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Artikel „Brinckmeier, Eduard“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 238–241, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brinckmeier,_Eduard&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 05:42 Uhr UTC)
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Brinckmeier: Johann Peter Ludwig Eduard B., Schriftsteller, geboren zu Wolfenbüttel am 28. April 1811, † zu Braunschweig am 13. October 1897. Sohn des Domäneneinnehmers August B. († am 12. Febr. 1829) und seiner Gattin Friederike, Tochter des Kaufmanns Fr. Selwig in Bahrdorf († 1840), besuchte B. bis Ostern 1830 das Gymnasium in Wolfenbüttel, um sich dann in Göttingen dem Studium der Theologie zu widmen. Ostern 1831 ging er nach Halle, kehrte von hier aber krankheitshalber vor Schluß des Semesters nach Haus zurück, wo er auch den Winter über verblieb. Ostern 1832 studirte er für ein Jahr wieder in Göttingen. Nach Wolfenbüttel heimgekehrt wurde er beschuldigt an burschenschaftlichen Vereinigungen theilgenommen zu haben. Er leugnete dies zwar beharrlich, doch sprachen sehr belastende Zeugnisse gegen ihn; mit dem an jenen Bestrebungen stark [239] betheiligten Aug. Ludw. v. Rochau, einem Schulfreunde, hatte er in Göttingen lange Zeit in einem Hause gewohnt und viel verkehrt. Die Untersuchung blieb zwar schließlich auf sich beruhen, aber sie hatte sich bis in das Jahr 1837 hinein gezogen und ist wol der äußere Anlaß gewesen, daß B. ein theologisches Examen niemals gemacht hat. Er kam so in die Schriftstellerlaufbahn; in der zweiten Hälfte des Jahres 1835 scheint er sich den philosophischen Doctorgrad errungen zu haben. In demselben Jahre war er bereits in Braunschweig, wo er wol schon im Juni 1835 die Redaction der „Mitternachtszeitung“ übernahm, die er bis zum Schlusse des Jahres 1839 führte. Zu gleicher Zeit (1837–39) gab er den „Moden-Courier, Zeitschrift f. Kunst, Theater und Mode“ heraus und (1839) die „Brunonia, Monatsschrift für Kunst, Wissenschaft, Industrie, Gewerbe und sociales Leben im Herzogthum Braunschweig“, von der aber nur neun Hefte erschienen. Als die letztere December 1839 einging, kündigten Verleger und B. eine rein historische Zeitschrift an, zu der es aber nicht kam. B. veröffentlichte ferner in dieser Zeit „Novellen und Erzählungen“ (Braunschweig 1837), „Liebe und Leben“, Novellen (Celle 1841), „Die Schuld“, Novelle (Neuhaldensleben, 2. Aufl. 1841), eine rhythmische Bearbeitung von Ossian’s Gedichten (Braunschweig 1839). Auch als Uebersetzer war er jetzt und später überaus fleißig; er übertrug aus dem Englischen und Französischen Werke von W. Irving, Marryat, Balzac, G. de Beaumont, P. de Kock, Lafayette, G. Sand u. A. Zugleich war er auch wissenschaftlich thätig. Er arbeitete den zweiten Band eines englischen Wörterbuches um, besonders beschäftigte er sich aber mit spanischer Sprache und Litteratur. Er hatte 1841 die Absicht, darüber am Collegium Carolinum Vorlesungen zu halten, brachte sie aber nicht zur Ausführung. Noch in demselben Jahre ging er nach Leipzig, später nach Halle. An beiden Orten wirkte er als Litterat und Privatgelehrter; eine Docentenstellung, wie wol behauptet ist, hat er an der Universität Halle nicht gehabt. Er verfaßte einen „Abriß einer documentirten Geschichte der spanischen Nationallitteratur nebst einer vollständigen Quellenkunde“ (1844), eine „Vollständige Grammatik der spanischen Sprache“ (1844), „Die Nationallitteratur der Spanier seit dem Anfange des 19. Jahrhunderts“ (1850), „Die provencalischen Troubadours nach ihrer Sprache“ (1844) und veranstaltete eine „Blumenlese aus den Werken der Troubadours nebst provencal. Grammatik und Glossarium“ (1849). Sodann beschäftigte er sich mit geschichtlichen Hülfswissenschaften nach verschiedener Richtung. Im J. 1843 erschien sein „Praktisches Handbuch der historischen Chronologie“ (2. Aufl. 1882), im wesentlichen ein Auszug aus Ideler und der „Art de verifier les dates“, 1848 sein „Itinerarium der deutschen Kaiser und Könige“, in dem er des verdienten Böhmer’s Kaiserregesten in dreister Weise ausschrieb. Gründlichkeit und Selbständigkeit lassen Brinckmeier’s Arbeiten, wie bei seiner ungeheuren Vielgeschäftigkeit nicht zu verwundern ist, insgesammt vermissen. Er verstand ohne eigene besondere Geistesanstrengung Anderer Arbeiten geschickt und unbedenklich zu verwerthen, aus mehreren Büchern, oft auch aus einem sofort ein neues zu verfertigen. Dennoch wußte er sich geltend zu machen. Der Herzog von Meiningen verlieh ihm unterm 23. December 1847 wegen „seiner vorzüglichen litterarischen Leistungen“ den Titel eines Hofraths, der in seiner Heimath allerdings nicht anerkannt wurde, der Herzog von Coburg die Verdienstmedaille für Kunst und Wissenschaft. Sein verdienstlichstes Werk ist jedenfalls sein „Glossarium Diplomaticum“, das keinen hohen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen, sondern unter „dem Gesichtspunkte des praktischen Nutzens“ beurtheilt werden will und sich in der That als ein zweckmäßiges Hülfsmittel erwiesen hat. Es [240] ist wol auch das einzige Buch, an dem er lange gearbeitet hat; er begann es 1839; 1850 erschien das erste, 1863 das letzte Heft. Im J. 1847 war B. schon wieder in Braunschweig. In dem politischen Treiben der folgenden Jahre trat er persönlich nicht hervor, behandelte jedoch in mehreren Schriften die Zeitereignisse: „Louis Napoleon Bonaparte, Präsident der französischen Republik“ (1849), „Geschichte des Jahres 1848, ein Gedenkbuch für das deutsche Volk“. Bis in die Mitte der 50er Jahre gab er die „Isis. Zeitschrift für Unterhaltung und sociales Leben“ heraus; 1854 erschien auch noch ein „Deutsches Fremdwörterbuch“, das er im Verein mit Dr. K. Müller veröffentlichte.

Dann hat sich B. für längere Zeit von der Schriftstellerei zu praktischen Aufgaben gewandt. Er trieb – man sagte, in nicht ganz einwandfreier Weise – den Verkauf von Kräutern, Tincturen und angeblichen Heilmitteln, womit er trotz wiederholter Bestrafung viel Geld verdiente. Auf einem Garten, den er sich am kleinen Exercierplatze vor Braunschweig gekauft hatte, legte er große Treibhäuser an und zog besonders ausländische Gewächse, Palmen, Cacteen u. s. w., mit denen er einen schwungvollen Handel führte. Auch ist er eine Zeit lang Besitzer einer Marmormühle gewesen. Doch die guten Vermögensverhältnisse hatten keinen Bestand; leichtfertig, wie die Schriftstellerei, war auch Brinckmeier’s Leben. Er heirathete die nicht ohne seine Schuld 1844 geschiedene Frau des Theatermalers Weiß, Karoline geb. Hambach, die, älter als B. (geb. 1809), am 22. Juli 1867 gestorben ist. Um das Jahr 1874 verkaufte er sein Grundstück. Es fehlte ihm leider jeder sittliche Halt und er sank immer tiefer, so daß er am 24. September 1880 vom Landgerichte zu Braunschweig wegen unzüchtiger Handlungen zu einer dreijährigen Zuchthausstrafe verurtheilt wurde; am 28. Februar 1882 wurde ihm auf dem Gnadenwege der Rest der Strafe erlassen. Seit seiner Festsetzung begann er wieder eine ungemein reiche schriftstellerische Thätigkeit zu entfalten. Aus den letzten Jahrzehnten vorher sind nur die zwanglos erschienenen „Dramaturgischen Blätter“ (1862. 63) zu erwähnen. Mögen die Arbeiten Brinckmeier’s auch noch so oberflächlich sein: bei dem hohen Alter und den widrigen Verhältnissen, unter denen er lebte, ist es erstaunlich, was er jetzt alles noch fertig stellte. Und daß es ihm nicht an Geschick fehlte, beweist die Zahl der Auflagen, die einige seiner Werke erfuhren. Er schrieb besondere Bücher über „Kalt- und Warmhauspflanzen“, den „Seidenbau“, den „Hanf“, die „Kultur der Palmen“, „Zwiebel-Zierpflanzen“, „Kultur der Korbweiden“, den „Zimmer-, Fenster- und Balkongarten“ (2. Aufl. 1891), die „Kunst des Bouquet- und Kranzbindens“ (4. Aufl. 1891), „Flora, Gartenbuch f. Damen“ (2. Aufl. 1891), ein „Braunschweigisches Spargelbuch“, das vier Auflagen erlebte und auf der landwirthschaftlichen Ausstellung zu Köln den ersten Preis erhielt, über „Kultur der Schnittbohnen“, „Blumenparterres“, „Hühnerzucht“, „Brieftauben“, einen „Hühnerhof“ (12. Aufl. 1891), ein „Kaninchenbuch“ (2. Aufl. 1893) u. a. m. Ferner veröffentlichte er eine „Methode, die französische Sprache … zu lernen“ (1885), ein „Portugiesisch-deutsches Gesprächbuch“ (2. Aufl. 1892), ebenso ein türkisches, das er aus einem alten französischen Werke dadurch herstellte, daß er das Französische ins Deutsche übertrug. Wie letzteres, so ließ er viele andere Werke unter fremdem Namen erscheinen; er gebrauchte namentlich für Uebersetzungen und Bearbeitungen von Romanen die Pseudonyme „E. Montegna“, „Eduard von Miletus“ u. a. Er behandelte auch nochmals „Die provencalischen Troubadours als lyrische und politische Dichter“ (1882), gab „Floresta de satiras fabulas de poetas espanolas“ (1882) heraus, verfaßte eine Geschichte des fürstlichen Hauses Leiningen (1890), [241] des Geschlechts derer von Kalm (1893) u. s. w. Eine große und vielseitige Thätigkeit, der es nicht an äußerem Erfolge fehlte, wenn sie zumeist auch nur zur Beschaffung des Lebensunterhalts dienen mußte, die aber doch auf das tiefste bedauern läßt, daß eine solche Kraft nicht in richtiger Sammlung und Entfaltung höheres und besseres geleistet hat, sondern schließlich in völliger Verwahrlosung verkommen ist. Eine Adoptivtochter Brinckmeier’s, Helene Henze, heirathete am 22. August 1871 den Hofschauspieler Fritz Bethge in Braunschweig († am 2. Mai 1891) und starb ebenfalls in traurigen Verhältnissen 1885 in der Pflegeanstalt zu Erkerode.