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Artikel „Berthelt, August“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 443–444, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Berthelt,_August&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 20:53 Uhr UTC)
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Berthelt: Friedrich August B., verdienter Schulmann und fruchtbarer pädagogischer Schriftsteller, ist am 5. Decbr. 1813 in Großröhrsdorf bei Pulsnitz als Sohn eines Lehrers geboren. Seine Jugend verlebte er in größter Dürftigkeit zu Krippen in der Sächsischen Schweiz, wohin sein Vater 1817 übergesiedelt war. Bis zum 15. Lebensjahre besuchte er die Dorfschule seines Vaters, der ihn nebenbei auch in der Musik unterrichtete. Nach seiner Confirmation beschloß er, sich dem Lehrerberufe zu widmen. Nachdem er ein Jahr lang bei dem Pfarrer des Nachbarortes Unterweisung in Latein und in anderen Mittelschulfächern genossen hatte, bezog er 1829 das Lehrerseminar zu Dresden-Friedrichstadt, das er 4 Jahre lang besuchte. Nachdem er im Herbst 1833 die Abgangsprüfung bestanden hatte, wurde er als Elementarlehrer an der mit dem Seminar verbundenen Realschule angestellt. In seinen Mußestunden beschäftigte er sich eingehend mit Naturwissenschaften, Geographie und Mathematik, sowie mit den philosophischen und pädagogischen Schriften Herbart’s, Beneke’s und Diesterweg’s. Auch betheiligte er sich eifrig an dem Vereinsleben und den Bildungsbestrebungen des Lehrerstandes. 1842 wurde er zum Director der 1. Bezirksschule in Dresden berufen. Da er in dieser Stellung mehrfach Gelegenheit fand, die traurige Lage unbemittelter Lehrerwittwen und -waisen kennen zu lernen, die damals vom Staate nur ungenügend versorgt wurden, gründete er 1844 mit mehreren gleichgesinnten Freunden einen Verein zur Unterstützung der bedrängten Hinterbliebenen der Lehrer, den er in dankbarer Erinnerung an Johann Heinrich Pestalozzi, den Tröster und Berather so vieler Hülfsbedürftiger, den Sächsischen Pestalozziverein nannte. Die Geschäfte dieses Vereins, der noch jetzt mit großem Segen wirkt, hat er in aufopfernder Arbeit mehrere Jahrzehnte hindurch als Vorsitzender geleitet. Nachdem er 1845 seine schriftftellerische Thätigkeit begonnen hatte, wurde er im folgenden Jahre zum Director der 1. Bürgerschule in Dresden ernannt. Als solcher entwickelte er eine äußerst vielseitige Thätigkeit. Als im Freiheitsjahre 1848 die Lehrer aller Orten begannen, sich zu großen Verbänden zusammenzuschließen, um eine Reihe von Forderungen betreffs der Erhöhung ihrer Bildung und ihrer Besoldung, sowie der Unabhängigkeit der Schule von der Kirche durchzusetzen, begründete er mit mehreren Gesinnungsgenossen den noch heute blühenden Sächsischen Lehrerverein und trat in den Vorstand des neu entstandenen Allgemeinen Deutschen Lehrervereins ein. Er betheiligte sich lebhaft an deren Versammlungen, leitete sie mehrfach als Vorsitzender und hielt Vorträge über allerlei wichtige Fragen des Schulwesens. Auch übernahm er die Redaction der Allgemeinen Deutschen Lehrerzeitung und später zeitweilig die der Sächsischen Schulzeitung. Da er sich bei aller Entschiedenheit stets maßvoll verhielt und die Schranken seines Amtes nie überschritt, konnte ihm die Reaction des Jahres 1849 nichts anhaben, und seinem Geschick gelang es, auch die von ihm begründeten Vereine glücklich durch die schwere Zeit hindurchzulenken. In den folgenden Jahrzehnten trat er weniger an die Oeffentlichkeit, vielmehr widmete er sich vorzugsweise seiner amtlichen und literarischen Thätigkeit. [444] Als 1874 in Sachsen ein neues Schulgesetz eingeführt wurde, ernannte ihn die Regierung in Anerkennung seiner Verdienste zum Bezirksschulinspector für Dresden mit dem Titel eines Schulraths. Als solcher hat er das Dresdener Schulwesen ein Jahrzehnt hindurch im gemäßigt liberalen Sinne geleitet. Nachdem er 1883 sein 50jähriges Berufsjubiläum als Lehrer gefeiert hatte, sah er sich infolge zunehmender Altersschwäche genöthigt, seinen Abschied zu erbitten. 1885 wurde er mit dem Titel seines Oberschulraths in den wohlverdienten Ruhestand versetzt. Seine letzten Lebensjahre waren durch anhaltende Kränklichkeit getrübt. Er starb am 26. April 1896 zu Dresden.

Seine ungewöhnlich umfangreiche litterarische Thätigkeit begann er im J. 1845. Die meisten seiner Werke, die er theils allein, theils in Gemeinschaft mit seinen Freunden Julius Jäkel, Karl Petermann, Louis Thomas u. A. herausgab, erschienen in mehreren, den Fortschritten der Wissenschaften und der Pädagogik sich anpassenden Bearbeitungen und erlebten zahlreiche, einige sogar über 100 Auflagen. Sie wurden in vielen Schulen Sachsens, der übrigen deutschen Staaten, Oesterreichs und Amerikas mit Nutzen gebraucht und haben hunderttausende von Kindern in die Elemente des Wissens eingeführt. Zuerst erschien ein Leitfaden der Geographie, Geschichte und Verfassung des Königreichs Sachsen und ein Handbuch für Schüler zum Gebrauche beim Unterricht in den gemeinnützigen Kenntnissen. 1848 folgten die Lebensbilder, ein Lesebuch für Volksschulen in 4 Theilen, 1849 Wandtafeln für den Elementarunterricht, 1851 ein Handatlas für Schüler und eine Rechenschule für das Tafelrechnen, 1852 eine Rechenschule für das Kopfrechnen und eine Praktische Anweisung zum deutschen Unterricht, 1853 eine Sammlung biblischer Geschichten, ein Leitfaden der Naturlehre und ein Lehrbuch der Chemie für Schulen und zum Selbstunterrichte, 1854 eine Sammlung poetischer Musterstücke zu Deklamirübungen und ein Leitfaden der Geographie, der auch als Beknopte handleiding tot de wiskundige aardrijkskunde en sterrekunde 1861 ins Holländische übersetzt wurde, 1855 als Ergänzung hierzu eine Geographie in Bildern und charakteristischen Schilderungen aus der Länder- und Völkerkunde, 1856 ein 1. Lesebuch nach der Schreiblesemethode, 1861 eine Pflanzenkunde, endlich 1878 unter dem Titel „Die Muttersprache“ ein Lesebuch für Volksschulen. Außerdem hat B. eine große Zahl von Aufsätzen meist pädagogischen und naturwissenschaftlichen Inhalts in den von ihm redigirten Zeitschriften niedergelegt, meist indeß ohne Angabe seines Namens. Auch verschiedene seiner Vorträge, die er in Lehrervereinen und auf Versammlungen gehalten hat, sind gedruckt.

Nachrufe in der Allg. deutschen Lehrerzeitung. Preuß. Lehrerzeitung und Sächs. Schulzeitung 1896. – Pfeiffer, Die Volksschule des 19. Jahrh. in Biographien hervorragender Schulmänner. – F. A. Berthelt. Hrsg. vom sächs. Pestalozziverein. Leipzig 1900.