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Artikel „Altenhöfer, August Joseph“ von Alois Dreyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 431–434, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Altenh%C3%B6fer,_August&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 00:48 Uhr UTC)
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Altenhöfer *): August Joseph A., langjähriger Redacteur der „Allgemeinen Zeitung“, geboren als Sohn eines Färbers und späteren Gastwirths am 14. März 1804 zu Kissingen in Unterfranken (und nicht, wie der „Moniteur des Dates“, IX, Anhang 14 irrthümlich angibt, 1803 zu Kitzingen), widmete sich nach dem Besuche der Gymnasien in Münnerstadt und Würzburg an der Universität Würzburg dem Studium der classischen Philologie und bestand die Lehramtsprüfung für dieses Fach mit bestem Erfolge. 1832–1834 fand er Verwendung als Aushülfsassistent am Gymnasium St. Stephan in Augsburg; doch scheint ihm wegen eines früheren Anschlusses an die deutsche Burschenschaft die Anstellung im Staatsdienst verweigert worden zu sein. Daher ging er frühzeitig zur Journalistik über, für die er infolge seiner glänzenden Geistesgaben und seines umfassenden, tiefgründigen Wissens vorzüglich geeignet war, und übernahm neben seiner wenig Zeit erheischenden lehramtlichen Thätigkeit schon am 1. Januar 1833 die Redaction der Augsburger Postzeitung, die er bis 3. April 1835 im gemäßigten, duldsamen Geiste und mit anerkennenswerthem Geschick führte. Im November 1833 trat er gleichzeitig in die Redaction der Allgemeinen Zeitung ein, die unter der Leitung des Nachfolgers C. J. Siegmann’s, des geist- und temperamentvollen Schwaben Gustav Kolb, bald zu hohem Ansehen gelangte. Vom 2. Juli 1837 an zeichnete er mit diesem als verantwortlicher Redacteur des genannten Blattes; doch in Nr. 324 (20. Nov.) 1846 erklärte er, daß ihn „Privatrücksichten“ bestimmten, seine Namensunterschrift als verantwortlicher Leiter desselben zurückzuziehen, die erst wieder von Nr. 209 (27. Juli) 1848 an neben der Kolb’s und des am 14. Juni 1847 in die Allgemeine Zeitung eingetretenen Dr. C. A. Mebold erscheint. Die Ursache dieses befremdlichen Schrittes waren Mißstimmigkeiten zwischen ihm und dem heißblütigen Dr. Kolb, die nie mehr ganz behoben wurden, so daß sich beide, selbst in geschäftlichen Angelegenheiten, fast nur auf den schriftlichen Verkehr miteinander beschränkten. Zu Beginn der Redactionsthätigkeit Altenhöfer’s scheinen diese Differenzen noch nicht bestanden zu haben, wie ein von beiden gemeinsam verfaßtes, als Flugblatt gedrucktes Spottgedicht auf den überschwenglichen Reiseschilderer Major Heilbronner beweist.

Da A. die englische Sprache vollkommen beherrschte, die er sich neben dem Italienischen und Spanischen erst nach seiner Studienzeit aneignete, so wurde ihm in der Allgemeinen Zeitung zunächst die Sparte England und Amerika übertragen, und dieser seiner Aufgabe zeigte er sich nicht nur nach der politischen, sondern auch nach der culturgeschichtlichen Seite hin völlig gewachsen. Das Bestreben Kolb’s, die Beilage der A. Z. nach der wissenschaftlichen und ästhetischen Seite hin umzugestalten und zu vertiefen, fand in Altenhöfer’s erstaunlicher Arbeitskraft und Vielseitigkeit eine der besten Stützen, obgleich dieser mit verschiedenen neuen Mitarbeitern, „den neuen Affen, die Kolb tanzen läßt“, wie er einst übellaunig bemerkte, nicht immer einverstanden war. Nicht wenigen litterarischen Aufsätzen, die durch seine Hand gingen, fügte er die eine oder andere gelehrte ergänzende, hie und da auch leicht ironisch [432] gefärbte Anmerkung bei, der man nicht selten nachrühmte, sie sei vielsagender und geistvoller als der ganze Artikel. In den ersten Jahren seiner Zugehörigkeit zur A. Z. ließ er seinem Hang zur Satire in seinem Blatte manchmal die Zügel zu sehr schießen, so daß er sogar nach oben hin Anstoß erregte. Doch später ward alles das, was seine Spottlust reizte, in seinen, nur für vertraute Freunde geschriebenen Liedern ersichtlich.

Seit der schweren Erkrankung Kolb’s 1855 hatte er wiederholt als dessen Stellvertreter die Leitung des Cotta’schen „Weltblattes“ übernehmen müssen, die ihm nach dessen Tode, 16. März 1865, eigentlich wider seinen Willen (vgl. seine Anm. in Nr. 75 der B. zur A. Z. 1865) ganz übertragen wurde. Ihm fiel zunächst die schwierige Aufgabe zu, die Haltung der A. Z., die unter Kolb und seinem Collegen Hermann Orges im preußenfeindlichen Fahrwasser segelte, dem Gang der politischen Ereignisse anzupassen, ohne dabei Oesterreich und Frankreich irgendwie zu verletzen. Schon von jeher war er ein ausgesprochener Gegner der „schwarzgelben“ politischen Gesinnung Kolb’s und der von diesem begünstigten Großmachtpolitik Baierns unter von der Pfordten gewesen, die er in einigen seiner satirischen Gedichte scharf geißelte, während er bereits 1849 die zu erwartende Einigung Deutschlands unter Preußens Führung in einem formvollendeten Liede, im Geiste des alten Kaiserherolds Schenkendorf, jubelnd begrüßt hatte. Seine kundige Hand und seinen weitgehenden Blick verrathen die zum Theil von ihm selbst stammenden Leitartikel der A. Z. jener Tage, welche die Schwenkung dieses Blattes vom großdeutschen ins kleindeutsche Lager fast unmerklich vollzogen. Vorgerücktes Alter und anhaltende Kränklichkeit bestimmten ihn dazu, vom 1. März 1869 an die „Redactionsverantwortlichkeit auf jüngere Schultern zu legen“, wie er selbst in Nr. 59, 1869 der A. Z. gesteht. Als sein provisorischer Nachfolger wurde A. Koch ernannt, doch erst vom 1. Januar 1870 an, als Dr. Julius v. Gosen an die Spitze der A. Z. trat, konnte er sich endgültig zur Ruhe setzen. Die Verbindung mit dem ihm liebgewordenen Blatte löste er dadurch nicht, und bis knapp vor seinem Tode veröffentlichte die A. Z. Artikel aus seiner Feder, von welchen einige unmittelbar nach dem Ausbruch des Krieges von 1870 verfaßte Aufsätze für den Historiker auch heute noch bedeutsam sind. Freilich fiel seine Pension – wie er seinem Freunde und Collegen Rommel am 25. Januar 1870 schreibt – sehr mager aus, so daß er von ihr nicht hätte leben können, wenn er nicht „aus eigenen Mitteln etwas aufzutröpfeln“ gehabt hätte.

Altenhöfer’s innerstes Wesen, sein politisches und ästhetisches Glaubensbekenntniß offenbart sich nirgends so lebendig und klar als in seinen zahlreichen Gedichten, von denen nicht wenige von scharflaugiger Ironie durchtränkt sind. Allein der „Augsburger Martial“, wie ihn einer seiner persönlichen Gegner nannte, verstand es auch, zeitweise weiche, gemüthstiefe Töne anzuschlagen und u. a. Schiller, Uhland und Walter Scott, die er ebenso hoch als die griechischen und römischen Classiker schätzte, in dithyrambischer Weise zu verherrlichen. Auch in metrischen Uebersetzungen von Bruchstücken aus Torquato Tasso, sowie von englischen Schriftstellern (Thomas Moore, Longfellow, Tennyson, Lord Byron u. a.), versuchte er sich mit Geschick, und daneben entsproßte ihm eine Fülle klangschöner Gelegenheitsgedichte auf seine Freunde: so auf den Maler Moritz Rugendas, den Archivar Theodor Herberger, den Augsburger Rechtsanwalt und Justizrath Johann Georg Hertel und auf seine Collegen an der A. Z. Dr. Eugen Rommel und Dr. C. A. Mebold, und gerade diese beiden letztgenannten hatte er besonders tief ins Herz geschlossen. Von allen seinen Dichtungen verirrte sich nur selten eine in die Oeffentlichkeit; gedruckt wurden nur seine Neujahrsgedichte 1833–1835 in der Augsburger Postzeitung, sein [433] Sonett zu Schiller’s hundertstem Geburtstag in der Beil. zur A. Z. und noch einige andere. Alle übrigen dagegen, namentlich die satirischen, wanderten in Abschriften in seinem Freundeskreise umher. Die vollständigste Sammlung derselben (375 Gedichte in 9 Heften) veranstaltete Generalleutnant Celsus v. Girl, die er nach seinem Tode der Augsburger Stadtbibliothek zuwies (Proben hieraus veröffentlichten Ministerialrath Ernst Müller in einem Vortrag bei der Münchener Gesellschaft der „Zwanglosen“, 1897, und Lorenz Werner in seinem Aufsatz: „Der Augsburger Martial“, 1898).

Die „alberne“ Schwärmerei für Napoleon I., den „Großen Kaiser, das makellose Heldenbild“, in einem seiner Jugendgedichte (1820) wich bald der unauslöschlichen Sehnsucht nach einem starken, einigen Deutschland, und Napoleon III. erscheint ihm als „der von der Geschichte für alle Folgezeit gebrandmarkte Abenteurer“. Die Einigung Deutschlands 1871 begrüßte er mit hellem Jubel; nur mit dem Ausschluß der „stammverwandten Länder“, der Schweiz und Oesterreichs, konnte er sich, der doch im Grunde seines Herzens stets großdeutsch gesinnt war, ebenso wenig befreunden, wie mit der Culturkampfpolitik Bismarck’s. Als Baier alten Schlages stand er der Berufung Norddeutscher Gelehrten und Dichter durch König Maximilian II. von Baiern nicht besonders freundlich gegenüber, und der überschwengliche Empfang, der Geibel bei seiner Uebersiedelung nach München am 5. December 1852 seitens der „Zwanglosen“ bereitet wurde, die damals die Elite des geistigen Lebens der bairischen Hauptstadt umschloß, reizte ihn zu scharfem Widerspruch in einem ungemein launigen, alle Betheiligten harmlos verspottenden Gedichte, „Das Fest der Zwanglosen“, das Geibel s. Z. mit Unrecht erbitterte, während es bei den übrigen „Nordlichtern“ und den einheimischen Dichtern und Gelehrten, die Altenhöfer’s Satire keineswegs verschonte, ein behagliches Schmunzeln auslöste. Eine scharfe Kritik übte A. an der zu Ehren Dönniges’ von Dingelstedt im Frühjahr 1857 veranstalteten, an Ausfällen auf die einheimischen Poeten reichen Feier in dem mit beißendem Sarkasmus durchsetzten Gedichte „Ein Fastendiner“. Wie mancher politische Wichtigthuer, mußte mancher sich groß dünkende Litterat die Geißel seines Spottes fühlen. Dabei kannte A. kein Ansehen der Person. Den bekannten bairischen Abgeordneten Joseph Völk pries er als „Volksmann“, während sich auf den bairischen Minister Graf Hegnenberg Dux und andere Staatsmänner, ebenso auf den Bischof Pankratius v. Dinkel in Augsburg (auf diesen, weil er seinem Clerus den Besuch eines Weinhauses verboten hatte, das häufig Liberale als Gäste sah) die Lauge seines ätzenden Spottes ergoß. Selbst seine rein localen Gedichte sind nicht ganz ohne Bedeutung, da sie in ihrer Gesammtheit ein ziemlich deutliches Bild des geistigen Lebens in Augsburg um jene Zeit entrollen.

Aber auch sich selbst porträtirte er in witziger Weise, besonders in einem Gedichte aus Anlaß seiner 25jährigen Zugehörigkeit zur A. Z. im Herbst 1858, „als Jubilar mit viel Bauch und wenig Haar“, und die köstlichen, auf seine Ehelosigkeit, wie auf seine beinahe übergroße Thierfreundlichkeit zielenden Verse: „Ein Junggesell mit der Lilie, zwei Pinscher die ganze Familie“ waren damals im Munde all’ seiner Freunde. Als „Freund“ bezeichnen ihn Dahn und Völderndorff in ihren Memoiren ausdrücklich, und durch seine Redactionsthätigkeit knüpfte er dauernde Beziehungen zu geistig hochstehenden Männern, wie Thiersch, Döllinger und Mommsen, an.

Nach des Tages Last suchte der originelle Kauz, der bäuerische Derbheit mit feinster Geistescultur und Gelehrsamkeit verband, Erholung im einfachen Kreise, meist in der Gesellschaft von geistig tief unter ihm stehenden Männern. [434] Seine Urlaubszeit verbrachte er gewöhnlich in den Bergen, besonders in Partenkirchen und Tegernsee. Zur Gründung eines Hausstandes kam er nicht mehr, er wurde „ein einsamer Altjunggeselle“ und – wie Friedr. Pecht („Aus meiner Zeit“ II, 180) etwas übertrieben urtheilt – „in der Tretmühle der Journalistik allmählich ein vollkommener Menschenfeind.“ Schon 1864 schrieb er an Rommel, daß er seinen Verkehr mehr und mehr auf zwei treue Hundeseelen beschränke. Im Herbst des gleichen Jahres befiel ihn ein schweres Unterleibsübel, das seine völlige Abmagerung zur Folge hatte. Auch die letzten drei Lebensjahre wurden ihm durch zunehmendes Unwohlsein, durch ein fortwährend sich steigerndes Magenleiden und große Mattigkeit der Beine vergällt. Sein sehnsüchtiger Wunsch, dem er sowohl seinen Freunden gegenüber als in einem zu seinem 70. Geburtsstag verfaßten wehmuthsvollen Gedichte Ausdruck lieh, das Schicksal möge ihn vor einem langsamen Verfall der Körper- und Geisteskräfte, vor einem langwierigen Siechthum bewahren, ging auch in Erfüllung. Am 4. Mai 1876 erlitt er einen Schlaganfall, dem er am 12. Mai morgens 3 Uhr erlag. Seinem wiederholt und dringend geäußerten Wunsche gemäß sah die A. Z., die an der Spitze des Hauptblattes Nr. 134, 1876 die Nachricht von seinem Hinscheiden brachte, von einer Biographie in ihren Spalten ab. Selbst seinen vertrautesten Freunden gegenüber äußerte der wortkarge Mann, dem einer seiner Gegner das Zeugniß ausstellte, daß er, „ein classischer Stock“, in sechs Sprachen zu schweigen verstehe, nichts von seinen frühern Lebensumständen; daher kam es, daß nicht einmal die Sterbeurkunde sein Geburtsdatum auch nur einigermaßen richtig anzugeben wußte. Der Dichter Martin Greif, der in Augsburg zu ihm in nähere Beziehungen trat, widmete ihm in der 3. Auflage seiner Gedichte (S. 350) einen tief empfundenen poetischen Nachruf.

In der deutschen Journalistik hat sich der anspruchslose, schlichte Mann, der trotz seiner oft unbezähmbaren Spottlust ein ungemein weiches Gemüth besaß, als langjähriger Redacteur der A. Z. einen geachteten Namen erworben. Aber auch als politischer Lyriker und satirischer Dichter ist er nicht gering einzuschätzen, und wenn einmal die besten Blüthen dieser seiner Kunst durch den Druck bekannt geworden sind, wird ihm die Nachwelt noch spät den Kranz reichen, nach dem er im Leben nicht strebte.

Lorenz Werner, Der Augsburger Martial (Sammler, Beil. z. Augsburger Abendzeitung 1898, Nr. 150 und 151). – Ernst Müller, August Joseph Altenhöfer, Vortrag bei den Zwanglosen, 1897 (Ms.). – Eduard Heyck, Die Allgemeine Zeitung 1798–1898. München 1898, S. 106, 116, 129, 147, 148, 280, 320. – Christian Petzet, Augsburger Redacteure der Allgem. Ztg. (Sonder-Ausgabe der Allgemeinen Zeitung, 13. Mai 1901, S. 5 u. 6). – Joh. Gg. Fußenecker, Zur Geschichte der Augsburger Postzeitung (Fest-Nr. der Augsb. Postztg. zu ihrem 200j. Jubiläum, 1. Jan. 1886, S. 6). – Erich Schmidt, Ein Münchener Dichterfest (Festgabe zum 70. Geburtstage Adolf Wilbrandts, Stuttgart 1907, S. 70–76). Vgl. ferner Allgem. Ztg. 1876, Nr. 134, Augsb. Abendztg. 1876, Nr. 132; Oettinger, Moniteur des Dates IX, 14, sowie die Memoiren von Bluntschli, Dahn, Kobell, Pecht und Völderndorff.

[431] *) Zu Bd. XLV, S. 756.