwungene!) Scheerung unfähig geworden, König zu sein, weil er selbst E. zu seinem Nachfolger ernannt und weil dieser vom Metropolitan bereits gesalbt sei: der erste Grund war nichtssagend, vielmehr ein Hohn auf den Begriff der Abdankung, der zweite erlogen (wäre er wahr, so wäre er verfassungswidrig gewesen), der dritte gleichgültig und unfähig staatsrechtliche Nichtigkeiten zu heilen. Selten ist in aller Geschichte ein abscheuliches Verbrechen der Priesterschaft so abscheulich gerechtfertigt worden.

In Wirklichkeit herrschte nun im Gothenreich nicht E., sondern die Bischofschaft, geführt von dem gewaltigen Julian: Clerus und Adel theilten sich in den zerrissenen Purpur des Königthums durch Erhöhung ihrer Vorrechte wie ihrer thatsächlichen Macht; diese nur achtjährige Regierung ließ verfallen was kräftige Könige wie Kindasvinth und Wamba Gutes im Staat erbaut hatten und arbeitete dem bald – nach einem Jahrzehnt – erfolgenden Untergang des Reiches vor; das XVII. und das XVIII. Concil von Toledo (a. 683) sind neue Siege der Kirche in dem Kampf mit der immer tiefer sinkenden Krone: mußte doch der König, dessen oberste Pflicht Schutz der Schutzbedürftigen, so der Kirche, der Frauen, der Kinder war, umgekehrt den Schutz der Kirche für seine Königin Leovigoto und seine Kinder anrufen, zumal gegen die häufigen [415] Aufstände des Adels. Auch sonst fehlt es nicht an Zeichen der Furcht und der Schwäche: so die Steuernachlässe, die arge Abschwächung des ersprießlichen Wehrgesetzes Wamba’s (mit rückwirkender Kraft!), der Versuch, die Anhänger Wamba’s zu versöhnen durch Vermählung seiner Tochter Cixilo mit Wamba’s Neffen Egika (s. den Artikel), den er auch zum Thronfolger bestimmte mit Umgehung der eigenen Söhne.

Einen Schandfleck dieser Regierung bilden die furchtbaren Judengesetze, die, 28 an der Zahl, eingegeben waren von dem getauften Juden Julian, der, „wie eine Rose aus Gedorn erblüht“, mit der ganzen Glaubenswuth des Bekehrten dadurch alle Religionsverfolgungen in diesem Reich überbot: sie athmen eine bis ins kleinlichste bohrende Rachsucht und ihre mit lauernder Bevormundung durchgeführten Quälereien für Leib und Seele kennzeichnen den Geist jener Macht, die sie dem willenlosen Staat vorgeschrieben hat. Zuletzt entsagte E., von Krankheit, Aberglauben und wie es scheint, Gewissensangst gepeinigt, dem Scepter, das er ebenso verwerflich geführt wie erlangt hatte und ging in ein Kloster, wo er alsbald starb.

Quellen und Litteratur: Dahn, Die Könige der Germanen V, 1870, S. 215 f. VI², 1885, S. 460 f.