„Die Lehrerin kommt!“
[20] „Die Lehrerin kommt!“ (Mit Illustration S. 4 und 5.) Die Statistik behauptet, daß Mädchenlehrer und Lehrerinnen zu den langlebigsten Menschen zählen. Hingegen versichern eben diese höchst ehrenwerthen Pädagogen und Pädagoginnen, daß ärgerlichere und ränkevollere Plagegeister, als heranreifende Schülerinnen, nicht zu erdenken seien. Das läßt sich schwer zusammenreimen! Entweder enthält der Stachel jener jugendlichen Teufeleien und Schelmenstreiche kein sonderlich wirksames Gift oder es ist irgend ein Gegengift dabei im Spiele. Letzteres ist meine Meinung, und das reizende Spitzer’sche Bild ist wie beschaffen, um sie begründen zu helfen. So gewinne es doch einmal irgend ein Sauertopf über sich, angesichts des Zwischenstundenunfugs dieser übermüthigen Backfischchen sich pädagogisch zu entrüsten! Pädagogisch vielleicht, aber sicher nicht persönlich. Es sind Mädchen, welche da tollen – das ist das ganze Geheimniß. Ja – alle die tausend Reize, mit denen die aufgeblühte Weiblichkeit bestrickt und entwaffnet: jenes geheime Spiel der Grazie, jener fesselnde weiche Rhythmus der Form und der Bewegung – ist das Alles mit siebzehn Jahren plötzlich da wie vom Himmel geschneit? Wird das nicht groß mit dem Kinde? Es sind Mädchen – hinter diesen Tollheiten und kleinen Bosheiten, diesen Aeußerungen übermüthigen Lebensdranges steht nicht die kampflustige Kraft des Knaben, welche herausfordert, sondern jene Alles zwingende Macht, die mit lachendem Munde und strahlenden Augen einen Herkules an den Spinnrocken brachte; und jene Klasse, welche Spitzer zum Modell gedient, ist sicherlich danach angethan, selbst eine Lehrerin, wie sie im Portrait auf der Wandtafel skizzirt ist, gegen Bosheiten und Pflichtwidrigkeiten zu entwaffnen. Diese würdige Dame! Es hat etwas Beruhigendes, an der Spitze einer so bezaubernden Klasse sie, und nicht etwa einen jungen Probekandidaten zu wissen, der noch ein nicht vergebenes Herz hat.