Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: „So sprach ein Fürst“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 671–672
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[672] „So sprach ein Fürst“. (Stuttgart, 1860.) Unter diesem eigenthümlichen Titel ist jüngst „von dem Neffen und Erben des Dr. F.“ nach dessen eigenem Wunsche ein Buch, Memoiren eines Fürsten, veröffentlicht worden, welches vielen Lesern als eine Dichtung erscheinen dürfte, obschon die Herausgeber alles Ernstes im Vorwort versichern, daß die Aufzeichnungen echt sind und weder Indiscretion noch Täuschung obwalte. Wir wollen daher unsere gelinden Zweifel unterdrücken, wenn wir auch nicht verhehlen können, daß unser Suchen und Forschen, welcher von allen Fürsten dieser edel und groß denkende Mann sein könne, nur auf zwei Namen haften blieb, die eine entfernte Möglichkeit für die Authentität der Memoiren bieten. Das Werk selbst ist geistvoll geschrieben und verräth in jeder Zeile, daß sein Verfasser sich in den Kreisen der feinsten Bildung bewegt hat; es behandelt die socialen und politischen Fragen der Jetztzeit mit Geist und Geschmack, während uns der würdigste Geist staatsbürgerlicher Freiheit aus jeder Seite entgegen weht. Wenige Stellen aus den ersten Abschnitten mögen genügen, dies zu bestätigen und auf das Werk selbst aufmerksam zu machen.

„Was thut Ihr für das Volk?“ so fragt der Fürst, „Ihr haltet es fleißig zur Schule an, damit es Euch nicht beunruhigt und den Katechismus der Unterthänigkeit wohl auswendig lernt; Ihr sorgt für seinen Hunger, und das ist löblich, doch für Eure Pferde thut Ihr dasselbe; – Ihr dressirt es zu Soldaten, die Polizei nöthigenfalls kräftig zu unterstützen – andere Heldenthaten haben sie seit mehr als einem Menschenalter nicht begangen – schließt nun einmal Euren Erziehungscursus, entlaßt das Volk aus der Schule, gebt ihm die Toga, öffnet ihm das Forum, als freier Mann betrete es die Arena der höchsten Kräfte.“ –

„Ein einzelner deutscher Staat kann nur etwas sein, wenn das ganze Deutschland etwas ist. Die Erfahrung lehrt, daß das ganze Deutschland in der Reihe der Staaten wenig oder nichts ist; es ist gemißachtet und gemißbraucht. Machen wir es also zu etwas! Da wir aber nicht auf das Ganze unmittelbar wirken können, so laßt uns in unserem Theile ausführen, was das Ganze zur Größe leiten muß. Dies kann nun nicht das System kleinlicher Bewachung und Beschränkung sein, das wir bisher verfolgt, denn dies hat uns zur Schande, zur Unbedeutsamkeit geführt. Ein neuer Geist muß den erschlafften Gliedern eingeflößt werden, der Geist der Einheit und Freiheit, jener Geist, der die ersten Völker des Welttheils zum Wettkampf auf der großen Arena der Weltgeschichte beseelt, welchem wir müßig, staunend, klügelnd und unbeachtet zugesehen – jener Geist, der noch immer die Nationen zu Macht und Größe geführt hat. – Die Einheit können wir kleiner Theil nicht machen, aber wir können den Sinn der Menschen dafür erziehen. Die Freiheit aber können wir geben. – Und wenn Euch Diplomaten und Politiker denn einmal das Gelüsten festhält, nur unter einer Maske zu spielen, so gebrauchet nun Eure Künste zu einem edlen Zweck, spielt unter der Maske der Unterdrückung die Rolle der Freiheit, statt daß Ihr sonst nur zu oft unter der Maske der Freiheit dieser die tödtlichsten Wunden versetzt habt.“

„Wir sind seit dem Frieden souverain; keine Macht der Erde bestimmt uns; die Throne von Rußland, Frankreich und England sind uns nur ebenbürtig; aber sieh, eine Macht ist über uns, eine unausweichliche, allbezwingende, niederdrückende und verzehrende Macht: das Kleine. Ihr können selbst Götter nicht widerstehen. Unser Gesichtskreis ist ein gar enger, die Verhältnisse, in denen wir leben, sind klein, und die Menschen, mit denen wir zu thun haben, sind durch diese Verhältnisse klein geworden. Ja, betrachte nur die Menschen, die unsere Höfe belagern, sind sie nicht gründlich verächtlich? Es sind Lakaien, nichts weiter, die sich mit nachgeäfften Formen und klingenden Namen zu Theatergrößen aufblähen. Kaum gelingt es ihnen noch, den simpeln Bürger und Bauer zu blenden. Hinter den Coulissen, wenn sie nicht auswendig gelernte Phrasen herzusagen und einstudirte Bücklinge anzubringen haben, hinter den Coulissen erscheint ihre ganze Leerheit. und ihr Flitterstaat bedeckt zu oft nackte und hungrige Armuth. Ich habe sie studirt. Diese Menschen haben keinen Gott, kein Vaterland, kein Gewissen, keine Idee, als uns – um unsere Mienen, unsere Worte, unser Wohlgefallen drehen sich die Kreise ihres flachen Lebens – mit der kleinlichsten Eifersucht schnappen sie nach kleinlichen Auszeichnungen, mit der hungrigsten Gier reißen sie sich um die Brocken von ein paar Thalern Gehaltszulage. Dabei dünken sie sich bevorzugte Wesen, brüsten sich mit ihrem Adel zum Hohn unserer Sprache, die mit dem Werte „Adel“ Würde und Unabhängigkeit bezeichnet, und sehen mit Verachtung auf die Bestrebungen der edlen Männer herab, die unter wenig ermuthigenden Umständen ihr Volk auf eine ehrenvollere Stufe unter den Nationen zu heben bemüht sind, welche unsere Ohnmacht mit Hohn oder Mitleid betrachten.“

„Der Begriff „Deutscher“ ist so unbestimmt, daß ich ihn nicht besser definiren kann, als einen Menschen, der im eigenen Lande ein Ausländer ist.“

Der Leser wird mit uns fragen, wer der Fürst sein mag, der also gesprochen? Vielleicht, daß die Zukunft das Dunkel erhellt, wie die Vorrede des Buches wenigstens andeutet. Das Buch muß nothwendig auf authentischen Mittheilungen oder Manuscripten fußen, und wenn einzelne Andeutungen und Thatsächlichkeiten uns nicht ganz täuschen, so kennen wir den geistreichen Fürsten, dessen Ideen und Aussprüche darin wiedergegeben sind. Glücklich konnte sich der Fürst in seiner Stellung mit diesen Anschauungen unmöglich fühlen!