ADB:Dohm, Christian Wilhelm von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Dohm, Christ. Wilh. v.“ von Rudolf Falkmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 297–299, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dohm,_Christian_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 03:42 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Döhler, Theodor
Band 5 (1877), S. 297–299 (Quelle).
Christian Konrad Wilhelm von Dohm bei Wikisource
Christian Konrad Wilhelm von Dohm in der Wikipedia
Christian Konrad Wilhelm von Dohm in Wikidata
GND-Nummer 118680145
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|5|297|299|Dohm, Christ. Wilh. v.|Rudolf Falkmann|ADB:Dohm, Christian Wilhelm von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118680145}}    

Dohm: Christ. Wilh. v. D., geb. 11. Decbr. 1751 zu Lemgo, gest. 29. Mai 1820; Sohn eines dortigen Predigers, hat sich in schwieriger Zeit als [298] Staatsmann und Schriftsteller einen angesehenen Namen erworben. Nachdem er in Leipzig unter Gellert’s Leitung Theologie zu studiren begonnen, ging er zu den Rechts- und Staatswissenschaften über. Begeistert für Basedow’s Plane, folgte er dessen Rufe nach Altona und lebte dort und in Dessau längere Zeit bei ihm. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Berlin als Pagenhofmeister am Hofe des Prinzen Ferdinand, Bruders Friedrich d. Gr., setzte er seit 1774 seine Studien in Göttingen bei Pütter und Schlözer fort, redigirte mit Boie das „Deutsche Museum“ und unternahm verschiedene andere litterarische Arbeiten. In den J. 1776–79 stand er als Professor am Carolinum in Cassel, wo er mit Mauvillon, Sömmering, Runde, G. Forster verkehrte und die Herausgabe seiner „Materialien zur Statistik und neuesten Staatengeschichte“ (Lemgo 1775–85) begann. Wiewol von Natur mehr zu einem Manne der Wissenschaft angelegt, strebte er nach praktischer Thätigkeit; statt einem Rufe nach Kiel, Erfurt, Freiburg zu folgen, richtete er sein Auge unverwandt auf den Staat Friedrichs d. Gr. Schon früh war er durch Gleim mit enthusiastischer Verehrung für den großen König erfüllt und sehnte sich nach einer Anstellung in Preußen, dessen wachsende Größe er vorahnend erkannte (schon 1769 nannte er in einem Briefe an Gleim Preußen den „ersten monarchischen Staat in der Welt“) und dem er lebenslänglich die treueste Anhänglichkeit bewahrte. In Folge seiner „Geschichte des baierischen Erbfolgestreites“ erhielt er 1779 eine Anstellung in Berlin als geh. Archivar und unter seines Gönners Herzberg persönlicher Leitung die erwünschte Beschäftigung im Ministerium des Auswärtigen, seit 1783 definitive Anstellung in diesem. Damals schrieb er auf M. Mendelsohn’s Veranlassung (der erste auf diesem Gebiete) über die Emancipation der Juden (1781) und eine französische Schrift über die Colonie von Surinam. Nach einer glücklichen diplomatischen Mission in Münster beschäftigte er sich mit den Ansprüchen der Stadt Danzig gegen den Staat und zog durch eine Streitschrift darüber die Aufmerksamkeit Friedrichs d. Gr. auf sich, dem er schon seit 1777 persönlich bekannt war. Für den letzten Plan des Königs, die Stiftung eines Fürstenbundes gegen Oesterreichs Uebermacht entwickelte D. nicht nur eine erfolgreiche praktische Thätigkeit, sondern vertheidigte auch im Auftrage des Königs dessen Ideen in einer (mit Unrecht dem Minister Herzberg zugeschriebenen) sehr bekannten Schrift: „Ueber den deutschen Fürstenbund“, 1785. Nachdem er 1786 in den Adelstand erhoben war, vertrat er 10 Jahre lang Preußen in Köln als bevollmächtigter Minister am kurkölnischen Hofe und als Gesandter bei dem niederrheinisch-westfälischen Kreis, mit dem Sitz in Köln, den er abwechselnd mit Aachen vertauschte. In dieser Eigenschaft und als Commissar des R. C. Gerichts war er Jahre lang bemüht, Unruhen in der Stadt Aachen, sowie die in Lüttich zwischen dem Bischofe und den Ständen ausgebrochenen Streitigkeiten, welche zu einer militärischen Occupation beider Städte führten, beizulegen, und hat sich namentlich um die Stadt Aachen, für welche er eine neue Verfassung entwarf, große Verdienste erworben. Durch diese Thätigkeit ist auch seine Schrift: „Die Lütticher Revolution im J. 1789 und das Benehmen Sr. k. Majestät von Preußen bei derselben“ veranlaßt worden. Zwischendurch vertrat er im Nuntiaturstreite (Emser Punctationen) das preußische Interesse an den Höfen der geistlichen Kurfürsten und führte Missionen nach Holland und Brüssel aus. Vor den heranrückenden Franzosen mußte er mit seiner Familie unter Gefahren 1792 nach Münster, 1794 nach Hagen entfliehen und begab sich von da über Lemgo nach Halberstadt. Auch von hier aus wurde D. fortwährend für wichtige politische Sendungen, insbesondere für Ausführung der bewaffneten Neutralität in Norddeutschland (Hildesheimer Congreß 1796) verwandt und nahm 1798–99 als dritter preußischer Gesandter am Rastatter Friedenscongresse Theil, wo er eine hervorragende Rolle spielte und nach der [299] Ermordung der französischen Gesandten im Auftrage der übrigen anwesenden Diplomaten einen officiellen Bericht schrieb, welcher über diese dunkle That das erste Licht verbreitete. Nach Halberstadt und seinem Gute Hornburg zurückgekehrt, wurde er fortwährend von diplomatischen Geschäften hin und her geworfen, beschäftigte sich einige Jahre hindurch mit Organisirung der verwickelten Verhältnisse der mediatisirten Reichsstadt Goslar und schrieb während dessen eine französische Denkschrift über die Lage Deutschlands um 1800. Im J. 1804 begab er sich als Kammer-Präsident nach Heiligenstadt (wo die Königin Louise am Schlachttage von Jena bei ihm angstvoll übernachtete), leitete während der Occupation der Franzosen die Verwaltung der Provinz Erfurt-Eichsfeld, harrte widerstrebend aber treu auf seinem Posten aus und reiste als Abgeordneter in das Hauptquartier Napoleon’s nach Warschau, wo er bei dem Kaiser persönlich das Interesse seiner Provinz vertrat. – Nach dem Frieden von Tilsit suchte er die Ruhe des Privatlebens, wurde aber von Joh. v. Müller und andern Freunden bewogen, ein Staatsamt im Königreiche Westfalen anzunehmen. Jérôme, der ihn nach Paris berief, hatte ihm anfangs das Ministerium des Auswärtigen zugedacht und trug ihm, als er des Aufenthalts in Cassel überdrüssig war, „den angenehmsten und ehrenvollsten Posten, welchen er zu bieten habe“, die Gesandtschaft in Dresden an. Er bekleidete denselben bis 1810, wo er sich dem Dienste Westfalens und dem öffentlichen Leben entzog. Auch während dieser Zeit blieb er mit Hardenberg und andern preußischen Staatsmännern in freundschaftlichem Verkehr. Die letzten 10 Jahre seines Lebens brachte er auf seinem Gute Pustleben bei Nordhausen in schriftstellerischer Thätigkeit, in freudiger Theilnahme an der Befreiung und Neubildung des Vaterlandes zu und beschloß sein wechselvolles, vielbewegtes Dasein am 29. Mai 1820. Dohm’s bedeutendstes Werk unter zahlreichen kleineren Schriften sind die 1814–19 in 5 Bänden erschienenen „Denkwürdigkeiten meiner Zeit von 1778–1806“, welche er aber nur bis zum Tode Friedrichs d. Gr. fortsetzen konnte, eine der wichtigsten, ergiebigsten und zuverlässigsten Geschichtsquellen jener Zeit. Als Staatsmann zeichnete er sich durch Scharfblick, Reichthum an Kenntnissen, besonders auf dem Gebiete des complicirten Reichsstaatsrechts, durch Beredsamkeit und unermüdliche Thätigkeit aus. Mit seiner diplomatischen Stellung wußte er die höchste Wahrhaftigkeit in allem Reden und Handeln, eine seltene Gradheit und Biederkeit zu vereinigen, Eigenschaften, welche ihm für eine glückliche Laufbahn nicht immer förderlich waren. Im Laufe seines Lebens trat er mit einem zahlreichen Kreise bedeutender Männer, nicht bloß von politischer, sondern mehr noch litterarischer Stellung in persönliche oder briefliche Verbindung und benutzte seine Reisen in Deutschland und der Schweiz eifrig zur Erweiterung dieses Kreises. Gleim, Jacobi, Joh. v. Müller waren ihm innig befreundet und seines Lobes voll, aber auch strammere Naturen versagten ihm ihre Anerkennung nicht.

Vgl. Gronau, C. W. v. Dohm nach seinem Wirken und Handeln, Lemgo 1824.