„Lang’, lang’ ist’s her!“
„Lang’, lang’ ist’s her!“
Eine Erinnerung aus dem Jahre 1824.
Ich flehe den Genius des deutschen Alterthums an, daß er seine
Flügel ausbreite über Hermanns wahrer Burg, und jede Entweihung von
ihren kostbaren Trümmern schützend abwende!
Clostermeier, Wo Hermann den Varus schlug. 1822.
1.
„Nicht, hier ist es kühl und frisch?
Quellen stürzen durch’s Gebüsch;
Ueber ihre Kiesel keck
Springt die lust’ge Berlebeck.
Vorwärts! oben magst du ruhn!
Vorwärts über Knick und Schling!
Sieh’ doch, schon der Hünenring!
Riesige Mauern alter Zeit;
Barhaupt, Knabe, schreit’ hindurch:
Dich umfängt die Teutoburg!
Hermanns Burg und Hermanns Haus!
Hier bedacht’ und führt’ er’s aus;
Schlug im Grund dort seine Schlacht.
Doch nun auf zur Bergesbrau!
Wir sind oben, – welche Schau!
Sieh’ dich um, hier sieht sich’s weit,
Um und um, das rauscht und wallt!
Wald und Berg, und Berg und Wald!
Tapfre Berge, wackres Holz!
Eichen und Buchen, schlank und stolz!
Zwischen Gebirg und Horizont,
Leuchtend wie sie Hermann sah,
Liegt Norddeutschlands Ebne da!
Leuchtend, golden überhaucht!
Fläche der Senne, wüst und wild,
Land wo Ems und Lippe quillt!
Dorthin geht’s dem Rheine zu;
Dorthinaus, das merke du,
Lag Aliso, Roms Castell.
Nimm das Fernrohr! Laß den Blick
Rundum schweifen auf gut Glück!
Wo er immer schweife hier:
Kennst du dort die Waldesbucht?
Nein? Das ist die Dörenschlucht;
Aus dem Wald in’s offne Moor
Jenes altberühmte Thor.
Als den Varus er gehetzt;
Thor, das borstig Schwert und Spieß
Des Caecina Kriegern wies.
Doch – die Sonne neigt sich schon;
Vogel stumm und Biene stumm!
Laß uns niedersteigen drum!
Heim schon! Sieh’, vor eurem Haus
Schaut dein Vater nach dir aus!
Morgen lesen wir Tacitus!“
2.
Lang’, o lange, lang’ ist’s her;
Fünfzig Jahre sind’s, und mehr;
An der Stelle war’s wo heut
Ragt das Denkmal auf dem Teut.
Auf und ab im Werrethal,
Teut und Königsberg hinan
Führte mich so der theure Mann!
Gab mir Lehre so im Gehn;
Denen die Schlacht und ihre Statt
Tapfer er gerettet hat.
O, des Streits: Hier oder dort!
Da sprach Er: „Dies ist der Ort!
Sprach’s und schrieb’s, – und das schlug durch!
Und nun flammt des Helden Bild,
Hünenleib mit Schwert und Schild,
Blitzt und flammt von Hermanns Horst
Und dem Meister, der es schuf,
Jubelt tausendstimmiger Ruf:
Ruf des Volkes, das zur Fahrt
Auf den Hermann froh sich schart.
Doch dann wend’ ich still den Schritt,
Schlag’ mich durch den Wald seitab,
Such’ im Thal ein liebes Grab.
Jenes, drin der Gute ruht,
Folgte über Heck und Schling,
Wenn er teutoburgen ging.
Teutoburger Wald, sag’ an,
Werthest du auch noch den Mann?
Denkt ihr eurer Schuld an ihn?
Sicherlich! Ein ernster Kranz,
Dank und Lohn des Vaterlands,
Eichenlaub von seinem Teut,
Und zu dem Kranz meinen Kranz,
Dankbartreuen Schülers Kranz,
Rauschend im Wehn der Werreluft,
Leg’ ich fromm auf seine Gruft.
Die mich zog, du theure Hand!
Forscherhand, die schrieb das Buch:·
Wo Hermann den Varus schlug!
Ferdinand Freiligrath.