ADB:Bäumlein, Wilhelm Friedrich Ludwig von

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Artikel „Bäumlein, Wilhelm (Friedrich Ludwig) von“ von Friedrich August Eckstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 170–172, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:B%C3%A4umlein,_Wilhelm_Friedrich_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 15:42 Uhr UTC)
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Bäumlein: Wilhelm (Friedrich Ludwig) v. B., wurde am 23. April 1797 zu Langenburg geboren, wo sein Vater als fürstlich Hohenlohischer Rath und Leibarzt lebte. Sehr früh entwickelte sich in dem schwächlichen Knaben neben einem ungewöhnlichen Lerntriebe eine noch ungewöhnlichere Willenskraft, die auch seine späteren Lebensjahre charakterisirte. Er machte den Weg würtembergischer Theologen durch die niederen Seminarien zu Schönthal und Maulbronn und durch das höhere Seminar (Stift) in Tübingen. Unmittelbar nach der Vollendung der akademischen Studien ernannte ihn sein Fürst 1820 zum Diaconus und Präceptor an der lateinischen Schule in seiner Vaterstadt. Sieben Jahre lang verwaltete er dieses Doppelamt und dachte an eine Aenderung erst, als die Begründung eines eigenen Hausstandes ihm den Gedanken an eine Verbesserung seiner äußeren Stellung nahe legte. So erhielt er 1827 mit dem Titel Professor die Lehrerstelle an der obersten Klasse der lateinischen Schule in Biberach; 1835 wurde er zum Professor am oberen Gymnasium in Heilbronn befördert, 1845 zum Professor an dem Seminar in Maulbronn, dessen Ephorat ihm 1845 übertragen wurde. Durch den Wunsch der vorgesetzten Behörde ließ er sich 1857 bestimmen eine Rathsstelle bei dem Studienrathe in Stuttgart zu übernehmen, allein diese neuen Verhältnisse mit der Arbeit am grünen Tische sagten ihm so wenig zu, daß er sich schon nach Verlauf eines Monats wieder um die von ihm verlassene Stellung in Maulbronn bewarb und sehr dankbar war, als ihm diese Bitte gewährt wurde. Er wollte nicht heraus aus dem unmittelbaren Verkehr mit der Jugend und darum ist er auch diesem Berufe bis zum Ende seines Lebens treu geblieben, ja mitten in demselben von dem Tode getroffen. Während er am 24. Novbr. 1865 in einer Abendstunde den Zöglingen die Apostelgeschichte [171] erklärte, wurde er auf dem Katheder vom Schlage gerührt und mußte als Leiche in seine Wohnung getragen werden.

B. war zunächst praktischer Schulmann, einer der tüchtigsten seiner Zeit. Ausgerüstet mit gründlichen Kenntnissen, begeistert für alles Gute und Schöne, des zu erreichenden Zieles sich klar bewußt, verstand er seine Schüler wissenschaftlich zu fördern und sittlich zu kräftigen. Der Eindruck seiner Persönlichkeit, so wenig dieselbe auch äußerlich imponirte, war gewaltig durch den tiefen sittlichen Ernst, der über sein ganzes Wesen ausgegossen war. Seine klangvolle Stimme, die Kraft und Entschiedenheit, mit welcher er gegen jugendliche Vergehen einschritt, verfehlten selten ihre Wirkung und auf der andern Seite gewann ihm die strenge Unparteilichkeit und Gerechtigkeit, die herzliche Theilnahme und väterliche Liebe zu seinen Zöglingen das allgemeine Vertrauen, dauernde Anhänglichkeit und tiefe Verehrung. Die Grundsätze, welche ihm eine lange Erfahrung als die für den höheren Unterricht maßgebenden erprobt hatte, hat er darum auch in kleinen Schriften eifrigst vertreten. Schon 1841 trat er als entschiedener Verfechter der classischen Studien in der Schrift „Ansichten über gelehrte Schulen“ auf und als 1847 auch in seinem engeren Vaterlande Stimmen laut wurden, daß dieselben sich überlebt hätten und etwas anderes an deren Stelle in dem Jugendunterrichte treten müsse, wurde er auf der Philologen-Versammlung in Basel 1847 veranlaßt die Stimmen der Gegner zu sammeln und zu widerlegen. Er hat dies in der 1849 erschienen Schrift „Die Bedeutung der classischen Studien für eine ideale Bildung“ gethan, die unter den politischen Stürmen jenes Jahres die verdiente Beachtung nicht gefunden hat. Aber auch in kleineren Aufsätzen, wie zu Schmid’s Encyclopädie oder in Jahn’s Jahrb. (dort z. B. über Abgangsprüfungen Bd. 78 S. 438) hat er treffliche Ansichten niedergelegt über die Lectüre in den Schulen, über Modificationen in den Maturitätsprüfungen und dergl. wichtige Fragen. In dem lebendigen Interesse für dieses ideale Streben wurzelt auch seine rege Theilnahme an den Philologenversammlungen, insbesondere an den pädagogischen Verhandlungen derselben. So lange ihn die Füße nicht hinderten, hat er dieselben gern besucht und sich an den Verhandlungen betheiligt, in Basel, Erlangen und Stuttgart berief ihn die allgemeine Achtung zu der Leitung derselben. Fragen der Zeit, wie über den griechischen Unterricht, über das Verhältniß der classischen Studien zum Christenthum, hat er mit klarer Einsicht zu ersprießlicher Entscheidung gebracht.

Da sich unter seinen Unterrichtsfächern auch die Religion und die Exegese des Neuen Testamentes befanden, blieb er mit den in der Jugend betriebenen theologischen Studien stets in Verbindung und auch seine schriftstellerische Thätigkeit wendete sich ihnen zu. Viele seiner Arbeiten finden sich in Ullmann’s „Theologischen Studien und Kritiken“, selbständig hat er 1863 einen Commentar zu dem Evangelium des Johannes veröffentlicht. Seine philologischen Studien concentrirten sich auf das Griechische, vorzüglich auf Grammatik und Homer. Er war durch gründliche Studien auf eine neue Theorie über die Formen gekommen, deren sich die griechische Sprache zur Bezeichnung der Modalität des Satzes bedient. Hermann’s Subtilitäten veranlaßten ihn diesen Gelehrten in einer Recension (Zeitschr. für Alterth.-Wissenschaft 1835 Nr. 59–63) und in dem Heilbronner (Progr. quae sit particulae ἄν cum εὶ atque optativo constructae significatio inquiritur) entgegenzutreten und später (Zeitschr. für Alterth.-Wissensch. 1843 Nr. 137–140) den vermeintlichen Unterschied zwischen ἄν und κέν zu beseitigen, bis er Alles zusammenfaßte in den 1845 erschienen „Untersuchungen über die griechischen Modi und die Partikeln κέν und ἄν“. Die schärfere Unterscheidung der verschiedenen Stilgattungen und des Sprachgebrauchs einzelner Schriftsteller ist sein Verdienst; dadurch hat er eine sichere Grundlage für diese Untersuchungen geschaffen; [172] 1861 kamen seine „Untersuchungen über die griechischen Partikeln“ heraus. Schon 1856 hatte er die „Griechische Schulgrammatik“ veröffentlicht, deren glänzende Seite die Behandlung der syntaktischen Erscheinungen ist. Trotz der Schwierigkeit hat sich das Buch Eingang verschafft, B. erlebte 1865 die dritte Auflage, die vierte hat 1872 W. Gaupp[WS 1] besorgt. 1859 gab er mit Holzer[WS 2] und Rieckher[WS 3] eine „Sammlung von Aufgaben zur griechischen Composition für obere Klassen“ heraus, mußte aber doch erleben, daß diese Uebungen in seinem Lande immer mehr hintangesetzt wurden. In die Erörterung der Homerischen Frage trat er 1847 mit dem Maulbronner Programme „Comment. de compositione Iliadis et Odysseae“ ein als entschiedener Unitarier; er erkennt einen Homer als Verfasser beider Gedichte, der die Darstellung eines doppelten Heldenideals sich zur Aufgabe gemacht habe; Achilles mit seiner leidenschaftlichen, maßlosen Tapferkeit, die eben darum ihren Zweck verfehle, Odysseus mit der die Leidenschaften beherrschenden Klugheit, die zu einem glücklichen Ziele führe. Das Resultat beider Gedichte sei dasselbe, nur negativ in dem einen, positiv in dem andern ausgedrückt. Je mehr er sich in seiner Ansicht vereinsamt sah, um so zäher hielt er an derselben fest und wies Widersprüche selbst herb (was sonst nicht in seiner Natur lag) zurück. So hat er sich in ausführlichen Kritiken ausgesprochen gegen Lachmann in der Zeitschr. f. Alterth.-Wissensch. 1848 Nr. 41–43. 1850 Nr. 19–22, gegen Grote[WS 4] im Philol. Bd. 11. S. 404–430 und Manches zusammengefaßt in dem 81. Bande der Fleckeisen’schen Jahrbücher für Philologie. Die Stereotypausgabe von Homeri opera (Lips. 1854) enthält auch einige kritische Bemerkungen.

Als Schulmann und als Gelehrter steht B. achtungswerth da, aber auch des Mannes darf man nicht vergessen, der durch seine echte Frömmigkeit, strenge Gewissenhaftigkeit, Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit, durch seine aufopfernde Bereitwilligkeit allen denen, welche ihm im Leben je näher getreten sind, Achtung einflößte. Der Schule, an welcher er vorzugsweise gewirkt hat, hat er einen bleibenden Beweis seiner Liebe dadurch gegeben, daß er ihr die ganze griechische Litteratur seiner Bibliothek testamentarisch vermacht hat, so weit sie die Werke nicht bereits besitzt. Seine glückliche Ehe ist kinderlos geblieben. Sein König hatte ihm den Kronenorden und damit den persönlichen Adel verliehen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wilhelm Gaupp (1820–1883), Lehrer; zuletzt Professor am niederen evangelisch-theologischen Seminar in Blaubeuren.
  2. Carl Friedrich Holzer (1822–1869), Lehrer am Gymnasium in Stuttgart, lateinischer und griechischer Übersetzer.
  3. Julius Wilhelm Helferich Rieckher (1819–1878), Lehrer, Schulbuch-Autor und Übersetzer (Aristoteles, Homer); seit 1853 Professor am oberen Gymnasium in Heilbronn, ab 1870 dort Rektor des Gymnasiums und der Realanstalt.
  4. George Grote (1794–1871), englischer Althistoriker.