ADB:Chemnitz, Bogislaw Philipp von

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Artikel „Chemnitz, Bogislaus Philipp“ von Friedrich Weber in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 114–116, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Chemnitz,_Bogislaw_Philipp_von&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 22:48 Uhr UTC)
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Chemnitz: Bogislaus Philipp Ch., Geschichtschreiber und Publicist, geb. am 9. Mai 1605 zu Stettin, als der zweite Sohn des Professors zu Rostock und pommerschen Kanzlers Martin Ch. und Enkel des berühmten protestantischen Theologen gleichen Namens. Den juristischen und historischen Studien, denen er in Rostock und Jena obgelegen, gab er im Jahre 1627 den Abschied, um, dem Zuge der Zeit folgend, in Kriegsdienste zu treten, erst in niederländische, dann [115] in schwedische; im diplomatischen Dienste Schwedens stand auch der älteste Bruder Martin. Mit dem Range eines Capitäns entsagte dann Ch. dem Kriegshandwerk wieder und kehrte zu den Wissenschaften zurück. Vom 3. Jan. 1644 datirt sein Bestallungsdecret als deutscher Historiograph der königlichen Majestät zu Schweden, und schon einige Zeit vorher mag er die Hand an sein großes Geschichtswerk „Der Königl. Schwedische in Teutschland geführte Krieg“ gelegt haben. Im Jahre 1648 wurde er nebst seinen Brüdern in den schwedischen Adelstand erhoben, 1675 zum Hofrath ernannt und starb im Februar 1678 auf seinem Gut Hallstad in der Provinz Westmanland. Dies die dürftigen biographischen Notizen, die sich erhalten haben. Das Werk seines Lebens war die erwähnte große historische Arbeit, eine der vorzüglichsten Geschichtsquellen des dreißigjährigen Kriegs. Freilich zeigt das Buch weder unparteiischen Sinn, noch kunstvolle Darstellung, noch historische Durcharbeitung und Kritik, jedoch, eine sehr ausführliche officielle schwedische Kriegsgeschichte; durchweg „aus glaubwürdigen und mehrentheils Originalacten, Documenten und Relationen zusammengetragen“, enthält es eine große Fülle werthvollen, im Original verlorenen oder unzugänglichen Materials und Berichte aus den ersten militärischen und diplomatischen Kreisen. Der 1. Theil (vom Verfasser selbst deutsch und lateinisch bearbeitet) erschien 1648 zu Stettin, der 2. Theil, nur deutsch, Stockholm 1653; sie reichen vom Auftreten Gustav Adolfs in Deutschland bis Juni 1636. Neuerdings erst ist von einem 3. Theil das 1. Buch (Juli bis December 1636) und ein 4. Theil (die Feldzüge Torstensson’s, 1641 bis 1646) gedruckt worden (Stockholm 1855; herausgegeben von Nordström). Der Rest des 3. Theils, sowie ein 5. u. 6. bis zum westfälischen Frieden reichender Theil sind verloren gegangen, wenn die beiden letzteren überhaupt jemals vorhanden waren. Bedeutender noch als der Geschichtschreiber ist der Publicist Ch. In ihm hat man nämlich mit höchster Wahrscheinlichkeit den Verfasser einer kleinen Flugschrift erkannt, welche ihrer Zeit ein ungeheures Aufsehen erregte und bis zum Ende des alten Reichs als ein epochemachendes Werk in der deutschen staatsrechtlichen Litteratur angesehen wurde. Das Libell erschien im Jahre 1640 als „Dissertatio de Ratione Status in Imperio nostro Romano-Germanico“, unter dem Pseudonym des Hippolithus a Lapide. Dieser Abriß der Reichsverfassung, in einer Zeit erschienen, da die staatsrechtlichen Verhältnisse Deutschlands aus dem Ruin des großen Kriegs einer Neuordnung entgegengingen, sucht, wie schon vorher, doch maßvoller, Limnäus u. A. gethan, nachzuweisen, daß dem Kaiser nach Gesetz und Herkommen ein äußerst bescheidener Rang in der Reichsverfassung zukomme, daß widerrechtlicher Weise die unersättliche habsburgische Herrschsucht die deutsche Fürstenaristokratie in eine Monarchie umgewandelt habe und daß die fast unbeschränkte Landeshoheit der deutschen Territorien, wie sie die fremden am Krieg betheiligten Kronen anstrebten und nachher der westfälische Friede sanctionirte, uraltes Recht sei. Von seinem mit viel Gelehrsamkeit und Scharfsinn, freilich auch mit offenbarer Entstellung der Thatsachen aufgebauten staatsrechtlichen System ausgehend, ergeht sich Hippolithus in den maßlosesten Schmähungen und erbittertsten Angriffen, wie sie in dieser Schärfe die keineswegs blöde polemische Litteratur des dreißigjährigen Krieges sonst nicht aufzuweisen hat, gegen die habsburgische Dynastie, von deren völliger Verdrängung vom deutschen Boden allein er das Heil erwartet. Es ist eine Anklage gegen das Haus Oesterreich von großartiger Leidenschaft, eine Verurtheilung seiner ganzen traditionellen Politik, seiner Ziele, seines Strebens und Handelns seit Jahrhunderten. Mit dem Prager Frieden schien es, als ob Oesterreich eine Form gefunden habe, sich mit dem Reiche zu vertragen und die fremde Einmischung zurückzuweisen. Die Wirkungen dieses Friedens zu lähmen, den eingeschläferten Haß gegen Habsburg aufs neue zu entfachen, die [116] kriegssatten Gemüther zur Fortsetzung des Kampfes bis zur völligen Demüthigung Oesterreichs und der anerkannten verfassungsmäßigen Ohnmacht des Kaiserthums anzustacheln, ist der Zweck des schneidigen Pamphlets, bei dem die schwedische Inspiration nicht zu verkennen ist.

Pütter, Litt. des teutschen Staatsrechts I. 211. F. Weber, Hipp. a Lapide in v. Sybel’s Historischer Zeitschrift XXIX.