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Artikel „Alarich II.“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 175, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Alarich_II.&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 10:21 Uhr UTC)
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Alarich II., Westgothenkönig 485–507, Sohn des großen Eurich und der Ragnachild, einer Königstochter unbekannten Stamms; er entbehrte mit der Härte auch der Kraft seines Vaters und war der schweren Aufgabe, der überlegenen Macht der Franken unter dem schneidigen und schlauen Merowinger Chlodovech das Gleichgewicht zu halten, nicht gewachsen: die katholische und römische Opposition der Provinzialen im eigenen Land, geführt von den einflußreichen Bischöfen, untergrub seine Macht. Als im zweiten Jahre von Alarichs Regierung Chlodovech durch seinen Sieg bei Soissons 486 über Syagrius seine Herrschaft bis an die Loire dehnte und die Auslieferung des an den gothischen Hof geflüchteten Besiegten forderte, wagte A. nicht, sie zu verweigern. Eine Zeit lang fand das westgothische Reich eine Stütze gegen die Franken an der stammverwandten ostgothischen Macht in Italien: A. hatte 439 Theoderich den Großen in seinem Kampf gegen Odovakar durch Hülfstruppen unterstützt und dessen Tochter Theodegotho zur Gattin erhalten: wiederholt vermittelte der Amaler, seiner Friedenspolitik entsprechend, zwischen seinem Eidam A. und seinem Schwäher Chlodovech; auf einer Aue der Loire bei Amboise, heute ile de St. Jean, fand mit Schmaus und Trank eine Zusammenkunft der beiden Fürsten statt (500–505). Aber seit Chlodovech das katholische Bekenntniß und damit die Vorkämpferschaft der orthodoxen Kirche gegen die arianischen Ketzer in Gallien angenommen hatte, war der Zusammenstoß zwischen Franken und Westgothen unvermeidlich geworden. Die Katholiken im Gothenreich sehnten die fränkischen Waffen zur Befreiung herbei. Die Strenge, mit welcher der König den offnen Aufstand spanischer Städte niederschlug oder conspirirende Bischöfe, wie die von Tours, Arles, Rhodez verbannte, fruchtete so wenig, wie sein Bestreben anderseits, durch Milde durch Beibehaltung der katholischen Beamten seines Vaters, durch Duldung des kirchlichen Lebens (Concil von Agde 506, Besetzung verwaister Bischofsstühle), durch die wohlthätige Codification des für die Provinzialen geltenden römischen Rechts 500 (Breviarium Alarici, lex Romana Visigothorum) die Romanen zu gewinnen. Er wagte es nicht, die Burgunder gegen den fränkischen Angriff (500) zu unterstützen und als nun 507 Chlodovech den Glaubenskrieg gegen die gothischen Ketzer verkündete, erlag A., schlecht vorbereitet, – er griff zu Münzverschlechterung und Zwangsanlehen, – von den Bischöfen, welche die Thore der festen Städte unter Mirakeln dem Frankenkönig öffneten, verrathen, von den Ostgothen zu spät unterstützt, dem combinirten Angriff der Franken von Norden und der Burgunder von Osten her: die Ungeduld seines Heeres, welches nicht länger die Verwüstung des Landes durch die Feinde unthätig mit ansehen wollte, zwang ihn, eine gut gewählte Vertheidigungsstellung bei Poitiers aufzugeben und ohne den Zuzug der Ostgoten abzuwarten, den Franken entgegen zu gehen; er verlor Sieg und Leben in der blutigen Schlacht auf den vocladischen Feldern am Clain, zehn Milien nordwestlich von Poitiers. Die Folge dieser Niederlage war, daß der größte Theil des gallischen Gebiets der Westgothen an Franken (und Ostgothen) verloren ging und „das Reich von Toulouse“ erlosch. Fortan lag der Schwerpunkt des westgothischen Reichs, des Reiches von Toledo, in Spanien. In Gallien verblieb ihnen nur das Septimania, Gallia gothica, genannte Gebiet.

Vgl. die zu Athaulf angef. Litteratur. – Breviarium Alarici, Lex Romana Visigothorum ed. Hänel. Leipzig 1849.