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Artikel „Burger, Johann“ von William Löbe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 591–595, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Burger,_Johann&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 12:19 Uhr UTC)
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Burger: Johann B., Dr. med. und kön. kais. Gubernialrath, geboren 5. August 1773 zu Wolfsberg in Kärnthen, † 24. Januar 1842 in Wien. Er war nächst Thaer und Schwerz der bedeutendste Landwirth aus dem 18. Jahrhundert. Der hoffnungsvolle Knabe erhielt seinen ersten Unterricht von dem Capuziner Maran. 1780 und 1781 besuchte er die Trivialschule seiner Vaterstadt und lernte in dem Minoritenkloster nothdürftig Latein. 1783 dem Beneficiat zu Waldenstein zum weitern Studium anvertraut, nahm er in dieser einsamen Gegend, wo ihm nebenbei nur das Studium der Geographie und Geschichte Erholung gewährte, 1787 an der Vermessung behufs Steuerregulirung zu Waldenstein Theil, nicht ahnend, daß dieses Geschäft die Aufgabe der zweiten Hälfte seines Lebens werden würde. 1788 und 1789 wurde er theils zu Hause und in St. Andrä als Gehülfe seines Vaters in der Chirurgie, theils im Schlosse Wolfsberg und bei dem Syndicus zu St. Leonhard als Schreiber verwendet. Als 1788 sein Vater starb, sah er sich, um dessen Geschäft fortbetreiben zu können, genöthigt, zu dem Chirurgen Brukner in Klagenfurt in die Lehre zu gehen. 1790 losgesprochen, leistete er von da an thätige Hülfe zu Hause. 1792 conditionirte er bei dem Chirurgen Weber in Außee. So scheinbar bedeutungslos die Jahre seiner Kindheit und Jugend dahinflossen, so legte er doch mit jedem Erwerb von Kenntnissen in irgend einem Fache den Grund zu seiner künftigen mehrseitigen Brauchbarkeit, welche ihn, dem keine äußern Verhältnisse Vorschub auf der Bahn des Glückes leisteten, das was er war und wirkte, durch eigene Kraft erringen ließen. Als auch die Mutter 1793 starb, begab sich B. nach Klagenfurt, um daselbst chirurgische Vorlesungen zu hören. Die Prüfung 1794 trug ihm die [592] Magisterwürde ein und gab ihm den Antrieb nach Wien zu reisen, um die Josephsakademie und das Spital zu besuchen. Ein neuer Schlag traf ihn durch den Tod seiner Schwester, welche das Geschäft im väterlichen Hause fortgeführt hatte. B. übernahm dasselbe nun und blieb bis 1797 Wundarzt in Wolfsberg. Anfangs gefiel er sich in diesem Wirkungskreise, und trotz seiner Jugend und der geringen Hülfsmittel machte er nicht geringe Fortschritte in mehreren Zweigen der Naturwissenschaft und der Arzneikunst, wozu ihn besonders sein Gönner Baron Herbert und seine Freunde Dr. Pichler und Fabrikdirector Söllner aneiferten. Den ersten Beweis seiner erfolgreichen Studien lieferte er durch einen Aufsatz in Hufeland’s „Medicinischem Journal“; auch analysirte er 1796 die Sauerbrunnen seiner Umgebung und gewann eine besondere Vorliebe für chemische Arbeiten, worin er besonders durch Söllner ermuntert und unterstützt wurde. Was damals vor allem den gegenseitigen Ideenaustausch zwischen Söllner und B. veranlaßte, war die Nelkenzucht , wodurch letzterer immer mehr Geschmack an der Botanik gewann. So befriedigend aber auch der Umgang mit Söllner war, so fühlte B. doch seine Beschränktheit in Welt- und Menschenkenntniß, und eine geheime Stimme, welche seine Freunde billigten und kräftigten, trieb ihn in die Ferne. 1797 begab er sich, um sein Studium fortzusetzen, nach Wien, wo ihn namentlich die klinischen Vorträge des berühmten Frank anzogen, und von da mit seinem Freunde, dem nachmaligen Gubernialrath Edlen v. Vest, nach Freiburg im Breisgau, wo er 1799 den medicinischen Doctorgrad erwarb. Er ließ sich darauf in Wolfsberg als praktischer Arzt nieder und verehelichte sich 1800. Nun wurde er aber allmählich auf die Landwirthschaft hingeleitet. Hatte ihn meist die Cultur der Blumen zur sorgfältigen Pflege seines Gartens veranlaßt, so fühlte er sich bei dem Studium der Schrift „Zur Kenntniß der englischen Landwirthschaft“, von Albrecht Thaer, welche ihm sein Freund Söllner, ein wissenschaftlich gebildeter Landwirth, empfohlen hatte, von der Wichtigkeit der Landwirthschaft so mächtig angezogen, daß er von jetzt an alle Aufmerksamkeit auf den Zustand derselben in seiner Umgebung wendete. Zu diesem Behuf pachtete er 1804 den Spitalhof Wolfsberg. B. war es, welcher zuerst den Mais mit einer Säemaschine drillte und in jener Gegend Bohnen, Erbsen, Mais und Kartoffeln mit Spanngeräthen bebauete. Nebenbei beschäftigte er sich mit der Uebersetzung von Sismondi’s „Tableau de l’agriculture toscane“, welche Schrift er mit zahlreichen Anmerkungen versah („Gemälde der Toscanischen Landwirthschaft etc.“ Tübingen 1805). Ganz besonders widmete er sich aber der Cultur des Maises. Er baute in seinem Garten und auf seinen Feldern mehrere Jahre sämmtliche Varietäten dieser Getreideart an, welche er sich aus Italien, Tirol etc. verschaffen konnte, studirte alle neuen Schriften über Maisbau, reiste nach Wien, um in der kaiserlichen Bibliothek die alten Schriftsteller nachzuschlagen, welche über die vor der Entdeckung Amerika’s nach der alten Welt gebrachten Producte handeln, ging nach Ungarn, Croatien und Italien, um dort den Maisbau zu beobachten und gab dann als das Resultat seiner mehrjährigen Studien und Erfahrungen das Epoche machende Werk über den Maisbau heraus („Vollständige Abhandl. über die Naturgeschichte, Cultur und Benutzung des Mais“, 1809), welchem später noch die Schrift „Der Mais als Culturpflanze“ (1812) folgte. Durch diese beiden Schriften zog B. die Aufmerksamkeit ausgezeichneter Landwirthe, namentlich Thaer’s und Jordan’s, auf sich. Letzterer lernte B. persönlich kennen; die Folge davon war, daß B. 1808 zum Professor der Landwirthschaft am Lyceum zu Klagenfurt ernannt wurde. Männer jeden Standes besuchten Burger’s Vorlesungen, und die Landwirthschaft, welche man bisher nur der niedrigsten Classe als ein gemeines Gewerbe überlassen zu müssen geglaubt hatte, gewann nun das Interesse der Gebildeten und der wißbegierigen Jugend. Noch in späteren [593] Zeiten erinnerten sich Burger’s Schüler der logisch geordneten, lichtvollen und bei der scheinbaren Trockenheit des Gegenstandes anziehenden Vorträge mit großem Vergnügen. Nebenbei wurde B. von der kärnthnerischen Landwirthschaftsgesellschaft zum Kanzler erwählt und ihm auch das Lehrfach der Thierarzneikunde an dem Lyceum übertragen. Um seinem Fache vollkommen genügen, Versuche anstellen und sich wie seinen Schülern praktische Belehrung verschaffen zu können, kaufte er 1812 das nahe bei Klagenfurt gelegene Gut Harbach. Zu dieser Zeit schrieb er viele werthvolle Aufsätze für Thaer’s „Annalen“, für die „Carinthia“, für die „Kärnthnerische Zeitschrift“, verfaßte auch einige selbständige Schriften, von welchen die über „Theilung der Gemeinden“ (1812) mit einem Preise gekrönt wurde. Die Ereignisse des Kriegsjahres 1813 und die darauf folgenden Nothjahre nahmen Burger’s Thätigkeit auf eine eigene Art in Anspruch. Während der Napoleon’schen Handelssperre beschäftigte ihn vorzüglich die Erzeugung des Zuckers aus Mais, Zwetschen, Ahornsaft („Versuche über die Darstellung des Zuckers aus dem Safte inländischer Pflanzen“, 1812) und die Production von Oel aus einheimischen Stoffen. Nun sollte er auch als Arzt und Menschenfreund wirken. Unter den Ochsen, welche der Armee nachgetrieben wurden, brach die Löserdürre aus, welche sich bald auch über Kärnthen verbreitete. B. als Mitglied der Commission, welche Abhülfe gegen diese Pest schaffen sollte, hat seine Erfahrungen über die Löserdürre in Kärnthen im Jahre 1813 in dem 1. Bande Jahrgang 1818 der „Kärnthnerischen Zeitschrift“ niedergelegt. B. übernahm 1814 auch das Armenspital und wirkte hier so folgenreich, daß ihm dafür die große goldne Ehrenmedaille zu Theil wurde. 1814 machte er eine Reise nach München und bereicherte sich bei dieser Gelegenheit mit neuen Ideen zum Wohle seines Vaterlandes. Er war es, welcher zuerst 1815 in Oesterreich den Plan zu einer gegenseitigen Feuerversicherungsanstalt und 1816 den zu einer Hagelschädenversicherungsanstalt in den vaterländischen Blättern veröffentlichte; weiter errichtete er 1817, als die Hungersnoth nach mehreren Mißjahren den höchsten Grad erreicht hatte, in Klagenfurt eine Suppenanstalt für Arme, durch welche das Elend sehr gemildert wurde. Wenn übrigens B. gleich beim Beginn seiner Vorträge über Landwirthschaft das Bedürfniß eines brauchbaren Lehrbuchs für das Studium der Landwirthschaft fühlte, so hinderten ihn die eben angeführten Ereignisse vielfach an dem Ordnen und der Herausgabe seiner durch Jahre gesammelten Materialien. Erst 1819 erschien in Wien sein „Lehrbuch der Landwirthschaft“, 2 Bände, von dem bereits 1838 eine 4. Auflage nothwendig wurde, ein deutlicher Beweis, welchen Beifall sich dasselbe erwarb wegen des Reichthums und der Vollständigkeit der in ihm gesammelten Erfahrungen, wegen der logischen Anordnung, Gründlichkeit, Deutlichkeit und Präcision des Ausdrucks, und Thaer’s Urtheil, daß er kein Lehrbuch der Landwirthschaft kenne, welches ihn so befriedigt habe, wie das Burger’sche, hallte bald von allen Lehrstühlen wieder. 1834 erschien durch Lundeqist eine schwedische Uebersetzung in Stockholm, 1836 durch Noirot eine französische in Paris, 1821 von Zabrzycki eine polnische in Przemysel, 1831 eine zweite polnische von Oczowcski in Wilna (3. Aufl. von Zawazki); auch ins Russische wurde Burger’s Lehrbuch übersetzt. In diese Zeit fällt auch eine größere Anzahl sehr lehrreicher Abhandlungen Burger’s, welche größtentheils in der Zeitschrift „Carinthia“ erschienen. 1820 wurde B. als Gubernialrath in Triest angestellt, um in dem österreichischen Küstenlande die Grundabschätzungen behufs des Steuerkatasters zu leiten. Dieser neue Wirkungskreis war nicht ohne Reiz für ihn. Seine landwirthschaftlichen Kenntnisse mußten sich dabei nothwendig sehr erweitern, da es zu seinen Obliegenheiten gehörte, die Wirthschaftsweise des Küstenlandes im genauesten Detail kennen zu lernen. 1825 wurde er nach Graz versetzt, um auch hier die Grundabschätzungen [594] einzuleiten. Von der steiermärkischen Landwirthschaftsgesellschaft in den Ausschuß gewählt, bethätigte er sein Interesse für Steiermark namentlich durch eine Anzahl gediegener Abhandlungen, welche er 1825–32 in den Verhandlungen und Aufsätzen der steiermärkischen Landwirthschaftsgesellschaft niederlegte. 1826 kehrte er wieder nach Triest zurück. 1828 erhielt er den Auftrag, sich nach dem lombardisch-venetianischen Königreich zu begeben, um in Mailand das alte mailändische Kataster zu studiren und den Gang der in den früheren venetianischen Provinzen stattfindenden Katastralschätzung zu inspiciren. Die dabei gesammelten Erfahrungen legte er nieder in seiner „Reise durch Oberitalien mit vorzüglicher Rücksicht auf den gegenwärtigen Zustand der Landwirthschaft“. 2 Bände. 1831. Als 1830 die Schätzungen im Küstenlande beendigt waren, wurde B. nach Wien versetzt, um die Katastraloperationen in Niederösterreich zu Ende zu bringen. Hier eröffnete sich für ihn ein neues Feld der Beobachtungen; namentlich war es der Weinbau, welcher seine Aufmerksamkeit erregte. Eine große Zahl von Abhandlungen in den Schriften der kais. königl. Landwirthschaftsgesellschaft in Wien bekundet seine Thätigkeit als Mitglied des beständigen Ausschusses und seit 1838 als Secretär dieser Gesellschaft. Außer diesen Abhandlungen erschienen zu derselben Zeit mehrere Schriften über den Weinbau von B. („Systematische Classification und Beschreibung der in den österreichischen Weingärten vorkommenden Traubenarten.“ 1831. „Beiträge zur Kenntniß des gegenwärtigen Zustandes des Weinbaues in Oesterreich.“ 1839. „Ueber Classification der Traubenarten.“ 1841.) Hierher gehört auch noch ein Vortrag „Ueber die Fortschritte der Bodencultur in den letzten 50 Jahren“ bei der Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe in Brünn, abgedruckt in dem amtlichen Bericht über diese Versammlung (Brünn 1841). Burger’s Lebenskraft erschöpfte sich jetzt mehr und mehr durch seine vielen Studien, Geschäftsreisen und Arbeiten; ehe sie aber ganz versiegte, sollte er noch vielfache Beweise der Verehrung von Seiten seiner Fachgenossen, seiner Landsleute und selbst des Auslandes finden. Burger’s Streben prägte die tiefste Reellität aus. Er war kein Liebhaber bloßer Lehrsätze, unfruchtbarer Theorieen, schöngeisterischer Empfindungen und Empfindeleien; er wollte überall eine gegebene feste Grundlage, ein Weiterschreiten durch sichere Erfahrungen, ein wirkliches Resultat und praktischen Nutzen. Mathematik war ihm deshalb die vorzüglichste aller Aufgaben für den Menschengeist, der Maßstab, auf welchen er alles reducirte, Philosophie die Wissenschaft, welche in ihm Einheit schuf und die Erscheinungen des Lebens erklärte. Schiller galt ihm alles, nicht so Goethe. Während ihn bei Tage die Anschauung der schaffenden, wiedererzeugenden und erhaltenden Natur unablässig beschäftigte, war in der Nacht, wo ihm die Sternenwelt aufging, Astronomie der Gegenstand seines Nachdenkens; sein Freund, der berühmte Sternkundige Bürg, war sein Führer, sein Geist verlor sich da in den unermessenen Sphären der Sternenwelt. Arzt aus innerem Beruf, mit einer glücklichen Auffassung der Zustände und mit richtigem Takt im Verfahren, erkannte er doch bald das Unsichere einer Kunst, an welche man so weit über menschliche Kräfte und Mittel[WS 1] gehende Anforderungen macht. Er verließ deshalb diesen Beruf, um nicht eher zu ihm zurückzukehren, als es das öffentliche Wohl forderte. Einfach in seinen Bedürfnissen, opferte er alles der Wissenschaft, seiner Pflicht, selbst wenn sie ihn von glücklichen Familienverhältnissen ab- und in die Ferne zog. Sein höchster Genuß war, zu neuen Beobachtungen zu eilen, die Natur in ihrem Wirken zu erforschen und der Mittel zur Fortbildung habhaft zu werden. Der Mais, der erste Gegenstand seiner Arbeiten, gewährte ihm, wo er seiner im üppigen Wachsthum ansichtig wurde, das größte Vergnügen. In seinem Umgange war B. einfach, gerade und nie heiterer als dann, wenn unter gleichgesinnten Freunden wissenschaftliche [595] Gegenstände, nützliche Erfahrungen, die Ursachen und Folgen der Weltbegebenheiten und Zeitereignisse zur Anschauung gebracht und darüber mit Offenheit debattirt wurde. Immer nur ein Ziel verfolgend, kannte er keine krummen Wege, kein Aushängeschild eigennütziger Absichten; er wurde das, wozu man ihn berief, ohne daß er danach strebte. Was er war, war er ganz, und es war wol sein schönster Lohn, zu wissen, daß die Arbeit seines Lebens Früchte getragen, daß der ausgestreute Same reichlich aufgegangen und das Korn der Wissenschaft, welches er gepflegt, selbst über sein Vaterland hinaus reiche Früchte getragen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Mitttel