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Artikel „Brenneysen, Enno Rudolf“ von Ernst Friedländer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 308–309, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brenneysen,_Enno_Rudolf&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 06:55 Uhr UTC)
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Brenneysen: Enno Rudolf B., fürstl. ostfriesischer Kanzler, geb. 27. Oct. 1669 zu Esens, gest. zu Aurich 22. Sept. 1734. Nachdem B. die Schulen zu Esens und Norden und zuletzt das Gymnasium in Bremen besucht hatte, bezog er im J. 1693 die Ritterakademie zu Halle, welche im folgenden Jahre zur Universität erhoben wurde, um daselbst Jurisprudenz zu studiren. Er muß aber schon reiche Kenntnisse in dieser Wissenschaft mit zur Hochschule gebracht haben, denn der berühmte Thomasius sagt in dem Einladungsschreiben zu der im September 1695 von B. gehaltenen Inauguraldisputation, B. hätte bewiesen, daß man schon auf geringeren Schulen, als die Akademien sind, zu ebenso großer Gelehrsamkeit gelangen könne, als auf den Akademien selbst. Diese Dissertation „De jure principis circa adiaphora“ behauptet hauptsächlich den Satz, daß ein Landesherr, einerlei welcher Religion er sei, das Recht habe, in Mitteldingen und Ceremonien, selbst wenn sie auf allgemeinen Concilien festgesetzt sind, Abänderungen zu treffen. Die Arbeit machte viel Aufsehen und war der Anlaß zu einer Reihe Streitschriften für und wider, an der sich außer dem nunmehrigen Licentiaten B. selbst und seinem Lehrer Thomasius einerseits, vornehmlich Carpzow in Leipzig und Stolz, Superintendent in Waldenburg, auf der anderen Seite betheiligten, erst 1698 legten beide Parteien die spitzen Federn nieder. Die hierher gehörigen Schriften Brenneysen’s sind beachtenswerthe Erscheinungen auf kirchenrechtlichem Gebiete, namentlich die Arbeit „Von dem Rechte des Fürsten in theologischen Streitigkeiten“, Halle 1696, in welcher er für das Territorialsystem kämpft. B. übrigens wich später von seinen in der Dissertation ausgesprochenen Grundsätzen ab, und widerrief sie 1720 in seinem Hauptwerke sowie in mehreren Briefen (1730) ausdrücklich. — Im J. 1697 wurde B. fürstl. ostfriesischer procurator generalis und advocatus fisci, ein Jahr darauf Regierungsrath. Als Fürst Georg Albrecht (1708) zur Regierung kam, ernannte er B. sofort zum Vicekanzler und später zum Kanzler, mit welcher Würde der Vorsitz in allen Collegien verbunden war. In dieser hohen Stellung verblieb er bis zu seinem Tode. — B. war ein Mann von umfassender Gelehrsamkeit, scharfem Urtheil und großer Arbeitskraft, dabei aber von unbeugsamem Eigensinn und in hohem Grade despotisch. Bei dem fast blinden Vertrauen, das ihm der Fürst schenkte, lag somit die Gefahr nahe, daß der Kanzler für das Land von verderblichem Einflusse wurde. Und in der That war er es, der nicht nur die Pläne für die bei den inneren gewaltigen Unruhen fürstlicherseits zu treffenden Maßregeln entwarf, sondern dieselben auch, selbst vor blutigem Ausgange nicht zurückschreckend, durchsetzte. Dabei war er dem starrsten Pietismus zugethan und ging in seiner Abneigung gegen alle der orthodoxen [309] Kirche Angehörenden bis an die äußersten Grenzen des Erlaubten. Aber nicht nur im Fürstenrathe, sondern nicht minder daheim, in seiner Studierstube, kämpfte er für die Rechte des Landesherrn, und zwar häufig, vornehmlich aber gegen den bedeutendsten ostfriesischen Geschichtsschreiber Ubbo Emmius, in einer geradezu unwürdigen Weise. Sein großes Werk, die in zwei schweren Folianten 1720 zu Aurich erschienene „Ostfriesische Historie und Landesverfassung“, welche bei aller Incorrectheit, wegen der vielen mitgetheilten Urkunden und Actenstücke seine sehr schätzenswerthe Gabe ist, legt von dieser seiner gehässigen Unduldsamkeit fast auf jeder Seite ein Zeugniß ab. Von seinen sonstigen Arbeiten sind noch zu erwähnen die mit vielen bitteren Anmerkungen durchzogene Uebersetzung des Tractats „De statu rei publicae et ecclesiae Frisiae Orientalis“ von Emmius, eine bisher ungedruckte Ostfriesische Kirchengeschichte, so wie eine Reihe Staatsschriften, welche die Rechte des fürstlichen Hauses wider die Landstände, die Stadt Emden und wider das Hofgericht vertheidigen. — B., trotz seiner unliebsamen Eigenschaften eine der hervorragendsten Erscheinungen Ostfrieslands, starb, vom Lande unbeweint, in derselben Stunde, in welcher sein langjähriger Landesherr Georg Albrecht in die Gruft seiner Ahnen gesenkt wurde.

Vgl. die Leichenpredigt auf Brenneysen. Wiarda, Ostfr. Gesch. VII. Möhlmann, Kritik der Fries. Geschichtsschreibung. S. 93.