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Artikel „Dietrich, Veit“ von Johann Jakob Herzog in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 196–197, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dietrich,_Veit&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 00:16 Uhr UTC)
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Dietrich: Veit D. (Vitus Theodorus oder Theodoricus), geboren 1506 zu Nürnberg, † im März 1549. Er studirte seit 1527 zu Wittenberg, wo er sich die Achtung und das Vertrauen seiner Lehrer Luther und Melanchthon erwarb. Im J. 1527 wurde er Amanuensis Luther’s und dessen Tischgenosse. Er begleitete ihn als solcher auf das Religionsgespräch zu Marburg 1529, darauf nach Coburg und verweilte bei ihm daselbst während des Reichstages von Augsburg 1530. Er war von etwas heftiger Gemüthsart und geneigt zum Disputiren. Dadurch gerieth er in eine jedoch nur kurze Zeit währende Spannung mit seinem bisherigen Genossen Luther, die ihn bewog, im J. 1535 in seine Vaterstadt zurückzukehren. Zu Anfang des J. 1536 berief der Rath den vielversprechenden jungen Mann, dem schon die Aussicht auf eine Professur in Wittenberg eröffnet worden war, als Prediger zu St. Sebald. Er nahm die Stelle an aus Liebe zu seiner Vaterstadt, die ihm durch pecuniäre Unterstützung das Studium in Wittenberg ermöglicht hatte. Er verblieb an jener Stelle bis an seinen Tod, sowie in fortwährender Verbindung mit Luther, mit dem er sich bald ausgesöhnt hatte, und mit Melanchthon. Er unterzeichnete im Namen der Nürnberger Kirche die schmalkaldischen Artikel 1537 und wohnte 1546 dem Colloquium von Regensburg bei. In Verwaltung seines Amtes wurde er in allerlei Geschäfte und Kämpfe hineingezogen. Er vertheidigte gegen Osiander (s. d. Art.) die Sitte der allgemeinen Absolution neben der Privatabsolution, während Osiander jene abschaffen wollte. Zuletzt wurde die Privatabsolution aufgegeben und erst durch das Augsburger Interim wieder eingeführt. Auf Befehl des Magistrats führte D. 1542 die Reformation in einigen pfälzischen Aemtern ein, welche Nürnberg käuflich an sich gebracht hatte. Mit dem genannten Osiander hatte er 1543 einen neuen Streit über die Ordination der Geistlichen durch Handauflegung, welchen Gebrauch D. als papistisch verwarf. Durch seine Bemühungen geschah es, daß der Gebrauch damals nicht durchdringen konnte. Wenn er hierin zu weit ging, wie denn die Handauflegung nicht nothwendig den katholischen character indelebilis in sich schließt, so hatte D. dagegen vollkommen Recht, den Ritus der Elevation der Elemente des Abendmahls, der bei der Reformation stehen geblieben war, zu bekämpfen. Denn es knüpften sich daran katholische Ansichten nicht nur, sondern auch katholische Kundgebungen. Seine Festigkeit hierin ist um so mehr anzuerkennen, als sein College Osiander für Beibehaltung des auf protestantischem Standpunkte durchaus verwerflichen Ritus sich aussprach; ebenso der sehr angesehene Rathsherr Baumgartner aus Furcht vor unruhigen Bewegungen, ja selbst Luther und Melanchthon. Nachdem D. 1543 auf eigene Faust die Elevation ausgelassen, wurden die übrigen Prediger vom Rathe angewiesen, sein Beispiel nachzuahmen. Es half nicht, daß Osiander über nestorianische Ketzerei schrie, daß man D. des Zwinglianismus beschuldigte. Er war nichts weniger als zwinglisch gesinnt, sondern in seinem Agendbüchlein sagt er geradezu: „es ist eine greuliche Sünde von diesem Sacramente halten wie Zwingel und die Sacramentschwärmer, daß es nur Brod und Wein sei.“ Dieses Agendbüchlein ist im Auftrage des Rathes für die Stadt Nürnberg und die dazu gehörige Landschaft verfaßt und 1543 gedruckt worden. – Es wurde bei der Ausarbeitung der neuen Agende für die baierisch-lutherische Kirche benützt. Melanchthon hatte gegen D. sein Gefallen an dieser Agende ausgedrückt und nur die Excommunication vermißt. Dietrich’s letzte Lebensjahre wurden sehr getrübt theils durch Krankheit, theils durch die unglückliche Wendung der kirchlichen Verhältnisse. Während der Anwesenheit [197] Karls V. im J. 1547 trat er so scharf in einer Predigt auf, daß er auf Befehl des Rathes sich einige Zeit des Predigens enthalten mußte. Er mußte es erleben, daß ungeachtet des Gutachtens der Geistlichen, welches D. verfaßt hatte, das Interim 1549, wenn auch nicht in allen Punkten, so doch in den meisten angenommen wurde, wobei denn auch der Ritus der Elevation der Abendmahlselemente wieder eingeschmuggelt wurde. D. blieb nur auf ernstes Zureden von Melanchthon in Nürnberg, starb aber schon in demselben Jahre. Was Dietrich’s schriftstellerische Thätigkeit betrifft, so hat er durch die Herausgabe vieler erbaulicher und auf die Schrifterklärung bezüglicher Schriften Luther’s, die er zum Theil ins Deutsche übersetzte, christliche Erkenntniß und christliches Leben gefördert. Seine eigenen Producte beschränken sich meistens auf Predigten, bereits krank gab er 1548 den Propheten Jesaias in erbaulicher Auslegung heraus. Er hat auch einige geistliche Lieder verfaßt (Wackern, D. K. L. III, Nr. 610–13) und ist der Urheber mehrerer christlichen Anstalten in seiner Vaterstadt geworden. – S. im Corpus Reformatorum die Correspondenz Melanchthon’s und Cruciger’s mit Dietrich, sodann Strobel, Nachricht von dem Leben und den Schriften Veit Dietrich’s, 1772.