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Artikel „Corda, August Joseph“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 473–475, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Corda,_August_Joseph&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 05:06 Uhr UTC)
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Corda: Aug. Joseph C., Naturforscher, insbesondere Kryptogamist und Paläontologe, geb. 22. Oct. 1809, † Mitte September 1849 durch Schiffbruch auf dem atlantischen Ocean, wollte nach einem unvollständigen und unregelmäßigen Besuche des Gymnasiums in Prag sich dem Kaufmannsstande widmen und trat daher in ein Arzneiwaarengeschäft daselbst als Lehrling ein. Eine unbezwingliche Neigung zur Naturwissenschaft jedoch trieb ihn, nebenbei auch Vorlesungen über naturwissenschaftliche Gegenstände zu hören und brachte unter dem Einflusse des berühmten Kenners der Schwämme Professor Krombholz, der ihn als Zeichner verwendete, in ihm den Entschluß zur Reife, sich der Botanik, insbesondere der mikroskopischen Untersuchung der Kryptogamen zuzuwenden. Durch den Eintritt in den chirurgischen Lehrcurs an der Universität suchte er zwar seine mangelhafte Vorbildung zu ergänzen, blieb aber doch der Hauptsache nach Autodidakt. Zunächst betheiligte C. sich an der von Opitz eingeleiteten Naturalien-Tauschanstalt, der er eine große Menge Pilze und darunter mehrere neue Arten, die [474] er beschrieb, lieferte. Schon in seinem 18. Lebensjahre versuchte er sich in einer Publication „Versuche analytischer Naturkunde“, 1828, dem bald ein allgemeines Ansehenen erregendes größeres Werk „Monographia Rhizospermarum et Hepaticarum“, 1830, 1. Heft folgte, das zwar noch den Anfänger verrieth, in den beigegebenen mikroskopischen Zeichnungen aber ein außergewöhnliches Talent vermuthen ließ. Die botanische Gesellschaft in Regensburg ehrte sofort den Verfasser durch die Ernennung zu ihrem Mitgliede. C. besaß eine besondere Fertigkeit in der bildlichen Darstellung und pflegte seine mikroskopischen Beobachtungen zuerst durch vorzüglich ausgeführte Zeichnungen zu fixiren und darnach die Erläuterungen zu verfassen. Auch verstand er sich auf die Kunst des Lithographirens, die er selbst vielfach, um sich den nöthigen Lebensunterhalt zu verschaffen, ausübte. In dieser Weise betheiligte er sich an Sturm’s Flora Deutschlands, für die er die Pilze 1829, die deutschen Lebermoose und deutschen Algen monographisch bearbeitete und illustrirte.

Eine wissenschaftliche Reise führte ihn 1832 über Dresden, Leipzig, Halle, wo er die persönliche Bekanntschaft der hervorragendsten Botaniker jener Zeit machte, dann nach Berlin, wo er die Gunst Alex. v. Humboldt’s gewann, der ihn veranlaßte, nach Berlin überzusiedeln. Hier beschäftigte sich C. bis 1834 mit den mannigfaltigsten mikroskopischen Untersuchungen an Pflanzen und niederen Thieren und verfertigte eine erstaunliche Menge von Zeichnungen, bei denen man C. vielfach den Vorwurf machte, daß sie mehr darstellten, als man unter dem Mikroskop sehen könne. Als Frucht dieser Studien erschien eine Arbeit über den Bau des Pflanzenstamms (Beiträge z. Gesch. der Naturw. und Heilw. 1. Bd 2. Heft 1836), dann „Beiträge zur Lehre von der Befruchtung der Pflanzen", ein Vorläufer zu der später berühmten Theorie Schleiden’s über die Befruchtung (Nov. Act. Ac. Nat. cur. Vol. XVII, 2. pars und über die Diatomeen der böhmischen Heilquellen (de Caro, Alm. de Carlsbad, 5. Jahrg.). Damals machte C. auch die Entdeckung, daß der Franzensbader Kieselguhr fast ausschließlich aus Resten von Diatomeen zusammengesetzt sei. Trotz diesen hervorragenden Leistungen und einem rastlosen Fleiße wollte es C. nicht gelingen, eine erkleckliche Lebensstellung zu erlangen, so daß er sich nothdürftig mit Zeichnen und lithographischen Arbeiten durchschlagen mußte, bis er endlich durch Vermittlung des berühmten Phytopaläontologen Grafen v. Sternberg 1835 die bescheidene Stellung eines Custos an dem Nationalmuseum in Prag mit jährlich 400 Gulden Gehalt erlangte. Seitdem blieb C. an dieser Anstalt, mit wissenschaftlichen Forschungen beschäftigt, thätig. Unter den nun folgenden ungemein zahlreichen Publicationen, die er mit selbstlithographirten Zeichnungen schmückte, machen sich als die wichtigeren bemerkbar: „Untersuchungen über die Spiralfasern in dem Haargeflechte der Pilzgattung Trichia“, ein Sendschreiben an Alex. v. Humboldt, dann ein für die Kenntniß der Schwämme oder Pilze grundlegendes Werk: „Icones fungorum hucusque cognitorum“, 5 Bde. 1837—42, durch welches allein sich C. eine hervorragende Stellung unter den Botanikern für alle Zeiten sicherte. Nebenbei erschien ein Werk, einzig in seiner Art: „Prachtflora europäischer Schimmelbildungen“, 1839, mit 25 Tafeln, deren Zeichnungen dem Besten und Schönsten, was in diesem Zweige geleistet wurde, zur Seite gestellt werden können, und „Anleitung zu Studien in die Mykologie nebst kritischer Beschreibung aller bekannten Gattungen und einer kurzen Geschichte der Systematik“, 1842. Leider war die Art, mit welcher er in diesen Schriften in heftiger, polemischer, absprechender und hochfahrender Weise auftrat, nur dazu angethan, ihn noch mehr mit fast allen Männern seines Fachs zu verfeinden. Angeregt durch die reichen Sammlungen an Pflanzen- und Thierversteinerungen im Prager Museum und veranlaßt durch eine Studie über die vergleichende Anatomie der vor- und [475] jetztweltlichen Pflanzenstämme, die er für Sternberg’s Flora der Vorwelt verfaßt hatte, wie durch die von ihm ausgeführten Zeichnungen zu Presl’s Beiträgen zur Kunde vorweltlicher Pflanzen, wandte sich C. nun auch der Paläontologie zu. Er beschrieb zuerst einige merkwürdige skorpionähnliche Thierreste aus dem böhmischen Steinkohlengebirge, dann „Beiträge zur Flora der Vorwelt“, 1845 mit 60 Tafeln ganz vorzüglich ausgeführter Abbildungen und betheiligte sich vielfach an den paläontologischen Arbeiten von Reuß und Presl. Ein „Prodrom einer Monographie der böhmischen Trilobiten“, 1847, mit 7 Tafeln Abbildungen kann als eine vorbereitende Arbeit zu Barrande’s classischer Arbeit über die böhmischen Trilobiten angesehen werden. In rastloser Thätigkeit setzte er nebenbei seine mikroskopischen Studien fort, wie unter andern seine Publicationen über die „Anatomie von Hydra fusca“ (Nova Act. Ac. Nat. Cur. XVII), über den Brand bei den Cerealien und über das Mutterkorn, über die Kartoffelkrankheit etc. beweisen. Auch bereitete er in 20 selbstgefertigten radirten Tafeln die Herausgabe einer Forstbotanik vor. Als Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen wurde C. von vielen gelehrten Gesellschaften zum Mitgliede ernannt, insbesondere ehrte ihn die Wiener Akademie 1848 durch die Ernennung zu ihrem Correspondenten.

Durch eine schwächliche Körperconstitution und Neigung zu Kränklichkeit, sowie durch die Entbehrungen, welche sich C. wegen der beschränkten Verhältnisse, unter denen er lebte, auferlegen mußte, und durch die zahlreichen, stets vergeblichen Versuche eine Professur zu erlangen, oft mißgestimmt und krankhaft reizbar, trat er bei seiner ohnehin polemisch angelegten Natur zu heftig und rechthaberisch gegen die Ansichten Anderer auf, um seine unbestreitbaren Verdienste um die Wissenschaft in richtigem Maße zur Geltung bringen zu können. Dies alles wirkte zusammen, um aus C. einen mit der Welt Unzufriedenen zu machen. Er sehnte sich aus diesem Verhältnisse herauszukommen. Schon war ihm eine Aussicht auf Betheiligung an einer Weltumsegelung eröffnet, als auch diese plötzlich sich zerschlug. Dafür verschaffte ihm die Gunst des Fürsten Colloredo-Mannsfeld endlich die Gelegenheit, sich an einer naturwissenschaftlichen Reise nach Texas 1848 zu betheiligen, von der er mit reicher Ausbeute beladen 1849 auf dem Bremer Schiff Victoria sich zur Rückreise in die Heimath einschiffte. Einem Schiffbruch auf dem atlantischen Ocean, dem das Schiff Mitte Septembers 1849 erlag, fiel auch C. im besten Mannesalter, erst 40 Jahre alt und in voller wissenschaftlicher Thätigkeit, zum Opfer.

Abh. der böhm. Gesellsch. der Wissensch. 5. Folge Bd. VII. Wurzbach, Biogr. Lexikon Bd. II. S. 442. Vorwort zum V. Bd. der Icones fungorum.