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Titel: Julklapp
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 877
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[877] „Julklapp!“ – dem Süd- und Mitteldeutschen ist’s ein fremder Wortklang ohne Farbe und Bedeutung, dem Bewohner der Ostseeküste und der angrenzenden Provinzen ein Zauberlaut, der ihm wie mit magischer Gewalt die köstlichsten Kindheitserinnerungen wachruft.

Weihnachtsabend! Da erwacht in den kleinen und mittelgroßen Städten Norddeutschlands mit der hereinbrechenden Dämmerung, wenn die Fest-Glocken von allen Thürmen läuten und durch die Fenster die strahlenden Tannenbäume leuchten, ein seltsam reges Leben auf Straßen und Gassen. Alles läuft und rennt über das schneebedeckte Pflaster – hier ein flinkes Dienstmädchen, unter der Schürze geheimnißvoll einen Korb mit hundert Packetchen bergend, dort ein stattlicher Livréebedienter, einen leichten Wagen mit vielen kleinen Kisten und Kästen nach sich ziehend. „Hollah! vorgesehen!“ ruft er eben einem vorübereilenden Packträger zu, der, den ganzen Arm voll sauber eingewickelter Sächelchen, gefährlich mit ihm carambolirt – und da liegen sie schon alle im Schnee, die tausend Packete unseres wackeren Dienstmannes Numero so und so. Ein altes Mütterchen, das, von Schneeflocken ganz bedeckt und einen großen Sack auf dem Rücken tragend, aussieht, als wäre sie der Knecht Ruprecht in weiblicher Gestalt, muß eiligst zur Seite springen, um nicht die Rückwirkung dieses Zusammenstoßes der beiden Männer an ihren gebrechlichen Gliedern empfindlich zu spüren. Es ist eben am Weihnachtsabend eine wahre Völkerwanderung auf Gassen und Plätzen in den Städten des Nordens.

„Julklapp, Julklapp!“ tönt es von allen Seiten. Dazwischen schallen die Klingeln an den Hausthüren – sie fehlen nie in den kleineren norddeutschen Städten – so hell und so lustig in das bunte Treiben hinein, wie kaum an einem anderen Tage im Jahre. Und unmittelbar auf jeden Klingelschall läßt sich ein fröhliches „Julklapp!“ vernehmen. Hui, wie bei diesem Rufe die Packete fliegen – weit hinein in den Hausflur und oft bis in die äußerste Ecke desselben. Schnell fällt die Hausthür wieder in’s Schloß, und der muntere Julklapp-Rufer, der schnelle Packet-Werfer ist hurtig um die nächste Ecke verschwunden, damit Niemand ihn sehe, Niemand ihn verrathe.

Innen in den Häusern aber knarren die Thüren geschäftig, denn zu den um den leuchtenden Christbaum versammelten Familiengliedern bringen die Dienstboten Packet auf Packet vom Flur herein – Julklappen, wie diese lustigen Weihnachtsboten genannt werden, und nun geht’s an’s Auspacken. So eine Julklappe ist ein seltsam’ Ding. Die erste Umhüllung trägt etwa die Aufschrift: „Der ehrsamen Hausfrau!“ und ein schelmischer Vers darunter macht den häuslichen Tugenden der edeln Dame ein Compliment. Sie öffnet – aber ach! sie ist betrogen; denn auf dem zweiten Papierumschlage liest sie die Adresse des würdigen Herrn Gemahls, der nun das Packet empfängt und neben seinem Namen eine humoristische Verherrlichung seines lieben Ich oder auch eine grausame Satire auf seine besten Eigenschaften entdeckt, je nach Laune und Beziehung des Absenders. „Wird Papa das Geschenk bekommen?“ – „Nein, mein Junge, es ist für Dich.“ Und der Herr Sohn hat nun die dritte Umhüllung zu öffnen – aber auch der ist düpirt. Und so wandert die Julklappe von Hand zu Hand, bis endlich die liebliche Tochter oder an wen sonst die letzte Adresse gerichtet war, das Geschenk in Händen hält, einen Ring oder eine goldene Uhr, oder auch nur ein Buch oder ein Kleidungsstück, kostbar oder werthlos – es ist eben Weihnachten, und wie die Herzen weit oder eng, die Cassen voll oder leer sind, so fallen auch die Festesgaben prächtig oder schlicht aus.

Und während man sich noch den Kopf darüber zerbricht, wer der freundliche Geber sein mag, während man noch auf den abgerissenen Papierumhüllungen an Handschrift und Siegel criminalistische Studien macht, werden schon vom Flur herein neue und immer neue Julklappen gebracht – denn von allen Enden der Stadt kommen die Geschenke in’s Haus geflogen –, und wie das Papier am Fußboden sich mehrt, so steigern sich Jubel und Lust, bis die Lichter am Tannenbaume herunter gebrannt sind und die Glocke zum Imbiß ruft. „Kommt, Kinder! Die Karpfen werden kalt,“ ruft die Frau Mama, und die Freude des Mahls beschließt den Abend. – –

Julklappenscherz, uralte lustige Erfindung des skandinavischen Nordens, wem du je in der Kinderzeit das junge Gemüth erfüllt und die leichtbewegliche Phantasie erregt hast, ob es nun im Pommerlande war, in Mecklenburg oder weiter hinauf an der buchenbewaldeten Küste der Ostsee, nie und nimmer vergißt er dich, freundliche Urvätersitte voll Humor und Schelmerei.