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Artikel „Bay, David Ludwig“ von Wilhelm Gisi in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 184–186, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bay,_David_Ludwig&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 08:06 Uhr UTC)
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Bay: David Ludwig B., schweiz. Staatsmann. Geb. in Bern 1749, † 1832. Aus einer patricischen Familie, studirte B. in Marburg die Rechte und [185] trat schon im 20. Lebensjahre in seiner Vaterstadt als Advocat auf, in welcher Stellung er sich durch tüchtige Rechtskenntnisse, Uneigennützigkeit, besonders aber durch den Muth, mit welchem er sich gegen jede Ungerechtigkeit erhob, bald allgemeines Zutrauen erwarb. So entschieden er auch anfangs für die Souveränetät der Stadt Bern über deren Landgebiet auftrat, ebenso lebhaft sprach er auch für die Rechte der gesammten Bürgerschaft gegenüber den oligarchischen Tendenzen des Patriciats. Anfangs der französischen Revolution enthusiastisch zugethan, wandte er sich bei ihrer Ausartung von ihr ab und verschmähte daher auch, so sehr er hinwieder eine Verbesserung des schweizerischen Staatswesens sowol im Sinne größerer Centralisation als der Anerkennung der Volkssouveränetät, Freiheit und Gleichheit wünschte, ebenso sehr eine helvetische Revolution als die französische Invasion. Bei der Vorbereitung dieser letzteren im J. 1797 wirkte er bereits in diesem Sinne, ganz besonders aber im Jan. 1798 als Mitglied der durch Ausgeschossene vom Lande vermehrten Berner Regierung, wo er auch dem Oberbefehlshaber des bernischen Heeres K. L. von Erlach seine Dienste als Adjutant anbot. Bald wurde B. im Kanton Bern der Mann des Tags und von dessen Wahlversammlungen als erstes dortiges Mitglied des neuconstituirten Helvetischen Senats und darauf nach der Constituirung der Helvetischen Republik von den gesetzgebenden Räthen in Aarau am 18. April als Mitglied des (Fünfer) Vollziehungsdirectoriums gewählt. Da er indeß in dieser Stellung insbesondere auch die Interessen seiner durch die Revolution am meisten geschädigten Vaterstadt vertrat und namentlich die patricischen Familien in Schutz nahm, so erregte er bald den Haß der sog. Patrioten, d. h. der exaltirten Anhänger der Revolution und Frankreichs, namentlich des Senatspräsidenten Peter Ochs (s. d.), welcher ihm dessen Wahl ins Directorium durch Uebergehung seiner selbst nicht verzieh, sowie der französischen Commissarien. Den 16. Juni forderte daher einer der letzteren, Rapinat, Bay’s und seines Collegen Pfyffer (s. d.) Austritt aus dem Directorium, welchen sie darauf, um nicht die helvetischen Räthe mit den französischen Machthabern durch seine Verweigerung in Conflict zu bringen, freiwillig nahmen, worauf sie nach der Verfassung in den Senat übertraten, im Directorium aber durch Ochs und Laharpe (s. d.) ersetzt wurden. Im Senat erwarb sich B. durch seine Mäßigung und seinen Unabhängigkeitssinn bald zahlreiche Anhänger, so daß er am 29. Jan. 1799 zum zweiten Mal, an des demissionirenden Legrand (s. d.) von Basel Stelle, ins Directorium gewählt wurde, aus dem er indeß schon am 22. Juni, weil durch das Loos zu dem verfassungsmäßigen Austritt je eines Mitglieds in je einem Jahre bestimmt, austrat, worauf er wieder in den Senat überging. Hier war er nun gegenüber dem allmählich, namentlich durch Laharpe, aufkommenden Schreckenssystem des Directoriums einer der einflußreichsten Führer der gemäßigten Opposition und trug so wesentlich zum Sturz des Directoriums und der gesetzgebenden Räthe durch die Staatsstreiche vom 7. Jan. und 7. Aug. 1800 bei. Als Mitglied des neuen gesetzgebenden Raths schloß sich B. bei der sich nun vollziehenden Bildung der Parteien der Unitarier und der Föderalisten den letzteren an, wirkte durch den Staatsstreich vom 28. Oct. 1801 in hervorragender Stellung zu deren Sieg mit, ward aber durch das Emporkommen der Unitarier am 17. April 1802 aus dem öffentlichen Leben verdrängt, und widmete sich fortan wieder mit Erfolg dem Advocatenberuf. Er hielt sich auch während der Mediations- (1803–14) und Restaurations- (1831) Zeit vom öffentlichen Leben fern und trat erst kurz vor seinem Tode (5. Dec. 1832) als Mitglied des durch die Verfassungsrevision von 1831 geschaffenen bernischen Großen Raths, den er am 14. Oct. 1831 als Alterspräsident eröffnete, in dasselbe zurück. B. hat sich bei den mehrfachen Wandlungen in seiner politischen Thätigkeit unter der Helvetic von dem Vorwurf der [186] Charakterlosigkeit nicht frei halten können; derselbe ist jedoch, da jene sich aus den wechselnden Zeitbedürfnissen hinreichend erklären lassen und persönliche Interessen dabei nicht mitwirkten, unbegründet. B. verdient vielmehr das Lob eines consequenten Anhängers und Beförderers der neuen politischen Grundsätze, unbekümmert um seine eigene früher bevorrechtete Stellung, vielleicht indeß mit zu starker Rücksichtnahme auf die Interessen seiner Vaterstadt, sowie eines muthvollen Kämpfers gegen die Anmaßungen der französischen Gewalthaber.

Zschocke, Historische Denkwürdigkeiten der helvetischen Staatsumwälzung. 3. Bd. (Winterthur, 1805) S. 6 ff. v. Tillier, Geschichte der helvetischen Republik. 3 Bde. Bern 1843. Monnard, Geschichte der Eidgenossen. (Forts. v. J. v. Müller. 13. u. 14. Bd.) deutsche Ausgabe. Zürich 1849. 1851.