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Artikel „Bomberg, Daniel“ von Karl Steiff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 95–97, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bomberg,_Daniel&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 23:58 Uhr UTC)
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Bomberg: Daniel B. (auch de Bombergo, eigentlich aber de Bomberghe, van Bomberghen), ein Antwerpener aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, berühmt durch den Druck hebräischer Werke, den er in Venedig von 1515 bis zu seinem Tod im J. 1549 betrieben hat. Ist es schon bemerkenswerth, daß B. als der erste Christ sich, auf den Druck jüdischen (nicht nur des alttestamentlichen) Schriftthums einließ – vor ihm hatten solchen nur Juden ausgeführt, namentlich in Soncino, Neapel, Constantinopel – so ist es eine ganz eigenartige Erscheinung, daß er sich während der ganzen Dauer seiner Druckerthätigkeit, durch 3–4 Jahrzehnte hindurch, soviel wir finden, ausschließlich auf das genannte specielle Gebiet beschränkte. Wichtiger aber als beides ist, was B. dabei geleistet hat. Bekannt sind vor allem die Bomberg’schen Ausgaben der hebräischen Bibel. Zwar die erste derselben, die Biblia rabbinica von 1517 – so genannt, weil sie auch rabbinische Commentare enthält – schließt sich in der Hauptsache noch an die älteste Bibelausgabe, Soncino 1488, an, wenn sie gleich [96] auch Handschriften heranzieht; und dasselbe gilt von den Bombergischen Handausgaben 1518 (?), 1521 und 1533. Aber die zweite große Biblia rabbinica von 1525–28, besorgt von R. Jakob ben Chajim, einem tunisischen Juden, bietet einen ganz neuen, auf die Massorah gegründeten Text des Alten Testaments und gibt neben diesem und sonstigen Zuthaten zum ersten Mal den Wortlaut der Massorah selbst, der hiefür erst hergestellt werden mußte und dabei eben die Gestalt bekam, die er bis in die Gegenwart behalten hat. Diese Bombergische Bibel von 1525 ist im Verlauf der Zeit einer ganzen großen Reihe von Ausgaben des Alten Testaments zu Grunde gelegt, auch von B. selbst im J. 1549 noch einmal herausgegeben worden. Sie hat eine bleibende Bedeutung in der Geschichte des Alten Testaments erlangt. Zu der hebräischen Bibel gesellt sich nun aber weiter der Thalmud, der vorher weder in der jerusalemischen noch in der babylonischen Gestalt als Ganzes im Druck veröffentlicht worden war. B. hat zugleich beide Thalmude herausgegeben, den babylonischen in 12 Foliobänden 1520 ff., den jerusalemischen 1524. Und auch diese Thalmudausgaben, vor allem die erstere, sind für die Folgezeit von großer Bedeutung geworden. Neben den Gesammtausgaben gehen nun aber sowol bei der Bibel als beim Thalmud eine große Zahl von Ausgaben einzelner Theile derselben mit Commentaren einher und endlich schließt sich eine große Reihe selbständiger rabbinischer Schriften theologischen und philologischen Inhalts an. Wie groß die Zahl von Bomberg’s Drucken im ganzen ist, läßt sich nicht sagen, da sie noch nie zusammengestellt worden sind; denn auch Rossi (s. u.) geht nur bis 1540 und Fürst’s Bibliotheca judaica nennt leider nie den Drucker und Verleger. Jedenfalls aber sind die Erzeugnisse dieser Presse auch der Zahl nach recht bedeutend; was aber ihre Verbreitung betrifft, so klingt es sehr glaubhaft, wenn Nic. Clenardus sagt, sie seien zu den Juden nicht nur Aegyptens und Afrikas, sondern selbst Indiens und der ganzen übrigen Welt gedrungen. – Wer war aber B., der diese bedeutungsvolle Thätigkeit entwickelte? Daß er aus Antwerpen stammte, ist außer Zweifel; er bezeichnet sich regelmäßig als Antwerpiensis. Genauer nennt er sich in der zweiten Ausgabe der Biblia rabbinica einen Sohn des Cornelius B.; dies ist wol derselbe Cornelis van Bombergen, der nach Mertens en Torfs, Geschiedenis van Antwerpen, Deel 3, 1847, S. 95 unter dem Jahr 1500 als „kapelmeester“ der Capelle U. L. Fr. in Antwerpen vorkommt. Wenn er ferner bei Marino Sanuto Daniele da Norimberga heißt, so könnte man dies so verstehen, daß er über Nürnberg, nach längerem dortigen Aufenthalt, nach Venedig gekommen ist; doch liegt hier wol nur ein Mißverständniß seines Namens vor. Er war in Venedig als Kaufmann ansässig, als er den Plan faßte, hebräische Werke herauszugeben. Der ihm diesen Gedanken eingab, war vermuthlich Fra Felice da Prato (Felix Pratensis), ein bekehrter Jude, dessen lateinische Uebersetzung des Psalters, 1515, das erste Verlagswerk Bomberg’s wurde, als dieser noch gar keine eigene Presse hatte – Petrus Liechtenstein (s. A. D. B. XVIII, 551 f.) war der Drucker – und der auch der erste gelehrte Mitarbeiter des unternehmenden Vlamen war. Die christliche Religion zu fördern, das war der Zweck, den B. mit Fra Felice verfolgte oder wenigstens vorschützte, und so allein erklärt es sich auch, wenn eben zu der Zeit, da in Deutschland der Reuchlin-Pfefferkorn’sche Streit wegen Verbrennung der Judenbücher ausgefochten wurde, in Venedig dieses großartige Unternehmen zur Verbreitung der letzteren ins Leben treten konnte, ja sogar noch des Schutzes der Republik und z. Th. selbst des Papstes sich erfreute. Mit der Zeit freilich wurde der Rath von Venedig argwöhnisch und als es sich 1525 um die Erneuerung eines Privilegiums handelte, wurde diese wiederholt verweigert und erst der Erhöhung der von B. anfänglich gebotenen 100 und 200 Ducaten auf [97] 300 gelang es, den Widerstand zu brechen. Ueberhaupt hatte der seltene Mann mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen und sehr bedeutende Kosten aufzuwenden. Mußte doch eine ganze Reihe jüdischer Gelehrten von auswärts herbeigezogen und für das Werk förmlich angestellt werden. Rechnet man dazu die Kosten des Druckes, so begreift man schließlich, daß beim Thalmud allein die Ausgaben sich auf 100 000 Thaler belaufen haben sollen! Und wenn es auch sicher übertrieben ist, wenn behauptet wird, B. habe alles in allem mehr als 3 Millionen Thaler in das große Unternehmen gesteckt, so dürfte doch immerhin so viel richtig sein, daß er, der mit reichen Mitteln das Werk begann, am Ende seines Lebens nur noch weniges sein nannte. Es scheint denn auch, daß das Geschäft nach Bomberg’s Tode nicht fortgeführt wurde. Sicher ist, daß die prächtigen Typen des Meisters bald darauf nach Antwerpen wanderten, und als 1563 Plantin mit einigen reichen dortigen Bürgern zur Förderung seines Buchdrucks eine Gesellschaft bildete, zu der auch Daniel Bomberg’s Großneffe Cornelis de Bomberghe gehörte, wurden die Typen von letzterem in dies neue Geschäft eingeworfen. Da ward denn noch einmal mit Bombergischen Schriften und unter eines Bomberg’s Namen hebräisch gedruckt und mehr als eine Bibel herausgegeben; als aber die Gesellschaft sich später auflöste, gingen die Typen ausschließlich in das Eigenthum jener großen Antwerpener Druckerfirma über.

Vgl. die Drucke Bomberg’s wie sie bei de Rossi, Annales hebraeo-typographici ab a. MDI ad MDXL p. 15–64 und bei Panzer, Annales typographici, t. VIII. p. 428–524, 561 verzeichnet sind. – Ferner vgl. Archivio Veneto, 1882, p. 185, 191. – Brown, Venetian printing press, 1891 (s. Register). – Rooses, Ch. Plantin 1882, p. 95 sq., 98. – Biographie nationale de Belgique, t. I, 1866, col. 666 sq. und die dort genannten älteren Quellen.