ADB:Behr, Isaschar Falkensohn

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Artikel „Behr, Isaschar Falkensohn“ von Daniel Jacoby in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 337–338, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Behr,_Isaschar_Falkensohn&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 10:20 Uhr UTC)
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Behr: Isaschar Falkensohn B., ein polnischer Jude, der deutsch dichtete und die Beachtung selbst bedeutender Männer im vorigen Jahrhundert fand, wurde zu Salantin in Samogitien 1746 geboren. Wie viele seiner gedrückten Glaubensgenossen, widmete er sich in früher Jugend dem Handel. Weniger der Drang nach Bildung, als nach Gelderwerb, wie er in der Ode „an die Hoffnung“ gesteht, führte ihn nach Preußen. In Königsberg lernte er die deutsche Sprache aus Wolff’s mathematischen Schriften und erhielt Zutritt zu einigen Professoren der Universität. So berichtet Karl Lessing in einem Brief an seinen großen Bruder. Mit Empfehlungen an Moses Mendelssohn kam er 1767 oder 1768 nach Berlin: er durfte mit Mendelssohn’s Bekannten und Freunden verkehren. Gewiß lernte er auch Ramler kennen, den er in einer Ode gefeiert hat und den er in einem andern Gedicht, neben Garve und Mendelssohn, „Teutoniens Stolz“ nennt. Seine Gedichte schrieb er, wie er selbst berichtet, in den Erholungsstunden, die ihm das Studium der Medicin ließ. In Halle erhielt er 1772 die Doctorwürde. Ob seine Dissertation „Animadversiones quaedam ad illustrandam phrenitidis causam“ gedruckt wurde, ist fraglich, denn weder in Berlin noch in Halle ist sie zu finden. Eine Zeit lang wirkte er darauf als Arzt in Hasenpoth in Kurland, 1779 ging er nach Mohilew in Rußland und wirkte nicht lange nachher in Petersburg. Ob er wirklich schon 1781 zu Hasenpoth gestorben, ist nicht sicher genug bezeugt. [338] Die „Gedichte von einem pohlnischen Juden“ sind, ohne Namen, erschienen zu Mitau und Leipzig 1772 (96 S. 8°). Dazu ein Anhang ebenda 1772 (32 S.). Das Büchlein ist selten geworden: die kgl. Bibliothek zu Berlin besitzt es nicht. Ramler nahm zwei Jahre später in seine lyrische Blumenlese die beiden Gedichte Behr’s „Schwärmerei“ und „Sehnsucht nach dem Frühling“ auf. Wie bei anderen Dichtern, verfuhr er auch hier; seine Aenderungen sind nicht immer glücklich zu nennen. Bei aller Begabung fehlte es B. an Ursprünglichkeit. Wäre er ein ursprünglicher Dichter von Kraft, Gluth und Empfindung gewesen, wie hätte er durch Darstellung der Umgebung, in der er aufwuchs und groß geworden war, der Eindrücke, die ihm eine neue Welt gebracht, durch den Muth der Wahrheit ergreifen und erschüttern können! Das hat der junge Goethe gewußt, der in jener bekannten Recension der „Frankfurter gelehrten Anzeigen“ hervorhob, was er von diesen Gedichten erwartet hatte und wie er enttäuscht ward. So hatte B. das glückliche Unglück, von dem jungen Goethe beurtheilt und, wie andere Dichter auch, bei Seite geworfen zu werden. Aber selbst nach Goethe’s und Schiller’s Auftreten sind seine Gedichte nicht ganz in Vergessenheit gerathen. Denn Friedrich Matthisson hat im 9. Band seiner lyrischen Anthologie, der 1805 in Zürich erschien, außer den beiden von Ramler bevorzugten noch vier Gedichte der Aufnahme für werth gehalten.

Euphorion VII, S. 238–246 vom Unterzeichneten.