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Salomon Gessner.
Geb. d. 1. April 1730, gest. d. 2. März 1788.


Zartsinniger, zartfühlender Dichter, Maler und Meister der Aetzkunst in einer Person, als Dichter gefeiert von seinen Zeitgenossen, als Künstler auch noch den Kennern der Nachwelt werth.

Geßner’s Vater war Buchhändler und Mitglied des großen Rathes in Zürich; der Sohn zeigte wenig Lernlust und wenig Fähigkeit, die träumerische junge Dichterseele erging sich schon frühzeitig in den Blüthengärten der Phantasie und das dürre latein und griechisch des ersten Unterrichts stießen ihn ab und drängten zu anderer Beschäftigung; der Knabe machte fleißig unter der Tafel aus Wachs Männchen und Thierchen, womit er die Mitschüler und die Geschwister daheim ergötzte, wenn er auch häufig sehr unergötzliches dafür in der Schule zu ertragen hatte; nicht minder ergötzte das heimliche Lesen des Robinson und anderer Seefahrer Fata, sammt der Insel Felsenburg, die Modeschriften in Geßner’s Jugendzeit, und er schrieb und zeichnete fleißig nach diesen erbaulichen Studien, während er in Gottes Namen darüber die Schulstudien vernachlässigte. Dieß durfte nicht so bleiben, er wurde der Schule, wo man ihn nur niederdrückte und nicht zu behandeln verstand, entnommen, zum Prediger Vögeli im Dorfe Berg gethan, und dort erwachte schnell in dem Knaben ein anderer Geist, er lernte mit Lust, holte leicht das versäumte nach, entwickelte sich geistig und günstig, zumal auch mehr und mehr sein Herz empfänglich wurde für die süßen Reize der ihn nahe umgebenden Natur. Bei seinem geliebten Lehrer fand er Brocke’s »irdisches Vergnügen in Gott«, diese gedankenreichen Dichtungen, denen nur die Weihe des guten Geschmackes fehlte; diesem Dichter begann Geßner nun nachzuahmen, bis er bessere Vorbilder für seine jugendliche Muse gewann.

Aus diesem Himmel der Jünglingsjahre riß den werkenden Dichter die Prosa des Lebens, der Beruf. Des angesehenen Buchhändlers Sohn sollte auch Buchhändler werden; Geßner wurde 1749 nach Berlin in die Lehre gethan, und damals, und noch lange nachher waren nach dem Sprüchwort die Lehrjahre wirklich Leidjahre. Der Lehrling durfte nicht lernen, er mußte Rüpel sein, Gänge thun, Ballen schnüren, den Packknecht