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Artikel „Dhaun, Leopold Joseph Graf von“ von Wilhelm Edler von Janko in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 109–113, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Daun,_Leopold_Graf_von&oldid=- (Version vom 8. Oktober 2024, 05:27 Uhr UTC)
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Dhaun: Leopold Joseph Graf v. D. (Daun), Fürst von Thiano, Herr zu Colloborn, Sachsenheim und Niederwalsee, österreichischer Feldmarschall. Geb. zu Wien den 24. Sept. 1705, † ebendaselbst den 5. Febr. 1766. In den Annalen der österreichischen Kriegsgeschichte erscheint der Name [110] des alten Geschlechtes der D. – zwischen der Eifel und Mosel lag ihre Stammburg schon im Beginne des 8. Jahrhunderts – oftmals und stets mit Ehren, unter allen aber steht Leopold D. obenan. Er ist der Sohn des Grafen Wirich (s. d.) und der Gräfin Marie Herberstein. Wie Montecucoli und Prinz Eugen war auch er zum geistlichen Stande bestimmt, da aber seine besondere Neigung zum Kriegsdienste immer mehr hervortrat, ließ ihn sein Vater in den Malteserorden aufnehmen – welchen er jedoch 1745 wieder verließ – und unterrichtete ihn selbst in allen militärischen Fächern. Genügend herangebildet, trat er in das Regiment seines Vaters und eröffnete seine kriegerische Laufbahn in dem Feldzuge von 1718 in Sicilien. Die Unternehmungen in Italien und am Rheine von 1734–35, bei welchen wir ihn schon als Oberst finden, machten ihn zum vollendeten Soldaten und in dem folgenden Kriege gegen die Türken 1737–39 kommt er schon als Mann von Bedeutung vor. In der Schlacht bei Krotzka war D. unter den verwundeten, aber auch unter den ausgezeichneten Generalen, zu welcher Würde er 1737 erhoben worden war. Im österreichischen Erbfolgekriege ist er schon Feldmarschall-Lieutenant und hier zeichnete er sich zuerst durch die überaus kluge Deckung jenes Theiles von Schlesien aus, welchen die verlorene Schlacht von Mollwitz noch übrig gelassen hatte. Er focht die Schlacht von Czaslau mit, half die Franzosen aus Böhmen treiben und den Rest ihrer Armee in Prag einschließen. Bei dem siegreichen Zuge Khevenhüller’s nach Baiern führte D. die Avantgarde und zeichnete sich mit derselben ganz besonders in dem Treffen von Braunau aus, auch nahm er ungeachtet der angelegten starken Verschanzungen und des hartnäckigen Widerstandes der Franzosen Dingelfing und Landau mit Sturm. Auch der Nachfolger Khevenhüller’s, Feldmarschall Traun, verwendete D. bei den bedeutendsten Unternehmungen des Feldzuges von 1744, und als die Armee durch Friedrichs II. Einfall in Böhmen gezwungen war, vom Rhein dahin zu eilen, führte D. die Nachhut, mit welcher er die Franzosen, als sie es einmal wagten, dieselbe bei Ludwigsburg anzugreifen, sofort energisch zurückschlug. In den nun folgenden Schlachten von Hohenfriedberg und Soor commandirte D. den linken Flügel der kaiserlichen Armee und kämpfte mit solchem Muthe, daß er noch 1745 zum Feldzeugmeister ernannt wurde. In dieser Eigenschaft ging er nach Abschluß des Dresdener Friedens nach den Niederlanden, und obschon die beiden Feldzüge hier von 1746–47 unglücklich für die Alliirten ausfielen, so hatte D. doch Gelegenheit zur Auszeichnung gefunden, wie er denn z. B. bei Lawfeld die auf dem linken Flügel bedrängten Engländer und Hannoveraner thätig unterstützte.

Wenngleich Oesterreich nach dem Ende des österreichischen Erbfolgekrieges einige Einbuße an Land zu erleiden hatte, so war es dadurch und durch die Verluste des Krieges an Menschen keineswegs so erschöpft, als ein acht Jahre lang, gegen so viele Feinde geführter Kampf voraussetzen lassen sollte, im Gegentheile, es stand am Ende desselben kräftiger da, als am Beginn. Eine mächtige Lebenskraft hatte sich in allen Theilen der Monarchie entwickelt und Maria Theresia säumte nicht, dieselbe sofort bei beginnender Ruhe zur Ausführung der wichtigsten inneren Staatseinrichtungen zu benutzen. Insbesondere trachtete sie, durch umfassende militärische Anstalten und Verbesserungen die Mannszahl und Stärke in der Armee so viel als möglich zu erhöhen. Niemand hatte zu diesem Zwecke mehr inneren Beruf als D. und glücklicher Weise gab ihm das Zutrauen seiner Monarchin auch die Gelegenheit, denselben nach allen Richtungen hin zu entfalten. Es gelang ihm, die Armee nicht nur in Zahl und Material, sondern auch in Zucht und Disciplin, und mit dieser in ihrem inneren Werthe so erfolgreich zu heben, daß Friedrich II. sich wol zu jenem bekannten Ausrufe der Enttäuschung in der Schlacht bei Lobositz hinreißen lassen durfte: „Das sind nicht [111] mehr die alten Oesterreicher.“ Doch nicht blos die schon vorhandenen Talente in ihren Wirkungskreis zu bringen, sondern auch jenen der künftigen Generation den Weg zur wissenschaftlichen Bildung zu eröffnen war D. bedacht, und in diesem Geiste hatte er Maria Theresien auch die Errichtung des Cadettenhauses (späteren Militärakademie) zu Wiener-Neustadt vorgeschlagen, zu deren Director sie ihn auch ernannte. Gleichzeitig erhob ihn die Kaiserin zum Stadtcommandanten von Wien, zum Ritter des goldenen Vließes und 1754 endlich zum Feldmarschall. Einen nicht minder wichtigen Grund zu dem bis an seinen Tod ununterbrochen behaupteten Einfluß legte D. schließlich auch durch seine Heirath mit der Gräfin Josepha v. Fuchs, Wittwe des Grafen Nostiz, welche, sowie einst ihre Mutter, der Erzieherin und späteren Obersthofmeisterin Maria Theresia’s, von dieser sehr geliebt wurde.

In diesen Stellungen finden wir D. beim Ausbruche des siebenjährigen Krieges, doch sollte er erst im zweiten Feldzuge 1757 handelnd auftreten. In diesem Jahre hatte Friedrich bekanntlich zuerst bei Prag die Oesterreicher unter Karl von Lothringen besiegt. Der größte Theil des Heeres war gezwungen gewesen, sich nach Prag hineinzuwerfen, welche Stadt der König nunmehr energisch belagerte. Um Prag sowol, als die darin unter Lothringen, dem Schwager Maria Theresia’s, eingeschlossene Armee zu retten, wurde mit größter Raschheit in Mähren eine Armee aus allen Theilen des Reiches zusammengezogen und der Oberbefehl über dieselbe D. übertragen, der nun nach Böhmen zog. Seine auf 54000 Mann herangewachsene Macht bot hier am denkwürdigen 18. Juni Friedrich II. bei Kolin die Spitze. Das Glück wendete dem bisher unbesiegten König den Rücken; D. erfocht einen glänzenden Sieg, dessen erste Folge die Aufhebung der Belagerung von Prag war. Zum Andenken an den Tag von Kolin stiftete Maria Theresia den militärischen Orden ihres Namens, zu dessen erstem Großkreuze (nach ihrem Schwager, dem Herzog Karl von Lothringen, der den Orden übrigens erst nach seinem Siege bei Breslau erhielt) sie ihren siegreichen Feldherrn ernannte. Friedrich der Große zog nunmehr mit einem Theile seiner Armeen nach Sachsen, während der andere unter dem Prinzen von Preußen nach der Lausitz marschirte, eben diesen verfolgte D., der nunmehr en second neben Lothringen befehligte. Beide vereint schlugen den 22. Novbr. den Prinzen von Bevern bei Breslau, wurden aber vom Könige, der jetzt aus Sachsen herbeieilte, am 5. Decbr. bei Leuthen besiegt.

Im dritten Feldzuge 1758 fiel Friedrich in Mähren ein und belagerte Olmütz. D., der nun Obercommandant der österreichischen Armee geworden, gab auf die Nachricht hin, daß der König einen großen Transport von Munition und Lebensmitteln aus Schlesien an sich ziehe, dem Generalmajor Loudon, der damals nur als einer der unternehmendsten Parteigänger bekannt war, den Befehl, diesen Convoy wegzunehmen. Loudon’s Streich gelang so vollkommen, daß Friedrich die Belagerung von Olmütz aufheben und Mähren räumen mußte. Während er sich gegen die Russen wendete, marschirte D. nach Sachsen, um hier im Verein mit dem Prinzen von Zweibrücken den Prinzen Heinrich anzugreifen, Friedrich aber eilte rasch herbei und bewog D. durch geschickte Manöver seine bisher innegehabte feste Position von Stolpen zu verlassen. D. überfiel dagegen den König in seinem Lager bei Hochkirch in der Nacht des 13. auf den 14. Oct. und schlug ihn. Er belagerte hierauf, nicht gehindert durch den König, der nach Schlesien abzog, Dresden, hob diese Belagerung aber wieder auf, als Friedrich zum zweiten Male herannahte.

Das neue, vierte Feldzugsjahr begann bei der Dhaun’schen Armee mit einer Reihe von Bewegungen in Sachsen und Schlesien, welche die Vereinigung eines österreichischen Armeecorps (unter Loudon) mit den Russen vorbereiten [112] sollten und die der König verhindern wollte, was ihm aber nicht gelang. Bei der Hauptarmee fiel in diesem Jahre nichts von Bedeutung vor, ausgenommen die bekannte Finkische Affaire von Maxen am 20. und 21. Novbr.

In der ersten Hälfte des Feldzugjahres von 1760 stand D. in dem Lager bei Plauen und der König in jenem bei Meißen, beide hielten sich gegenseitig in Schach, der letztere begann endlich die Belagerung von Dresden, an deren Fortsetzung er jedoch durch Dhaun’s Erscheinen gehindert wurde. Als später die Russen nach Schlesien mit ihrer Hauptmacht ziehen sollten, wendete sich Friedrich dahin, D. folgte und bereitete einen umfassenden Schlag vor, der aber durch das für die Oesterreicher unglückliche Zusammentreffen des Loudon’schen Corps mit dem Könige bei Liegnitz vereitelt wurde. D. zog sich nach Landshut zurück und eilte von da wieder nach Sachsen, woselbst ihm Friedrich die Schlacht von Torgau lieferte; bis 7 Uhr Abends war der Sieg auf Seite der Oesterreicher, kurze Zeit nachher wurde D. derart verwundet, daß er sich vom Schlachtfelde bringen lassen mußte und das Obercommando dem Generale O’Donell übergab. Ziethen’s unvorhergesehener Reiterangriff bei Siptitz entriß den Oesterreichern den Sieg.

Die beiden letzten Feldzugsjahre 1761 und 1762 blieben, soweit Dhaun’s Thätigkeit in Betracht kommt, ohne hervorragende Momente, es kam zwischen ihm und Friedrich zu keiner Schlacht, unbedeutende Affairen abgerechnet, unter welchen höchstens derjenigen von Burkersdorf 1762 noch zu gedenken wäre, die Dhaun’s Verbindung mit Schweidnitz, welches er bisher deckte, unterbrach. Der am 15. Januar 1763 zu Hubertusburg abgeschlossene Friede endigte Dhaun’s kriegerische Laufbahn. Noch während des letzten Feldzuges hatte er das Präsidium des Hofkriegsrathes angetreten, und schon nach Torgau war er zum Minister ernannt und in den Staatsrath berufen worden, obwol er die erste Stellung niemals bekleidete. Als Leiter des Hofkriegsrathes war D. ganz besonders an seinem Platze, da ihn nicht leicht irgend Jemand an theoretischer Kenntniß alles des zum Kriegswesen Gehörigen übertraf. Obgleich schon ziemlich bejahrt und durch die überstandenen Feldzüge an seiner Gesundheit geschädigt, entwickelte er doch auf seinem Posten eine sehr lebhafte Thätigkeit. Sie galt der Ausnutzung aller Erfahrungen und Beobachtungen des eben beendigten Krieges für seine früheren Verbesserungsanstalten, einer bessern Ordnung der Militärverwaltung, der Einführung von Ersparungen, welche aber nicht hindern sollten, daß die Armee stets zahlreich genug und im Zustande der raschesten Schlagfertigkeit erhalten werde. Durch die Berufung einer Anzahl hervorragender Generale in den Hofkriegsrath schuf er denselben aus einer administrativen Oberbehörde zu einer rein militärischen um und machte ihn zum Centralpunkte des gesammten österreichischen Kriegswesens. Leider war es D. nur wenige Jahre mehr vergönnt, für seine Kaiserin und den Staat zu wirken, da er schon 1766 aus den Reihen der Lebenden, und mit dem Ruhme, einer der ausgezeichnetsten Generale seiner Zeit gewesen zu sein, schied. Friedrich der Große gab ihm das Zeugniß, daß kein österreichischer General so große taktische Kenntnisse besessen und jede Kriegsunternehmung mit so vieler Klugheit und Behutsamkeit entworfen habe. Eben diese letztere und seine methodische Kriegführung wird ihm zum Vorwurfe gemacht, auch daß er seine Siege nicht auszunützen verstand, doch trat D. wider einen Gegner und zu einer Zeit auf, wo ihm alle Umstände viel zu warnend schienen, um dem Geiste des Wagens freien Raum zu lassen. Mehrmals erklärte er selbst, daß er hauptsächlich aus zwei Gründen zu seiner allzugroßen Vorsicht bestimmt werde: daß keiner seiner Schritte die Kaiserin je in die traurige Nothwendigkeit versetzen solle, einen schnellen, wol gar nachtheiligen Frieden schließen zu müssen, und daß er ihr am Ende des Krieges ein ebenso gutes und [113] schönes Heer zurückgeben wolle, als er übernommen habe, da Oesterreich bisher zumeist aus dem Grunde gezwungen gewesen sei, Frieden zu machen, weil es ihm gegen das Ende des Kriegs immer an Truppen gefehlt habe. Maria Theresia ließ D. ein prächtiges Denkmal in der Augustinerkirche – woselbst er beigesetzt ward – mit einer von ihr angeordneten Inschrift errichten, in der er als der „Retter ihrer Staaten, der Wiederhersteller der Kriegszucht durch Vorschrift und Beispiel und ein rühmlicher Nacheiferer der Helden des Alterthums“ bezeichnet wird. Sein schönstes Denkmal bleibt aber das bekannte Handschreiben der dankbaren Monarchin, welches sie mehrere Jahre nach der Schlacht von Kolin an einem 18. Juni, als dem „Geburtstage der Monarchie“, an D. richtete.

Der deutsche Fabius Cunctator oder Leben und Thaten S. E. des H. Leopold Reichsgrafen v. Dhaun, k. k. F. M., 2 Theile 1759, 60. Arneth, Maria Theresia und der siebenjährige Krieg, sowie: Letzte Regierungsjahre, Band I.