Textdaten
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Autor: Dante Alighieri
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Titel: Über die Monarchie (1. Buch)
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aus: Die unbekannten Meister – Dantes Werke, S. 190–211
Herausgeber: Albert Ritter
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Entstehungsdatum: ca. 1308–1312
Erscheinungsdatum: 1922
Verlag: Gustav Grosser
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer: August Wilhelm von Schlegel
Originaltitel: Monarchia
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Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Das erste Buch über die Monarchie
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Über die Monarchie

Alle Menschen, denen eine höhere Natur die Liebe zur Wahrheit einprägte, lassen es sich wohl hauptsächlich angelegen sein, wie sie durch die Bemühung der Altvordern bereichert worden, so auch ihrerseits für die Nachkommen sich zu bemühen, damit die Nachwelt durch sie Bereicherung erlange. Wer trotz öffentlicher Mahnungen zum Gemeinwohle nicht beitragen mag, sei sich bewußt, daß er seinen Pflichten fern ist; denn er ist kein Holz, das längs dem Lauf der Gewässer zu seiner Zeit Frucht bringt, sondern vielmehr ein verderblicher Strudel, immer einschlürfend und nie das Eingeschlürfte zurückströmend. Da ich dies oft und aufs neue bedenke, scheue ich den Vorwurf, mein Pfund vergraben zu haben, für das allgemeine Wohl nicht nur anzuschwellen, sondern vielmehr Frucht zu tragen, und von andern unberührte Wahrheiten ans Licht zu bringen. Denn welchen Nutzen stiftete doch, wer einen Satz des Euklides aufs neue bewiese, wer die von Aristoteles dargestellte Glückseligkeit wiederum darzustellen unternehme, wer das von Cicero verteidigte Alter noch einmal zu verteidigen sich zur Aufgabe machte? Gewiß keinen, vielmehr würde ein so langweiliges überflüssiges Beginnen Ekel verursachen. Und da unter anderen verborgenen nutzbringenden Wahrheiten die Kenntnis der weltlichen Monarchie höchst nützlich ist und sehr versteckt, und weil sie als etwas nicht unmittelbar Gewinnbringendes von allen unberührt geblieben ist, habe ich es mir vorgenommen, sie aus ihrem Versteck hervorzuholen, teils um auf eine ersprießliche Weise für die Welt wachsam zu sein, teils um die Palme eines solchen Wagestücks zu meinem Ruhm zuerst mir zu erwerben. Hehr und meine Kräfte übersteigend ist das Werk, das ich in Angriff [191] nehme, bei dem ich nicht sowohl auf meine eigenen Kräfte vertraue als auf das Licht jenes Spenders, der allen reichlich gibt und nicht Vorwürfe macht.


Zuerst also ist zu betrachten, was man die weltliche Monarchie heiße, der Gestalt nach, um so zu sagen, und der Absicht nach. So ist denn die weltliche Monarchie, welche man das Kaisertum nennt, eine einzige Obrigkeit, und zwar über alle in der Zeit, oder sowohl in dem als über das, was zeitlich gemessen wird. Vornehmlich aber kommen hierbei drei Zweifel in Frage. Denn zuerst wird gezweifelt und gefragt, ob sie zum Heil der Welt notwendig sei; zweitens, ob das römische Volk sich mit Recht das Amt des Alleinherrschers angeeignet habe; und drittens, ob das Ansehn des Monarchen abhange von Gott unmittelbar oder von einem andern als Diener und Statthalter Gottes. Aber weil alle Wahrheit, welche nicht ein Urgrund ist, aus der Wahrheit eines Urgrundes erhellt, muß man bei jedweder Untersuchung Kenntnis haben von dem Urgrunde, worauf die Entwicklung zurückkehrt, für die Vergewisserung aller Sätze, welche weiterhin angenommen werden. Und weil die gegenwärtige Abhandlung vor allem den Urgrund betrifft, so ist zu untersuchen, wie es scheint, kraft wessen die Folgesätze Bestand haben. Man muß demnach wissen, daß es einiges gibt, was unsrer Macht gar nicht unterworfen ist, was wir nur durchforschen, nicht aber schaffen können, als da sind die Größenlehre, die Naturlehre und das Göttliche. Einiges aber gibt es, was wir, weil unsrer Macht unterworfen, nicht allein durchforschen, sondern auch hervorbringen können, und hierbei wird das Hervorbringen nicht wegen der Forschung, sondern diese wegen jener vorgenommen, insofern sie bei einem solchen Hervorbringen der Zweck ist. Wenn also der gegenwärtige Stoff staatlich, ja die Quelle und der Urgrund des richtigen Staatswesens ist, und alles Staatliche unserer Macht unterliegt, so ist offenbar, daß der gegenwärtige Stoff nicht nach der Forschung als dem ersteren, sondern nach dem Hervorbringen sich ordnet. Wiederum, [192] wenn in dem Hervorbringlichen der Urgrund und die Ursache von allem der letzte Zweck ist (denn von ihnen geht die Wirkung aus), so folgt, daß jeder Grund derjenigen Dinge, die einen Zweck haben, von dem Zwecke selbst hergenommen wird. Denn anders ist der Grund beim Holzfällen, wenn man ein Haus, als wenn man ein Schiff zu bauen hat. Wenn es also etwas gibt, das als Zweck des menschlichen Bürgertums nützt, so wird dies der Urgrund sein, woraus alles weiterhin zu Beweisende klärlich erhellen wird. Daß es aber einen Zweck für dieses und jenes Bürgertum, und daß es nicht einen einigen Zweck für alle gebe, dies anzunehmen, ist töricht.

Beata Beatrix von Dante Gabriel Rossetti, Seite 192

Nun ist aber zu betrachten, was der Zweck der ganzen menschlichen Bürgerschaft sei; nach dieser Erörterung wird mehr als die halbe Arbeit getan sein, dem Philosophen zufolge in seiner Schrift an den Nikomachus. Und zur Beweisführung des aufgestellten Satzes muß man folgendes betrachten: Gleichwie es einen Zweck gibt, um dessentwegen die Natur einen Daumen hervorbringt; und einen ganz anderen, weshalb sie die ganze Hand – wiederum einen von beiden verschiedenen, weshalb sie einen Arm – und einen von allen verschiedenen, weshalb sie einen ganzen Menschen schafft; so sind auch die Zwecke verschieden, für die sie einen einzelnen Menschen, ein Hauswesen, eine Gemeinde, ein Bürgertum, ein Reich anordnet. Und endlich gibt’s einen edelsten Zweck, wonach der ewige Gott auf ersprießliche Weise das menschliche Geschlecht durch seine Kunst (d. i. die Natur) ins Leben hervorruft. Und hier kommt es auf einen leitenden Urgrund der Untersuchung an. Demzufolge muß man erstlich wissen, daß Gott und die Natur nichts Müßiges schaffen; was zum Dasein kommt, das ist zu einer Wirksamkeit da. Denn keineswegs ist das erschaffene Wesen der letzte beabsichtigte Zweck des Schöpfers als solchen, sondern die besondere Wirksamkeit des Wesens. Wahr ist es, daß die besondere Wirksamkeit nicht des Wesens wegen, sondern dieses wegen jener sein Dasein hat. Es gibt also eine besondere Wirksamkeit der menschlichen [193] Gesamtheit, wonach die Gesamtheit der Menschen selbst mit Rücksicht auf ihre so große Menge geordnet wird. Zu dieser Wirksamkeit kann weder ein einzelner Mensch, noch ein einzelnes Haus, noch Gemeinde, noch Bürgerschaft, noch ein besonderes Reich gelangen. Wie aber jene Wirksamkeit sei, wird deutlich, wenn das Ziel der Macht der ganzen Menschheit sichtbar wird. Ich sage also, daß keine Kraft, woran mehrere der Art nach verschiedene teilnehmen, das Ziel der Macht ist für irgendeinen von jenen. Denn wenn das, was als solches das Ziel ist, bestimmend wäre für die Gattungsart, so würde folgen, daß ein Wesen sich in mehreren Gattungsarten artete, was unmöglich ist. Es ist also nicht eine das Ziel betreffende Kraft im Menschen – das Sein selbst einfach genommen, weil auch so genommen die Grundstoffe daran teilnehmen, noch auch das Sein als zusammengesetzt genommen wie bei den Tieren, noch auch als belebt wie bei den Pflanzen, noch als wahrnehmbar, weil daran auch das Leblose teilnimmt, sondern als ein an seinem geistigen Vermögen Wahrnehmbares, was keinen andern ober- oder unterhalb der Menschen stehenden Wesen zukommt. Denn wenn es gleich andre Wesen gibt, die auch Verstand haben, so ist ihr Verstand doch nicht ein Vermögen wie bei den Menschen, weil solche eine Art Verstandeswesen sind und nichts anderes, und ihr Wesen nichts anderes ist als die Verstandeseinsicht; das, sagt man, sind sie, weil sie ohne Einschub auf andere Weise nicht ewig wären. Hieraus erhellt: das Endziel der Macht oder des Vermögens der Menschheit selbst ist das Vermögen oder Können des Verstandes. Und weil dies Vermögen durch einen einzelnen Menschen oder durch irgendeine der oben unterschiedenen Gemeinschaften nicht ganz zugleich in Handlung gesetzt werden kann, so muß notwendig durch die Vielheit in dem menschlichen Geschlechte das ganze Vermögen tätig gemacht werden, wie denn auch die Vielheit der erschaffbaren Dinge als ganzes Vermögen des ersten Stoffes immer tätig sein muß, sonst gäb’ es ein getrenntes Vermögen, was unmöglich ist. Mit diesem [194] Satze stimmt Averroes überein in seiner Abhandlung über die Seele; auch bezieht sich das Verstandesvermögen, wovon ich rede, nicht bloß auf die allgemeinen Formen oder Arten, sondern durch eine gewisse Erweiterung auch auf die besonderen. Weshalb gesagt zu werden pflegt, daß der forschende Verstand durch die Erweiterung werktätig wird, wobei der Zweck das Tun und Machen ist, was ich beziehe auf das zu Tuende (das durch die Staatsklugheit) und auf das zu Machende (das durch die Kunst geregelt wird). Das alles geht der Forschung an die Hand als dem Besten, wozu die erste Güte das Menschengeschlecht zum Dasein hervorrief. Hieraus ist hinsichtlich des Staates klar, daß die Verstandesstarken vor den andern von Natur den Vorrang haben.


Sattsam ist also erklärt, daß die eigentümliche Tätigkeit des menschlichen Geschlechtes als eines Ganzen darin besteht, immer das ganze Vermögen des Geistes in Tätigkeit zu setzen, zuerst zum Forschen und dann, wenn es sich auswirken kann, zum Handeln. Und weil sich das Ganze wie das Einzelne verhält und es für den einzelnen Menschen zutrifft, daß er sitzend und ruhend an Klugheit und Weisheit zunimmt, so erhellt, daß die Menschheit in der Ruhe und Stille des Friedens für ihr eigentümliches Werk – das fast göttlich ist (laut des Ausspruches: Du hast ihn nur Weniges den Engeln nachgestellt) – die meiste Freiheit und Leichtigkeit hat. Daher ist es offenbar, daß ein allgemeiner Frieden am zuträglichsten ist für das, was zu unsrem Wohlergehen angeordnet ist, also, wie es den Hirten aus der Höhe erscholl, nicht Reichtümer, nicht Wohllüste, nicht Ehren, nicht langes Leben, nicht Gesundheit, nicht Stärke, nicht Schönheit, sondern Friede. Denn die himmlische Heerschar singt: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die das Gute wollen.“ Daher war auch des Heilandes Gruß: „Friede sei mit euch!“ Denn es ziemte dem höchsten Heiland mit dem höchsten Gruße zu grüßen, eine Sitte, die seine Jünger und Paulus in ihren Begrüßungen beibehalten wollten, wie allen bekannt sein wird. Aus [195] dem Erklärten also erhellt, wodurch das menschliche Geschlecht auf eine bessere, ja auf die beste Weise sein ihm gemäßes Geschäft unternimmt. Und demnächst hat sich das beste Mittel gezeigt, wodurch man zu dem gelangt, wonach, gleichwie für den letzten Zweck, all unser Tun sich richtet: denn das ist der allgemeine Friede, der für den Urgrund der folgenden Gründe gelten kann – wie vorher gesagt ist, das Notwendigste, oder das vorgesteckte Zeichen, auf das sich alles zu Beweisende wie auf die sonnenklarste Wahrheit bezieht.


Um nun auf das, was zu Anfang gesagt wurde, zurückzukommen: drei Dinge werden hauptsächlich bezweifelt und kommen hinsichtlich der weltlichen Alleinherrschaft in Frage, die jetzt insgemein Kaiserherrschaft genannt wird; und es war, wie zuvor gesagt ist, mein Vorhaben, nach bezeichnetem Urgrund die Untersuchung in schon erwähnter Ordnung anzustellen. So sei denn die erste Betrachtung: Ob die weltliche Alleinherrschaft zum Heil der Welt notwendig sei. Dies kann aber, ohne daß Vernunft oder Ansehn gewaltsam dagegen aufträte, durch die stärksten und deutlichsten Beweise dargetan werden, deren erster unter dem Schirme des Philosophen aus seiner Schrift über die Stadt hergenommen werden soll. Denn sein ehrwürdiger Mund behauptet dort: wenn gewisse mehrere Dinge sich nach einem richten, müßte dies eine regieren oder herrschen, die andern aber müßten regiert oder beherrscht werden. Dies macht jedoch nicht bloß der berühmte Name des Urhebers glaublich, sondern auch die leitende Vernunft. Denn wenn wir den einzelnen Menschen betrachten, so werden wir sehen, daß dies bei ihm zutreffe; denn da alle seine Kräfte nach dem glücklichen Zustande hinstreben, die Verstandeskraft selbst aber die Ordnerin und Regiererin aller übrigen ist, so kann er auf andre Weise zum Glücke nicht gelangen. Wenn wir ein einziges Hauswesen betrachten, dessen Zweck es ist, die Hausgenossen zur richtigen Lebensweise anzuleiten, so muß einer da sein, der sie leite und regiere, den man den Hausvater nennt, oder dessen Stellvertreter – nach [196] dem Ausspruch des Philosophen: Jedes Haus wird von dem Ältesten regiert. Und dessen Pflicht ist es, wie Homer sagt, alle zu leiten und den andern Gesetze aufzulegen. Daher sprichwörtlich jener Fluch: Finde deinesgleichen im Hause! Wenn wir eine einzelne Gemeinde betrachten, deren Zweck die angemessene Hilfsleistung sowohl hinsichtlich der Personen als der Sachen ist, so muß einer der Ordner sein, sei er von einem andern gegeben oder rage er aus ihnen selbst hervor mit Beistimmung der übrigen; anders gelangt man nicht zu jenem wechselseitigen Genügen, sondern sobald etwa mehrere hervorragen wollen, geht die ganze Gemeinde unter. Betrifft es aber eine einzelne Bürgerschaft, deren Zweck es ist, sich in einem glücklichen und genügenden Zustande zu befinden, so muß dies ein einziges Reich sein. Und das findet statt nicht bloß in einem richtigen, sondern auch in einem verschobenen Staatswesen; im entgegengesetzten Falle wird nicht bloß der Zweck des bürgerlichen Lebens nicht erreicht, sondern die Bürgerschaft hört auch auf zu sein, was sie war. Anlangend endlich ein besonderes Reich, dessen Zweck derselbe wie der einer Bürgerschaft ist, so muß mit größerem Vertrauen auf Ruhe ein König sein, der regiere und walte; auf andre Weise erreichen nicht nur die im Reiche Lebenden den Zweck nicht, sondern das Reich geht auch jener unfehlbaren Wahrheit gemäß seinem Verderben zu. Jedes in sich selbst geteilte Reich verödet. Wenn also das, was nach einem geordnet wird, sich so im einzelnen verhält, so ist das Obenangenommene wahr. Nun ist bekannt, daß die ganze Menschheit sich nach einem ordnet, wie schon zuvor gezeigt ist. Eines muß also das Regierende und Leitende sein, und dies muß den Namen des Alleinherrschers oder Kaisers führen. Und so erhellt, daß Monarchie oder Kaisertum zum Heil der Welt notwendig sei.


Wie sich der Teil zum Ganzen verhält, so die teilweise Ordnung zur ganzen. Der Teil verhält sich zum Ganzen, wie zum Zweck und zum Besten: Also auch die Ordnung in einem Teile zur Ordnung im Ganzen, wie zum Zwecke und zum Besten. [197] Hieraus ergibt sich, daß die Güte der teilweisen Ordnung die Güte der ganzen Ordnung nicht übertrifft, sondern vielmehr umgekehrt. Wenn sich also eine doppelte Ordnung in Dingen findet, nämlich eine Ordnung der Teile unter sich und eine Ordnung der Teile mit Bezug auf ein gewisses Eins, das nicht ein Teil ist, z. B. die Ordnung der Teile eines Heeres unter sich und ihre auf den Führer bezügliche Ordnung, so ist die auf das Eine bezügliche Ordnung der Dinge als Zweckes der andern Ordnung besser, denn sie ist wegen dieses Zweckes anders, nicht umgekehrt. Wenn daher eine Form dieser Ordnung in den Teilen der menschlichen Vielheit gefunden wird, so läßt sich weit mehr sagen, daß sie in der Vielheit selbst oder in der Ganzheit gefunden wird kraft des vorangeschickten Schlusses, da diese Ordnung besser oder die Form der Ordnung ist. Sie findet sich aber in allen Teilen der menschlichen Vielheit, wie aus dem Vorhergesagten deutlich ist; also muß sie sich auch in der Ganzheit finden. Und so müssen alle unterhalb der Reiche zuvor bemerkten Teile und die Reiche selbst sich nach einem Oberregierer oder Regierung ordnen, d. h. nach einem Monarchen oder einer Monarchie. Ferner: Die menschliche Gesamtheit ist ein Ganzes hinsichtlich gewisser Teile und ein Teil hinsichtlich eines gewissen Ganzen; denn sie ist ein gewisses Ganzes hinsichtlich besonderer Reiche und Völker, wie das Vorige besagt, und sie ist ein gewisser Teil hinsichtlich des allgemeinen Ganzen, was für sich klar ist. So wie nun das Niedere der menschlichen Allgemeinheit ihr wohl entspricht, so läßt sich von ihr sagen, daß sie ihrem Ganzen wohl entspricht. Ihre Teile entsprechen ihr wohl und gut nach einem Urgrund nur, wie aus dem Vorigen leicht entnommen werden kann; also entspricht auch sie selbst einfacherweise wohl und gut dem Urgrunde selbst und dem Allgemeinen oder dem Herrscher, welcher Gott und Allherrscher ist, nach nur einem Urgrund, nämlich dem einzigen Oberherrn: Hieraus folgt, daß die Alleinherrschaft nötig sei zum Heile der Welt.


Und alles das verhält sich wohl und aufs beste, was sich [198] verhält nach der Absicht des ersten Wirkenden, welcher Gott ist. Und dies wird an sich anerkannt, ausgenommen von denen, die da leugnen, daß die göttliche Güte die höchste Vollkommenheit erreiche. Nach der Absicht Gottes soll aber alles Erschaffene sich als gottähnlich darstellen, soweit dies seiner Natur nach geschehen kann. Deswegen heißt es: Laßt uns einen Menschen machen, ein Bild, das uns ähnlich sei. Wenn nun gleich der Ausdruck Bild nicht auf die dem Range nach unter dem Menschen stehenden Dinge angewandt werden kann, so läßt sich doch die Ähnlichkeit von jedem Dinge behaupten, da das ganze All nichts anders ist als ein Abdruck der göttlichen Güte. Demnach befindet sich das menschliche Geschlecht wohl und am besten, wenn es sich, so viel möglich, Gott ähnlich macht. Dies geschieht aber, wenn es möglichst eins ist. Denn wahr ist das Verhältnis des einen im Ganzen, weshalb es heißt: Höre Israel, der Herr, dein Gott, ist ein einiger Gott. Aber die Menschheit ist dann am meisten eins, wenn das Ganze in eins sich vereinigt, was nur dann stattfinden kann, wenn es sich einem Fürsten gänzlich unterwirft, wie sich von selbst versteht. Also macht sich die Menschheit auf diese Art Gott am meisten ähnlich und verhält sich am meisten nach seiner Absicht, das heißt, gut und am besten: wie im Anfange dieses Abschnittes dargetan ist.


Desgleichen verhält sich jeder Sohn wohl und am besten, wenn er der Spur des vollkommenen Vaters, soweit es seine eigene Natur erlaubt, nachfolgt. Das Menschengeschlecht ist des Himmels Sohn, der in allen seinen Werken höchst vollkommen ist. Denn der Mensch und die Sonne zeugen den Menschen, laut des zweiten Buches über den natürlichen Vortrag. Also befindet sich die Menschheit am besten, wenn sie den Spuren des Himmels, soweit es ihre eigentümliche Natur erlaubt, nachfolgt. Und wenn der ganze Himmel durch eine einzige Bewegung – der ersten Bewegkraft – und durch den einzigen Beweger – Gott – geleitet wird in allen seinen Teilen, Bewegungen und Bewegern (wie die menschliche [199] Vernunft durch philosophische Betrachtung aufs deutlichste erfährt), so befindet sich, im Fall die Schlußfolge richtig ist, die Menschheit dann am besten, wenn sie von einem einzigen Fürsten gleichwie von einem einzigen Beweger und Gesetze, gleichwie von einer einzigen Bewegung in seinen Bewegern und Bewegungen geleitet wird. Hieraus erhellt, daß zum Wohl der Welt die Monarchie oder eine einzige Herrschaft, die Kaisertum heißt, notwendig sei. Dieser Gedanke liegt in dem Seufzer des Boëthius:


 O glückseligen Menschen ihr,
Wenn sie, welche die Himmel lenkt,
Lieb’, auch eure Gemüter lenkt.


Und wo immer ein Rechtshandel sein kann, da muß auch ein Gerichtsspruch sein: sonst gäbe es etwas Unvollkommnes ohne das ihm eigentümliche Vollkommne; was unmöglich ist, da Gott und Natur bei dem Notwendigen es nicht fehlen lassen. Unter allen zwei Fürsten, von denen der eine dem andern keineswegs untertan ist, kann ein Rechtshandel entstehn, sei es durch ihre eigene oder der Untertanen Schuld, was an sich klar ist. Dergleichen bedürfen des Gerichtsspruches, und da der eine über den andern nicht erkennen kann, weil der eine dem andern nicht untertan ist (denn Gleich und Gleich haben keine Gewalt übereinander), so muß etwas Drittes von höherer Gerichtsbarkeit da sein, das durch den Umfang seines Rechtes vor beiden den Vorzug hat. Und dies wird der Monarch sein, oder nicht. Ist er es, so haben wir, was wir wollen; ist er es nicht, so muß er abermals seinesgleichen haben außerhalb des Umfanges seiner Gerichtsbarkeit. Dann wird abermals ein andrer Dritter nötig sein; und so wird es entweder ins Unendliche fortgehn (was aber nicht möglich ist), oder wir werden zu dem ersten und höchsten Richter gelangen, durch dessen Urteil alle Händel, mittelbar oder unmittelbar, geschlichtet werden; und dies wird der Monarch oder der Kaiser sein. Die Monarchie ist also ein Bedürfnis der Welt. Und dies war [200] die Ansicht des Philosophen, wenn er sagt: Was da ist, will nicht übel bestellt sein; übel aber ist die Mehrheit der Herrschaften: Einer also ist der Herrscher.


Überdies ist die Welt am besten bestellt, wenn die Gerechtigkeit in ihr am mächtigsten ist; weshalb Virgil, als er das Jahrhundert rühmen wollte, das zu seiner Zeit anzubrechen schien, in seinen Hirtengedichten sang: „Selber die Jungfrau kehrt und es kehrt die saturnische Herrschaft.“


Denn unter der Jungfrau verstand man die Gerechtigkeit, die man auch Asträa nannte, und unter saturnischer Herrschaft die schönste Zeit, die man auch die goldene hieß. Die Gerechtigkeit hat nur unter einem Monarchen höchste Gewalt. Damit die Welt wohl bestellt sei, bedarf es also der Monarchie oder des Kaisertums. Zur vollen Beweisführung des zu Hilfe genommenen Satzes muß man wissen, daß die Gerechtigkeit, an sich und ihrer eigenen Natur betrachtet, eine gewisse Gradheit oder Regel ist, die das Schräge von beiden Seiten vermeidet und mit dem zu Vielen oder zu Wenigen unvereinbar ist, wie die weiße Farbe – ihrem Begriffe nach betrachtet. Denn es gibt gewisse Formen dieser Art, welche die Vereinigung betreffen und aus etwas Einfachem und Unveränderlichem bestehen, wie der Lehrmeister der sechs Urgründe mit Recht sagt. Dennoch nehmen sie mehr oder weniger von dieser Beschaffenheit auf von einem Teile der Gegenstände, mit welchen sie zusammengebracht werden, je nachdem mehr oder weniger in den Gegenständen vom Gegenteil sich beimischt. Wo nun am wenigsten vom Gegenteil der Gerechtigkeit sich beimischt (sowohl rücksichtlich des Zustandes als der Wirkung), da ist die Gerechtigkeit am mächtigsten. Und in Wahrheit kann sodann von ihr gesagt werden, wie der Philosoph sagt: weder Hesperus noch Lucifer ist so bewundernswürdig; sie ist nämlich dann der Phöbe ähnlich, wenn sie ihren Bruder auf dem Durchmesser anschaut, wegen der Purpurfarbe in der heiteren Morgenzeit. Was nun den Zustand betrifft, so hat die Gerechtigkeit bisweilen Widerstand am Wollen; denn [201] wenn der Wille nicht von aller Begierde lauter ist, so wohnt die Gerechtigkeit, wenn sie gleich da ist, nicht im Glanz ihrer Reinheit; denn sie hat einen Gegenstand, der ihr, wenn auch noch so wenig, doch einigermaßen widersteht. Deswegen werden diejenigen wohl zurückgewiesen, die willens sind, den Richter zu ereifern. Was aber die Wirksamkeit betrifft, so hat die Gerechtigkeit einen Widerstand am Können; denn wenn die Gerechtigkeit eine auf einen andern bezügliche Tatkraft oder das Vermögen ist, jedem das Seine zukommen zu lassen, wie wird da jemand gemäß jener wirksam sein? Hieraus ergibt sich: je mächtiger der Gerechte, um so umfassender wird seine Gerechtigkeit bei der Ausübung sein. Dieser Erklärung zufolge möge man so schließen: die Gerechtigkeit ist am mächtigsten in der Welt, wenn sie dem willfährigsten und mächtigsten Gegenstande innewohnt; von der Art ist allein der Monarch, also ist die dem Monarchen allein innewohnende Gerechtigkeit die mächtigste. Dieser Vorschluß geht nach der zweiten Figur mit innerer Verneinung, etwa so: Jedes b ist a, c allein ist a, also ist c allein b. Das heißt: Jedes b ist a, nichts als c ist a, also nichts als c ist b usw. Der Vordersatz erhellt aus der vorhergehenden Erklärung. Der zweite erweist sich folgendermaßen, und zwar zuerst hinsichtlich des Wollens, sodann hinsichtlich des Könnens. Zur Beweisführung des ersten ist zu bemerken, daß der Gerechtigkeit am meisten die Begierde entgegen ist, laut Aristoteles im fünften Buch an den Nikomachus: Nach Wegräumung der Begierde steht der Gerechtigkeit weiter gar nichts entgegen; daher die Meinung des Philosophen ist, daß alles, was durch das Gesetz bestimmt werden kann, keineswegs dem Richter überlassen werde. Und dies muß aus Besorgnis vor der Begierde geschehen, welche die menschlichen Gemüter leicht von der Bahn abführt. Wo also kein Wunsch möglich ist, da kann auch keine Begierde sein; denn nach Wegräumung der Gegenstände müssen auch die Leidenschaften weichen. Aber für den Monarchen gibt es nichts zu wünschen: denn seine Gerichtsbarkeit beschränkt der Ozean allein; was [202] sich nicht von den andern Herrschaften sagen läßt, deren Herrschaft von anderen begrenzt wird, z. B. die des Königs von Kastilien von der des Königs von Aragonien. Hieraus folgt, daß der Monarch unter den Sterblichen am lautersten Gerechtigkeit üben kann. Ferner, gleichwie die Begierde die zuständliche Gerechtigkeit einigermaßen, wenn auch noch so wenig bewölkt, so wird sie durch die Liebe oder die richtige Wertachtung geschärft und erhellt. Wo also die richtige Wertachtung wohnen kann, da kann auch die Gerechtigkeit ihren vorzüglichsten Aufenthalt nehmen: von dieser Art ist der Monarch; also, wo er sich findet, da ist die Gerechtigkeit am mächtigsten, oder kann es doch sein. Daß aber die rechte Wertschätzung das Erwähnte tut, läßt sich hieraus ersehen. Die Begierde nämlich setzt die menschliche Gesellschaft hintenan und strebt nach anderem, die Liebe aber sucht – mit Verachtung alles andern – Gott und den Menschen, und folglich das Wohl des Menschen. Und da unter andern Gütern des Menschen es das wichtigste ist, in Frieden zu leben (wie oben gesagt wurde), und die Gerechtigkeit dies am meisten und am stärksten bewirkt, so wird die Gerechtigkeit am meisten durch die Liebe gekräftigt werden und um so stärker, je stärker sie ist. Und daß dem Monarchen von den Menschen am meisten die rechte Wertschätzung innewohnen muß, ergibt sich folgendermaßen: Alles Wertzuschätzende wird um so mehr geschätzt, je näher es dem Schätzenden ist, aber die Menschen sind dem Monarchen näher als den andern Herrschern: also werden sie von ihm am meisten geschätzt oder müssen es. Das erste ist offenbar, wenn man die Natur des Leidenden und des Tätigen in Betrachtung zieht. Das zweite ist an sich klar, weil den übrigen Herrschern die Menschen nur zum Teil sich nähern, dem Monarchen aber insgesamt; und wiederum nähern sie sich den übrigen Herrschern durch den Monarchen und nicht im Gegenteil; und so wohnt dem ersteren zufolge und unmittelbar dem Monarchen die Sorge für alle inne, den übrigen Herrschern aber durch den Monarchen deswegen, weil deren [203] Sorge von jenen höchsten Sorgen abwärtssteigt. Zudem, je nützlicher eine Ursache ist, desto mehr hat sie die Beschaffenheit der Ursache, weil die niedere Ursache nur vermöge der höheren Ursache wirklich Ursache ist, wie aus der Betrachtung der Ursachen hervorgeht. Und je mehr die Ursache wirklich Ursache ist, desto mehr schätzt sie den Erfolg, da eine solche Schätzung auf die Ursache von selbst folgt. Wenn also der Monarch unter den Sterblichen die nützlichste Ursache ist, damit die Menschen sich wohl befinden (weil die übrigen Herrscher es, wie gesagt, erst durch ihn sind), so folgt auch, daß das Wohl der Menschen von ihm am meisten geschätzt wird. Daß aber der Alleinherrscher am mächtigsten ist in der Rechtspflege – wer bezweifelt das, außer, wer dies Wort nicht versteht? – da er als Monarch keine Feinde haben kann. Der Haupthilfssatz ist also hinreichend deutlich, weil der Schluß zuverlässig ist, nämlich, daß zur besten Verwaltung der Welt die Monarchie notwendig ist.


Und das menschliche Geschlecht findet sein Glück zumal in der Freiheit. Dies wird durch den Urgrund der Freiheit klar werden. Man muß nämlich wissen, daß der Quell und Grund unsrer Freiheit in der Wahlfreiheit besteht, welche viele im Munde, wenige aber im Verständnis haben; denn sie gelangen wohl so weit, daß sie sagen, die Wahlfreiheit sei das freie Urteil des Willens; und sie sprechen richtig, aber sie verstehen nicht, was in dem Ausdrucke liegt, wie es einige Denklehrer tagelang mit einigen Sätzen machen, die sie als Beispiel ihrem Vortrag einmischen, wie etwa, daß ein Dreieck drei Winkel hat, die zweien rechten gleich sind. Ich meine nämlich: Urteil steht in der Mitte zwischen Auffassung und Begehrung. Denn zuerst wird eine Sache aufgefaßt, dann bestimmt das Urteil, ob sie gut oder schlecht ist, und endlich strebt der Urteilende nach ihr hin oder von ihr weg. Wenn also das Urteil durchaus der Begehrung vorangeht und nicht umgekehrt, so ist es frei. Wenn aber die Begehrung dem Urteil zuvorkommt und es in Bewegung setzt, so ist es nicht frei, weil es nicht von sich selbst, sondern von einem andern gefesselt und gezogen wird. Und [204] so können die unvernünftigen Geschöpfe kein freies Urteil haben, weil ihrem Urteil stets die Begehrung zuvorkommt. Daher darf man auch schließen, daß die geistigen Wesen, deren Wille unveränderlich ist – sowie die abgeschiedenen vom Körper getrennten Seelen – wegen der Unveränderlichkeit ihres Willens die Wahlfreiheit nicht verlieren, sondern sie behalten sie im höchsten und vollkommensten Grade. Diese Einsicht aber überzeugt uns ferner, daß diese Freiheit oder dieser Urquell unsrer ganzen Freiheit das größte der menschlichen Natur von Gott verliehene Geschenk ist, weil wir dadurch hier als Menschen und dort als Götter beglückt werden. Wenn sich dies nun so verhält – wer wird dann das menschliche Geschlecht nicht glücklich preisen, weil es vorzugsweise aus diesem Urquell schöpfen kann? Aber unter dem Alleinherrscher stehend ist es am freiesten. Hierbei ist zu bemerken, daß dasjenige recht eigentlich frei ist, was seinetwegen und nicht eines andern wegen da ist, wie der Philosoph in seiner Schrift über das an sich Seiende lehrt. Denn was eines andern wegen da ist, das wird bestimmt von diesem andern, wie ein Weg von seinem Ziel bestimmt wird. Das menschliche Geschlecht ist einzig unter einem Monarchen seiner selbst wegen und nicht eines andern wegen da. Denn darum allein werden Staaten falsch verwaltet, ich meine die Demokratien, Oligarchien und Tyranneien, weil sie die Menschen zu Sklaven machen, wie ein allgemeiner Überblick lehrt; und rechte Staatsverwalter sind die Könige, die Aristokraten, die man Optimaten nennt, und die Verfechter der Volksfreiheit. Denn da der Monarch die Menschen am meisten liebt, wie schon berührt, so will er, daß alle Menschen gut werden, was unter einer schlechten Staatseinrichtung nicht möglich ist; daher der Philosoph in seiner Staatslehre sagt, daß in einem schlechten Staate der gute Mensch ein schlechter Bürger ist, in einem guten aber der gute Mensch auch ein guter Bürger. Und dergleichen richtige Staatsverfassungen beabsichtigen die Freiheit, das heißt, daß die Menschen ihrer selbst wegen da sind. Denn die Bürger sind [205] nicht wegen der Konsuln, und das Volk nicht wegen des Königs, sondern umgekehrt, die Konsuln wegen der Bürger, der König wegen des Volkes. Und gleichwie der Staat nicht wegen der Gesetze, vielmehr die Gesetze wegen des Staates gemacht werden, so richten sich die, welche nach dem Gesetz leben, nicht nach dem Gesetzgeber, sondern er vielmehr nach ihnen, wie auch der Philosoph in dem sagt, was uns von ihm über den gegenwärtigen Gegenstand hinterlassen ist. Daraus folgt auch: wenn gleich Konsul oder König – hinsichtlich des Wegs sind sie die Herren der übrigen, hinsichtlich des Ziels aber die Diener der übrigen (und das gilt zumal von dem Monarchen, der ohne Zweifel für den Diener aller zu halten ist). Daraus kann schon einleuchten, daß der Monarch vermöge des ihm vorgesteckten Zieles der Gesetzgebung bestimmt wird. Also befindet sich das unter einem Alleinherrscher stehende Menschengeschlecht am besten. Woraus folgt, daß die Monarchie zum Wohl der Welt nötig sei.


Ferner, wer am besten zum Herrschen eingerichtet sein wird, der kann andere am besten einrichten. Denn bei jeder Handlung wird hauptsächlich dahin gestrebt von dem Handelnden (mag er aus Naturnotwendigkeit oder ungehindert handeln), eine eigentümliche Ähnlichkeit darzulegen, woher es kommt, daß alles Handelnde, inwieweit dies erreicht wird, Vergnügen empfindet. Denn da alles, was ist, sein Dasein bezweckt und bei dem Handeln das Dasein des Handelnden gewissermaßen erweitert wird, so folgt notwendig Vergnügen, weil mit der Erlangung des Begehrten immer Vergnügen verknüpft ist. Gar nicht handelt also nur das, was unter der Bedingung vorhanden ist, daß es leidend zum Dasein gelangen muß. Deswegen sagt der Philosoph in seiner Schrift über das an sich Daseiende: Alles, was mit Gewalt zum Handeln gebracht wird, das wird es nur durch etwas, das handelnd vorhanden ist. Denn wenn es anders eine Handlung vorzunehmen versucht, so ist der Versuch vergeblich. Bei dieser Gelegenheit können diejenigen enttäuscht werden, welche durch gute [206] Reden und schlechte Werke andrer Leben und Sitten zu bessern glauben, ohne zu bedenken, daß Jakobs Hände mehr als seine Worte überredeten, obgleich jene zum Falschen, diese zum Wahren überredeten. Daher der Philosoph an den Nikomachus diese Worte richtet: In allem, was Leiden und Handeln betrifft, flößen Reden weniger Glauben ein als Taten. Daher erscholl es auch vom Himmel herab zum sündhaften David: Warum erzählst du meine Gerechtigkeit? Als sollte dies heißen: Du sprichst vergebens, wenn du anders bist, als du sprichst. Hieraus folgt, daß derjenige am besten eingerichtet sein muß, der andre aufs beste einrichten will. Aber der Monarch ist allein derjenige, der zum Herrschen am besten eingerichtet sein kann. Dies erhellt folgendermaßen: Ein jedes Ding wird um so leichter und vollkommner für einen Zustand oder für eine Tätigkeit eingerichtet, je weniger von Widerspruch gegen eine solche Einrichtung in ihr ist; weshalb diejenigen leichter und vollkommner zu dem Besitz philosophischer Wahrheit gelangen, die nie etwas hörten, als diejenigen, die zu Zeiten hörten und mit falschen Meinungen erfüllt sind. Deshalb sagt Galenus nicht übel, daß dergleichen Leute doppelt Zeit gebrauchen, um Kenntnis zu erlangen. Da nun der Monarch keine Gelegenheit zur Begierde haben kann, oder doch die menschenmindeste, wie oben gezeigt, was bei den übrigen Herrschern nicht der Fall ist, und die Begierde eben allein das Urteil verderbt und die Gerechtigkeit hindert, so folgt, daß er völlig oder doch vorzüglich gut zum Herrschen eingerichtet ist, weil er unter den übrigen vorzugsweise Urteile fällen und Gerechtigkeit üben kann. Diese beiden Geschäfte sind es aber, welche einem Gesetzgeber und Gesetzverwalter hauptsächlich zukommen, dem Zeugnis jenes hochheiligen Königs zufolge, als er das einem Könige und dem Sohne eines Königs Zukommende forderte. Gib, o Gott, sagte er, dem Könige dein Urteil und dem Sohne des Königs Gerechtigkeit. So ist es denn mit Recht gesagt, wenn es in dem Hilfssatze heißt, daß der Monarch allein der ist, der zum Herrscher am besten [207] eingerichtet sein kann. Also kann der Monarch allein andre am besten einrichten. Und hieraus folgt, daß die Monarchie zum Heil der Welt notwendig sei.


Und was durch eins geschehen kann, das geschieht besser durch eins als durch mehreres. Dies erhellt so: Das Eins, durch das etwas geschehen kann, heiße a und das Mehrere, durch das es gleichfalls geschehen kann, heiße a und b. Wenn nun dasselbe, was durch a und b geschieht, durch das a allein geschehen kann, so nimmt man b unnötigerweise hinzu, wenn die Hinzunahme nichts mehr bewirkt, als was zuvor schon durch das bloße a bewirkt ward. Und wenn jede dergleichen Hinzunahme unnütz und überflüssig ist, und alles Überflüssige Gott und der Natur mißfällt, und alles, was Gott und der Natur mißfällt, ein Übel ist, wie sich von selbst versteht: so folgt, daß es nicht bloß besser sei, es geschehe etwas, sofern es geschehen kann, durch einen, als daß es durch mehrere geschehe; sondern, daß es durch einen geschehe, ist gut, durch mehrere ist übel an sich. Das erstere wird besser genannt, weil es dem Besten näher steht und das bestimmte Ziel berücksichtigt. Aber daß es durch einen geschieht, steht dem Ziel näher und ist demnach besser. Und daß es ihm näher steht, erhellt hieraus: die Aufgabe sei, c werde erreicht durch das eine a oder durch das Mehrere a und b; so ist deutlich, daß der Weg von a durch b nach c weiter sei als bloß von a nach c. Aber das menschliche Geschlecht kann von einem Oberherrscher regiert werden, und das ist der Monarch, wobei freilich zu bemerken ist, daß der Ausdruck: das menschliche Geschlecht kann nur durch einen obersten Herrscher regiert werden, nicht zu verstehen sei, als ob die kleinsten Rechtshändel eines jeden Städtchens von ihm allein unmittelbar entschieden werden könnten, wiewohl auch die städtischen Gesetze bisweilen nicht zureichen und der Leitung bedürfen, wie der Philosoph sagt, wenn er im fünften Buch an den Nikomachus έπιείκειαν empfiehlt. Denn Völkerschaften, Reiche und Bürgerschaften haben Eigentümlichkeiten, die nicht durch [208] gleiche Gesetze geregelt werden müssen. Denn das Gesetz ist die leitende Regel des Lebens. Anders müssen allerdings die Skythen geregelt werden, die jenseits des siebenten Himmelstrichs leben, einer großen Ungleichheit der Tage und Nächte unterworfen sind und von einem unerträglichen Frost heimgesucht werden. Anders auch die Gramanten, die unter der Tag- und Nachtgleiche wohnen, stets ein der nächtlichen Finsternis gleiches Tageslicht haben und wegen der übermäßig erhitzten Luft nackt gehen. Sondern der Sinn ist dieser, daß das menschliche Geschlecht dem allen gemeinschaftlich Zukommenden gemäß von ihm regiert und durch eine gemeinschaftliche Regel friedlich geleitet werde. Dieses Leitmaß oder Gesetz müssen die besonderen Herrscher von ihm empfangen, sowie etwa der handelnde Verstand zum wirkungsfähigen Schlusse den stärkeren Vorsatz von dem forschenden Verstande empfängt, und unter ihn den besondern, der sein eigen ist, aufnimmt und einzeln zur Wirksamkeit den Schluß macht. Und dies ist einem nicht bloß möglich, sondern muß von einem ausgehen, damit jede Verwirrung über das Urnützliche verhütet werde. Daß dies durch ihn auch getan sei, schreibt Moses selbst im Gesetze, der dem aus den Zünften Israels hinzugenommenen Häuptlingen die niederen Gerichtsgeschäfte überließ, die höheren und gemeinschaftlichen aber sich allein vorbehielt, welcher gemeinschaftlichen sich die Häuptlinge in ihren Zünften je nach dem Bedürfnisse einer jeder Zunft bedienten. So ist es denn besser, daß das Geschlecht der Menschen durch Eins regiert werde, als durch Mehreres, als durch einen Monarchen als einzigen Herrscher. Und so ist es besser und gottgefälliger, da Gott stets das Bessere will. Und wenn von diesen zwei Fällen nur eben dieser der bessere und der beste ist, so folgt, daß dieser von den beiden Fällen des Einen und des Mehreren Gott nicht allein gefälliger, sondern am gefälligsten sei. Daher steht es um das Menschengeschlecht am besten, wenn es von einem regiert wird. Und so ist denn die Monarchie zum Heil der Welt notwendig.

Dantes Büste (Florenz, Uffizien) - Seite 208

[209] Desgleichen sage ich, daß ein einziges Ding und ein gutes Ding sich stufenweise nach des ersten Redeweise verhalten. Denn die Natur bringt ein einziges Ding hervor, dies eine aber als ein Gutes. Denn sofern es am meisten ein Ding ist, ist es am meisten eins, und sofern am meisten eins, am meisten gut. Und um wieviel es sich davon entfernt, am meisten ein Ding zu sein, um so viel auch eins zu sein und folglich gut zu sein.


Denn in aller Art von Dingen ist dasjenige das beste, das am meisten eins ist, wie der Philosoph behauptet in seiner Schrift von dem Sein an sich. Daher erscheint das Einssein als die Wurzel des Gutseins und das Vielsein als die Wurzel des Schlechtseins. Auch Pythagoras setzte in seinen Entgegenstellungen die Einheit auf die Seite des Guten, die Mehrheit auf die Seite des Bösen: wie zu ersehen in dem ersten Kapitel über das Sein an sich. Sündigen scheint daher nichts andres zu sein als die Einheit verlassen und zur Vielheit übergehen, was auch der Psalmist bestätigt, wenn er sagt: durch die Frucht des Getreides, Weins und Öls haben sie sich vervielfältigt. Hieraus ergibt sich, daß alles, was gut ist, dadurch gut ist, daß es aus der Einheit besteht. Und da die Eintracht, soweit sie es ist, etwas Gutes ist, so erhellt, daß sie aus einer Einheit, wie aus einer eigenen Wurzel bestehe, welche Wurzel klar werden wird, wenn man die Natur oder Beschaffenheit der Eintracht untersucht. Denn die Eintracht ist die gleichförmige Bewegung mehrerer Willenskräfte, in welcher Beschaffenheit begründet liegt, daß der Begriff der Einheit der Willenskräfte durch gleichförmige Bewegung die Wurzel der Eintracht oder die Eintracht selbst sei. Denn sowie wir mehrere Schollen einträchtig nennen würden, weil sie alle nach dem Mittelpunkt sich neigen und mehrere Flammen, weil sie alle nach dem Umkreis emporsteigen, sofern sie mit freiem Willen begabt wären, so nennen wir mehrere Menschen einträchtig, sofern sie sich zugleich nach einem Willen bewegen, denn dies ist die Form des Willens, sowie eine Beschaffenheit [210] der Form nach in den Schollen ist, nämlich die Schwere, und eine in den Flammen, nämlich die Leichtigkeit. Denn die Willenskraft ist ein Vermögen, aber die Ergreifung des Guten ist als Äußeres die Form. Diese eine Form, gleichwie andre, vervielfacht sich freilich in sich nach der Vielheit des aufnehmenden Stoffes, z. B. die Seele und die Zahl und andre die Zusammensetzung betreffenden Formen. Nachdem dies vorausgeschickt ist zur Erklärung des für die Aufgabe angenommenen Vordersatzes, läuft der Beweis so: Alle Eintracht hängt von der Willenseinheit ab. Das menschliche Geschlecht ist, wenn es sich wohl befindet, gleichsam eine Eintracht; denn wie ein sich wohl befindender Mensch sowohl in Rücksicht der Seele als des Körpers eine Eintracht ist, und demgemäß ein Haus, eine Bürgerschaft, ein Reich: so auch die ganze Menschheit. Also hängt das Menschengeschlecht in seinem höchsten Wohlbefinden von der Willenseinheit ab. Aber dies ist nicht anders möglich, als wenn der eine Wille der Gebieter und Vereiniger aller andern Willen ist, da der Wille des Menschen wegen der verführerischen Reize in der Jugend der Leitung bedarf, wie der Philosoph am Ende seiner Schrift an den Nikomachus. Und dieser kann nicht ein einziger sein, wenn nicht ein einziger Regierer aller da ist, dessen Wille der Gebieter und Vereiniger aller übrigen sein kann. Wenn nun alle bisherigen Schlußfolgen wahr sind, wie sie es sind, so muß, damit das menschliche Geschlecht sich wohl befinden, notwendig ein Monarch in der Welt sein, und folglich zum Wohle der Welt eine Monarchie.


Alle obigen Gründe bestätigt eine merkwürdige Erfahrung, nämlich jener Zustand der Menschen, den der Sohn Gottes, als er zum Heil des Menschen den Menschen anziehen wollte, entweder erwartete oder, weil es sein Wille war, selbst anordnete. Denn wenn wir vom Fall der ersten Menschen (als dem Anfang unsers ganzen Irrweges) die Anordnungen der Menschen und die Zeiten durchblicken, so werden wir finden, daß nur unter dem göttlichen Augustus als Monarchen die [211] Welt in einer vollkommenen Monarchie ruhig gewesen sei. Und daß das Menschengeschlecht damals glücklich war in der Ruhe des allgemeinen Friedens, das haben alle Geschichtsschreiber, alle erlauchten Dichter, ja auch der Aufzeichner der Langmut Christi für wert gehalten zu bezeugen. Endlich nannte auch Paulus jenen glücklichsten Zustand die Erfüllung der Zeit. Und in der Tat verdienten Zeit und alles Zeitliche den Ausdruck der Fülle, weil kein Geheimnis unsers Glückes eines Dieners ermangelte. Wie es aber mit dem Erdkreise bestellt gewesen sei, seitdem jenes unzerreißbare Gewand durch die Kralle der Begierde uranfänglich einen Riß erlitten habe, können wir teils lesen, teils, wollte Gott, nicht erblicken. O Menschheit, von welchen Stürmen und Verlusten, von welchen Schiffbrüchen mußt du heimgesucht werden, seitdem du ein vielköpfiges Ungeheuer geworden bist, auseinanderstrebst und deine Einsicht, die eine und die andere daniederliegt, und demgemäß auch der Trieb! Trotz unwiderleglicher Gründe achtest du nicht auf die höhere, trotz des Antlitzes der Erfahrung nicht auf die niedere Einsicht, aber auch nicht auf den Trieb trotz der Süßigkeit der göttlichen Anmahnung, wenn die Drommete des Heiligen Geistes dir zuruft: Siehe, wie fein und lieblich ist es, daß Brüder einträchtig beieinander wohnen!