Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Salomon Gessner

Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Bechstein
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Salomon Gessner
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 139–140
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]


Salomon Gessner.
Geb. d. 1. April 1730, gest. d. 2. März 1788.


Zartsinniger, zartfühlender Dichter, Maler und Meister der Aetzkunst in einer Person, als Dichter gefeiert von seinen Zeitgenossen, als Künstler auch noch den Kennern der Nachwelt werth.

Geßner’s Vater war Buchhändler und Mitglied des großen Rathes in Zürich; der Sohn zeigte wenig Lernlust und wenig Fähigkeit, die träumerische junge Dichterseele erging sich schon frühzeitig in den Blüthengärten der Phantasie und das dürre latein und griechisch des ersten Unterrichts stießen ihn ab und drängten zu anderer Beschäftigung; der Knabe machte fleißig unter der Tafel aus Wachs Männchen und Thierchen, womit er die Mitschüler und die Geschwister daheim ergötzte, wenn er auch häufig sehr unergötzliches dafür in der Schule zu ertragen hatte; nicht minder ergötzte das heimliche Lesen des Robinson und anderer Seefahrer Fata, sammt der Insel Felsenburg, die Modeschriften in Geßner’s Jugendzeit, und er schrieb und zeichnete fleißig nach diesen erbaulichen Studien, während er in Gottes Namen darüber die Schulstudien vernachlässigte. Dieß durfte nicht so bleiben, er wurde der Schule, wo man ihn nur niederdrückte und nicht zu behandeln verstand, entnommen, zum Prediger Vögeli im Dorfe Berg gethan, und dort erwachte schnell in dem Knaben ein anderer Geist, er lernte mit Lust, holte leicht das versäumte nach, entwickelte sich geistig und günstig, zumal auch mehr und mehr sein Herz empfänglich wurde für die süßen Reize der ihn nahe umgebenden Natur. Bei seinem geliebten Lehrer fand er Brocke’s »irdisches Vergnügen in Gott«, diese gedankenreichen Dichtungen, denen nur die Weihe des guten Geschmackes fehlte; diesem Dichter begann Geßner nun nachzuahmen, bis er bessere Vorbilder für seine jugendliche Muse gewann.

Aus diesem Himmel der Jünglingsjahre riß den werkenden Dichter die Prosa des Lebens, der Beruf. Des angesehenen Buchhändlers Sohn sollte auch Buchhändler werden; Geßner wurde 1749 nach Berlin in die Lehre gethan, und damals, und noch lange nachher waren nach dem Sprüchwort die Lehrjahre wirklich Leidjahre. Der Lehrling durfte nicht lernen, er mußte Rüpel sein, Gänge thun, Ballen schnüren, den Packknecht [Ξ] machen; dieß sagte Geßner nicht zu, er verließ den strengen Principal und warf sich auf die Malerei, befreundete sich mit Künstlern und Gelehrten, mit Ramler, Hempel, Sulzer u. a. und lebte ein zwar ungebundenes, aber doch streng sittenreines Künstlerleben. Anfangs zürnte der Vater über die eigenmächtige Lossagung vom Buchhändlergeschäft, doch ließ er den Sohn nicht ohne Stütze. Ramler übte mächtigen und guten Einfluß auf Geßner, und da dieser sich durchaus nicht in die Formen des Versbaues finden konnte, so rieth ihm Ramler zu jener Form poetischer Prosa, in welcher es Geßner dann gelang, den besten seiner Zeit genug zu thun. Jetzt war Hagedorn Geßner’s Ideal und Lieblingsdichter, diesen wollte er sehen, und reiste eigens nach Hamburg, wo sich schnell das Band der Freundschaft um beider Herzen schlang.

Von Hamburg begab sich Geßner in seine Heimath zurück, in welcher sich Bodmer mit dem ihn umgebenden Dichterkreise voll Kraft und Genialität dem Gottschedschen Einfluß und dessen angemaßter Oberherrschaft über den deutschen Parnaß zu entziehen begonnen hatten. Freudig dichtete Geßner mit den Dichtern, aber er kritisirte nicht mit den Kritikern; seine Dichtungen fanden vielen Beifall und leicht und ohne Kampf errang er sich den Lorbeer. Im Gedichte »Phyllis« feierte er seine Liebe; die Klassiker Theokrit und Longus hatten in des Dichters Gemüth Vorliebe für den Hirtenroman geweckt, der Rococogeschmack der Zeit, die tändelnden Franzosen mit ihren Schäferspielen und Watteau-Fächern begünstigten diese Richtung, die Wett wiegte sich in idyllische Träume. Geßner wurde der Vater der deutschen Idylle, doch bildete und hielt er sie rein von allem geschmacklosen und frivolen, aller widernatürlichen Empfindelei. Zartgefühl, Natur- und Sitteneinfachheit, edles Maaß und schuldlose Heiterkeit charakterisiern sämmtlich Geßner’s Dichtungen. Als Bodmer, der des Freundes Begabung zwar anerkannte, aber ihre beschränkte Sphäre richtig bezeichnete, geäußert hatte, Geßner werde nicht vermögend sein, ein Epos zu dichten, dichtete Geßner seinen »Tod Abel’s« und zeigte mit dieser, an sich lieblichen biblischen Paramythie, daß Bodmer Recht hatte, obschon »der Tod Abel’s« sich in Deutschland und noch mehr in Frankreich, großen Beifall gewann, die Herzen waren eben noch offen für den ewig schönen Strahl der Poesie, in welcher Farbe er sie auch erreichte und traf und entzückte. Wenn Geßner heute mit seinen Idyllen käme, wenn er zu jenen Dichtern gekommen wäre, die alle Kirchhofkreuze aus der Erde reißen wollten, um Schwerter daraus zu machen, wie übel würde er angesehen worden sein!

Gleiche Freude – wie an seiner poetisch schöpferischen Thätigkeit – fand der liebenswürdige Schweizerdichter, der durch und durch eine Künstlernatur war, an den bildenden Künsten, und übte dieselben werkthätig aus. Ein großer Kunstfreund, Heidegger, lebte zu Zürich, der herrliche Bildersammlungen besaß, und in deren Anschau fand Geßner reichen Stoff zu Kunststudien, und bildete mit eisernem Fleiß sich um so mehr zum praktischen Maler und Radirer, als er der von ihm geliebten Tochter des nicht sehr bemittelten Heidegger ein sorgenfreies Dasein an seiner Seite zu bereiten strebte. Doch athmeten auch seine Malereien, meist in Wasserfarben, wie seine zahlreichen Radirungen, meist Vignetten und kleinere Blätter, mit denen er zum Theil seine eigenen Werke schmückte, die idyllische Anmuth und den Frieden, oft mit antikem Anhauch, der das Glück dieses edeln Dichters bildete, wenn auch die Blätter nicht fehlerlos waren.

Geßner lebte vollbeglückt durch seine Liebe, durch seine Familie, durch seine Kunst, oft besucht, heiter, unschuldvoll und gastfrei. Eine Tochter Wieland’s wurde seine Schwiegertochter. Früher, als seinem einfach patriarchalen Leben nach zu erwarten war, steckte im 58. Lebensjahre ein Schlagfluß ihm das Pilgerziel, sanft und ohne Schmerz. Seine Mitbürger, die ihn ehrten, zumal er auch eine Stelle im täglichen Rathe Zürichs und sonstige Ehrenämter bekleidete, setzten ihm ein Denkmal an einer schönen Stelle.