Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Egle, Joseph von“ von Max Bach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 277–278, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Egle,_Josef_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:24 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Eginhard
Nächster>>>
Egler, Ludwig
Band 48 (1904), S. 277–278 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Joseph von Egle in der Wikipedia
Joseph von Egle in Wikidata
GND-Nummer 116371080
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|277|278|Egle, Joseph von|Max Bach|ADB:Egle, Josef von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116371080}}    

Egle: Joseph von E., Architekt, kgl. württembergischer Hofbaudirector. Geboren am 23. November 1818 in Dellmensingen, OA. Laupheim, widmete er sich frühe dem Baufach, in welchem er vermöge seines klaren Verstandes und seiner künstlerischen Begabung bald zu den höchsten Würden und Ehren sich emporschwang. An der Gewerbeschule in Stuttgart und am Polytechnikum in Wien vorgebildet, vervollständigte er seine Studien unter Strack und Bötticher an der Berliner Bau-Akademie, sowie unter Förster in Wien. 1842 ging er als Correspondent der „Allgemeinen Bauzeitung“ auf Reisen nach Norddeutschland und England und nahm dann zu seiner praktischen und künstlerischen Vervollkommnung längeren Aufenthalt in Paris, München und Italien. Im J. 1848 in seine Heimath zurückgekehrt, übernahm er am 1. November dieses Jahres die Leitung der kurz zuvor gegründeten Stuttgarter Baugewerbeschule, die er aus bescheidenen Anfängen auf die Höhe einer Musteranstalt ihresgleichen gebracht hat. Ein paar Jahre später wurde ihm auch ein Lehrauftrag an der polytechnischen Schule übertragen und gleichzeitig eröffnete er eine Privatpraxis, indem er zunächst eine Anzahl bürgerlicher Wohnhäuser, Schulgebäude und kleinere Kirchen übernahm. Als abgesagter Feind jeder Scheinarchitektur verließ er die herkömmliche Fachwerksconstruction, um den unverblendeten Massivbau zu pflegen, dem er, als für Stuttgart ein neues Baustatut berathen wurde, durch sein entschiedenes Eingreifen zum Sieg in dieser Stadt verhalf.

Im Jahre 1857 berief ihn König Wilhelm I. zu seinem Hofbaumeister und dessen Nachfolger Karl übertrug ihm nach seinem Regierungsantritt die Neueinrichtung der Wohnräume im kgl. Residenzschloß (1864–67). Schon 1860 wurde ihm der Bau des neuen kgl. Polytechnikums übertragen; dieser in den edelsten Formen italienischer Renaissance gehaltene Bau zeichnet sich ebensowol durch seine praktische innere Eintheilung, als durch Gediegenheit der technischen Ausführung vortheilhaft aus. Bei Gelegenheit der Einweihung des Gebäudes wurde dem Meister das Ehrenbürgerrecht der Stadt Stuttgart verliehen. Bald nach Vollendung des Polytechnikums hatte er die Freude auch für seine ihm so sehr ans Herz gewachsene Anstalt ein neues Heim bauen zu dürfen (1867–70). Dieser Bau ist in den Formen französischer Renaissance ausgeführt und zeichnet sich besonders durch zwei schöne Lichthöfe aus. Noch glänzender als im Gebiete der Renaissance trat sein Talent als Gothiker hervor. Die im frühgothischen Geschmack erbaute katholische Marienkirche in Stuttgart zählt in ihrer einfachen und ruhigen Erhabenheit ohne Zweifel zu den schönsten gothischen Kirchen der Zeit. Außerdem baute er die neue katholische Kirche in Tübingen (1876–78), ebenfalls in einfachen frühgothischen Formen. Vielfach leitete er die Wiederherstellung alter Kirchen, schon 1855 ist er Beirath beim Münsterbau in Ulm und besorgte die Erneuerung der Eßlinger Frauenkirche, der hl. Kreuzkirche in Gmünd, der Kirche zu Weil der Stadt u. s. w. Neben den vielfachen Obliegenheiten seines Berufs, die ein genaues Eingehen auf Personen und Sachen und ein allzeit fertiges Urtheil erheischen, wußte er mit kluger Einsicht und planmäßiger Pünktlichkeit arbeitend und seiner unverwüstlichen Arbeitskraft und dem rastlosen Schaffensdrang keine Erholung gönnend, auch noch Zeit zu schriftstellerischen Leistungen zu gewinnen. Er stellte eine Theorie mathematischer Körperflächen auf und lieferte gediegene Aufsätze in die vom Stuttgarter Bauvereine herausgegebene Zeitschrift. Seine letzte Monographie war eine solche über die Frauenkirche zu Eßlingen. 1884 erhält er den Titel Hofbaudirector und das Amt des Vorstands der kgl. Bau- und Gartendirection. Welches Ansehen E. nach außen genoß, geht aus der Thatsache hervor, daß er seit 1866 bei zahlreichen Concurrenzen, [278] unter anderen bei denjenigen für das Hamburger Rathhaus, die Straßburger Universität und das Reichstagsgebäude als Preisrichter berufen wurde. Für seine Schule bearbeitete er ein treffliches Vorlagenwerk, das ihn als feinen Kenner der Baustile und der geschichtlichen Entwicklung der Architektur, sowie als trefflichen Zeichner bekannt machte. Mit der Anlage zu klarem systematischem Denken und freiem schöpferischen Vollbringen verband sich eine gründliche wissenschaftliche und technische Ausbildung, was ihn zum leitenden Schulmann und selbständigen Architekten gleich tüchtig machte. Er starb am 5. März 1899, 81 Jahre alt. An öffentlichen Ehrungen aller Art hat es ihm nicht gefehlt, er war Mitglied der Akademien zu Wien, Berlin, München und des Royal Institut of British Architects in London.

Centralbl. d. Bauverwaltung 1899, Nr. 21. – Beil. z. Münch. Allg. Ztg. 1899, Nr. 57. – Biogr. Jahrb. 4, 73. – Schwabenland 1899, Nr. 6.