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Artikel „Amalarich, Westgothenkönig“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 762–763, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Amalarich&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:20 Uhr UTC)
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Amalarich, Westgothenkönig a. 507 (bezw. a. 516)–531, Sohn des Westgothenkönigs Alarich II. und der Theodegotho, einer Tochter Theoderich’s des Großen, geboren schon in Moesien, also c. a. 483, von einem Nebenweibe, was bei Anerkennung durch den Vater keinerlei Rechtsmangel zur Folge hatte. Theoderich suchte planmäßig durch Verschwägerung die germanischen Königsgeschlechter sich näher zu verbinden, zumal behufs Abwehr der gefährlich um sich greifenden Macht des Merowingen Chlodowech (s. A. D. B. IV, 128). Allein dieser ließ sich auch durch Theoderich nicht von den Angriffen auf seine Nachbarn abhalten. Gegen die ketzerischen (arianischen) Westgothen führte er einen katholischen Kreuzzug (a. 507): auf den „vocladischen Feldern“ am Clain, zwei geographische Meilen nordwestlich von Poitiers, verlor Alarich II. Sieg und Leben; der erst fünfjährige A. ward von treuen Anhängern über die Pyrenäen in den spanischen Theil des Westgothenreiches geflüchtet, nicht nur vor den verbündeten Franken und Burgunden, zumal vor einem Stiefbruder, Gesalich, einem Bastard Alarich II., der nach dem entfallenen Königsstabe griff, Anhang fand und zu Narbonne, der Hauptstadt des gallischen Westgothengebietes, zum König gewählt wurde. Wir erfahren von dem Knaben und Jüngling nichts, bis Chlodowech und seine Verbündeten, die Burgunden, von den Heeren Theoderich’s, der, von den Byzantinern in Italien bedroht, erst spät (a. 508) für den Enkel mit den Waffen einschreiten konnte, zurückgetrieben waren und Gesalich nach wechselnden Schicksalen (s. den Artikel Thrasamund) (a. 511) vernichtet war. Theoderich übernahm nun die ihm als Muntwalt zustehende Regentschaft über A., die er durch seinen „Waffenträger“, den Ostgothen Theudis (s. A. D. B. XXXVII, 736) ausübte. Thatsächlich machte dieser Statthalter, durch Heirath mit einer vornehmen spanischen Erbin allzumächtig geworden, sich von Theoderich unabhängig und an Stelle Amalarich’s zum Herrscher im Westgothenreich. Als aber der große König zu Ravenna gestorben war (a. 526), wagte Theudis doch nicht, den nun 24jährigen A., der zu Narbonne war erzogen worden – seit a. 522 führte er den Königsnamen – vom Thron auszuschließen. Vielmehr herrschte dieser nun selbständig, in solcher Stellung auch anerkannt von Theoderich’s Tochter Amalaswintha (s. A. D. B. I, 380), die für ihren noch nicht waffenfähigen Sohn Athalarich (s. A. D. B. Nachträge) die Regentschaft führte: sie lieferte den von Carcassonne nach Ravenna gebrachten westgothischen Königsschatz aus und verzichtete auf die bisher von Theudis an die ostgothische Staatscasse bezahlten Abgaben. Zugleich fand eine Theilung des westgothischen Besitzes in Gallien statt, den Theoderich als Muntwalt Amalarich’s ebenfalls beherrscht hatte. Dieser trat nun das Gebiet zwischen Alpen und Rhone an das Ostgothenreich ab, ungefähr die ehemalige römische „Provincia“ (Narbonnensis), so daß nur ein nicht eben breiter Küstenstrich, im Norden und Westen von den fränkischen Eroberungen, im Osten von den Ostgothen begrenzt, den Westgothen in Gallien verblieb, dessen Hauptstadt das feste Narbonne bildete; der Rhone schied jetzt die zwei gothischen Reiche. Und da in den letzten zwanzig Jahren, vereinzelt wol auch früher schon, häufig Ehen zwischen West- und Ostgothen, vielleicht, – [763] gegen die Gesetze – auch zwischen Gothen und Römern, auch zwischen Römern der jetzt zu trennenden Gebiete geschlossen worden waren, war eine Regelung der Staatszugehörigkeit erforderlich; diese wurde dahin getroffen, daß jeder in solcher Ehe lebende Mann das Wahlrecht erhielt, an dem Wohnort (vielmehr wol der „origo“) seiner Frau zu bleiben oder diese in das Gebiet seines Volkes mitzuführen; die Friedlichkeit und Ordnung der ganzen Auseinandersetzung lässt vermuthen, daß noch die Weisheit Theoderich’s diese Bestimmungen getroffen hatte, welche auch die gefährlich offen liegenden Zugänge der Franken nach Italien der schwächeren und minder betheiligten westgothischen Bewachung abnehmen und den zunächst bedrohten und, wie es damals schien, mächtigeren Ostgothen in die Hände legen sollten. Allein nach des großen Königs Tod gewährte auch sein Reich nicht mehr hinreichenden Halt gegen die stets auf Angriff ausgehenden Franken: ängstlich, „die Macht der Franken fürchtend“, suchte A. sich vor diesen zu sichern durch Heirath mit Chrotechildis, der Tochter Chlodowech’s († a. 511) und Schwester der vier merovingischen Theilkönige. Allein schon diese erste Verschwägerung eines ersten Westgothenkönigs mit jenem Geschlecht sollte – wie in der Folge noch mehrere – statt Frieden und Freundschaft Krieg und Blutvergießen herbeiführen; diesmal wegen des Gegensatzes des westgothischen Arianismus zu dem eifrig katholischen Bekenntniß der Merowingen; es gereichte jenem Reich zu schwerem Unheil, daß es, allerdings nicht ohne triftigen Grund, den Katholicismus als eine politische Gefahr misstrauisch betrachtete und nicht selten verfolgte. Im Anfang zwar seiner Regierung gewährte A. der katholischen Kirche in seinem Reiche ziemlich freie Bewegung: – er ließ sie a. 527 ein Concil in Toledo (das II.) halten – aber später wollte er seine Gattin mit Gewalt zur Annahme des Arianismus zwingen und misshandelte die tapfer Widerstrebende so lange, bis sie ihren Bruder Childibert (I) von Paris zu ihrer Befreiung herbeirief; der Sage nach sollte ein Tuch, befleckt von ihrem unter dem Schlage Amalarich’s vergossenen Blut den Meroving mit stummer Beredsamkeit zur Rache mahnen. Ein Sohn Chlodowech’s bedurfte kaum solchen Aufrufs zum Kriege; bald zog Childibert gen Narbonne: hier in heißer Schlacht geschlagen floh A. und fand den Tod entweder in dieser Stadt bei deren Erstürmung, bevor er das gesuchte Asyl einer (katholischen) Kirche erreichte, oder – nach anderem Bericht – zu Barcelona, wohin er zu Schiff entkommen war, durch sein eigenes meuterisches Heer, vielleicht nicht ohne geheime Mitwirkung des Theudis, der nun den Thron bestieg. Childibert trat mit reicher Beute den Rückzug an, auf welchem die befreite Schwester starb.

Quellen und Litteratur: s. Dahn, die Könige der Germanen, II, 1862. S. 151, V, 1870, S. 160 f.; – Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker, I, 2, 1898, S. 245, 367.