Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Paul Flemming

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Paul Flemming
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 107–108
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Paul Flemming.
Geb. d. 5. Oct. 1609, gest. d. 2. April 1640.


Ein fruchtbarer und begeisterter Sänger inmitten des siebzehnten Jahrhunderts, zwischen Opitz und Canitz der beste deutsche Dichter, dem ein allzu früher Tod die Schwingen mitten im frischen, fröhlichen Aufflug brach, der aber, ganz ein Sohn seiner Zeit, den Fesseln sich nicht zu entringen vermochte, an welchen die deutsche Poesie noch immer schwer genug zu tragen hatte.

Flemming wurde in dem gräflich Schönburgischen Städtchen Hartenstein im Voigtlande geboren, wo sein Vater Prediger war, welcher bald darauf nach dem heiter gelegenen Wechselburg überm Thale der Mulde versetzt wurde. Nachdem der nicht unbemittelte Vater den Unterricht des Sohnes gut geleitet hatte, that er letzteren auf die Fürstenschule zu Meißen, wo Paul Flemming einen guten Grund in vielen Wissenschaften legte. Von Meißen ging er nach Leipzig, widmete sich der Arzneiwissenschaft, wurde 1631 Magister, schrieb deutsche und lateinische Gedichte und wurde kaiserlich gekrönter Poet. Flemming hätte wohl gern den Lehrstuhl bestiegen, wenn nicht der unheilvolle dreißigjährige Krieg damals die Hochschulen verödet und auch die friedlichen Fluren Leipzigs und der Umgegend zu Tummelfeldern blutiger Schlachten gemacht hätte. Flemming riß sich aus dem Kreise dichterischer Freundschaft und Liebe, und reiste 1633 nach Holstein, wo Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein eine Gesandtschaft an seinen Schwager, den Czar Michael Fedorowitsch nach Moskau ausrüstete. Ein junger Arzt zur Aushülfe war als Begleiter dem mitreisenden herzogl. Leibarzt Grahmann nicht unwillkommen und Paul Flemming durfte sich der Ambassade anschließen. Auch auf dieser Reise, wie in der spätern größeren, schlummerte Flemming’s Muse nicht, die, wenn andere Stoffe ihr fehlten, in Gelegenheitsgedichten sich offenbarte; der Großgesandte und dessen dem Dichter befreundete Umgebung wurden an Geburts- und Namenstagen mit poetischen Angebinden erfreut, selbst die Dolmetscher gingen nicht leer aus, Meeressturm und glückliche Landung in Lievland wurden besungen, als 1654 die Rückkehr erfolgte.

Da beschloß der Herzog von Schleswig-Holstein in der Absicht, seinem Lande Handelsvortheile durch Verbindungen [Ξ] mit dem Orient zu verschaffen, die Ausrüstung einer Gesandtschaft von mehr als 100 Personen, welche durch Rußland über Moskau nach Persien reisen sollte, und Klemming schloß sich derselben voll frischer Reiselust ebenfalls an. Man lichtete am 27. Oktober 1635 zu Travemünde die Anker und überstand mancherlei Gefahr und Noth zu Wasser und zu Lande. Adam Olearius, ebenfalls Dichter und holsteinischer Rath und Gesandtschaftssecretair, hat die Reise ausführlich geschildert, Flemming aber läßt sie durch eine Fülle von Gedichten klingen, die er an Olear, an Grahmann, an den Hofjunker v. Imhof u. a. in Astrachan und Ispahan und andern Orten richtete. Viele dieser Gedichte gingen auch verloren. Flemming verehrte Opitz sehr hoch, beweinte in Gedichten dessen Tod, den Flemming in der Nogaischen Tatarei vernahm, nannte ihn in einem Athem Pindar, Homer und Maro seiner Zeit, und wandelte ihm als Dichter nach, weniger als Schüler, denn als Ebenbürtiger. Ein frommer Sinn begeisterte Klemming zu religiösen Liedern, deren mehrere in Gesangbücher aufgenommen wurden, und von denen: »In allen meinen Thaten« das beste ist; treue Vaterlandsliebe ließ ihn Deutschlands Unglück tief empfinden und poetisch beklagen; ein warmes Gefühl für Freundschaft trieb ihn an, die zahllosen Beglückwünschungs- und Trauercarmina zu verfassen, die seine Geist- und weltliche Poëmata zu so starker Fülle anschwellen machten. Sie bezeugen eine höchst ausgebreitete befreundete Bekanntschaft, die sich bei vielen jungen Damen zu hoher und vertraulicher Zärtlichkeit gesteigert zu haben scheint.

Mit besonderer Vorliebe pflegte Paul Flemming das Sonett; er war der vierte deutsche Dichter, der sich der edelgefügten südlichen Form des Klanggedichtes annahm; nur Wirsung, Weckherlin und Opitz von Boberfeld hatte er zu Vorgängern. Geistliche Gemüthserhebungen, Glückwünsche, Liebesgedanken und Trauergefühle goß er in die Form der vierzehn Verszeilen, die nur der stets gebrauchte Alexandriner einigermaßen schwerfällig erscheinen läßt. Aber das Gefühl ist rein, die Empfindung zart, die Gedanken sind reich, oft originell, auch Natur und Landschaften traf er mit sichern Pinselzügen.

Im Beginn des Jahres 1639 erst kehrte die Gesandtschaft vom Hofe des Perserschahs Sophi in Ispahan nach Moskau zurück, nach manchem Genuß und nach mancher ertragenen Beschwerde; dann verweilte sie eine Zeitlang in Reval, wo Flemming die Neigung der schönen Tochter eines Kaufmanns, Niehusen, gewann und sich mit ihr verlobte. Mit der Gesandtschaft zu Anfang des August wieder in Holstein angekommen, reiste Flemming 1640 nach Leyden, wo er als Doktor promovirte, und von da nach Hamburg, wo er sich den häuslichen Heerd gründen wollte. Dort überfiel ihn aber eine jähe Krankheit, ohne Zweifel Folge der vielfach überstandenen Strapatzen und Mühen auf der großen langwierigen Reise, und raffte ihn in der Blüthe seiner Jahre dahin. Mit ihm schied eines der reichsten poetischen Talente seiner Zeit. Sein Schwanengesang, vier Tage vor seinem Tode gedichtet, als er diesen nahen Tod schon fühlte, war ein Sonett, in welchem er beruhigt von dem Schauplatz seines Daseins Abschied nahm und in blühender Jugend wie ein bejahrter Weiser starb.

Der gründliche und gediegene Biograph Paul Flemming’s, K. Varnhagen von Ense, äußert gegen den Schluß der Lebensschilderung des Dichters (Biogr. Denkmale 4. Theil) »von Flemming’s Aeußerem ist uns kein Bild erhalten«. Damit aber niemand das dieser Skizze vorangestellte für ein Phantasiebild halte, sei erwähnt, daß dasselbe einem in des Dichters Todesjahr erschienenen Kupferstich von C. Hortranst in Zittau, 1640, treu nachgebildet wurde.