Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/108

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mit dem Orient zu verschaffen, die Ausrüstung einer Gesandtschaft von mehr als 100 Personen, welche durch Rußland über Moskau nach Persien reisen sollte, und Klemming schloß sich derselben voll frischer Reiselust ebenfalls an. Man lichtete am 27. Oktober 1635 zu Travemünde die Anker und überstand mancherlei Gefahr und Noth zu Wasser und zu Lande. Adam Olearius, ebenfalls Dichter und holsteinischer Rath und Gesandtschaftssecretair, hat die Reise ausführlich geschildert, Flemming aber läßt sie durch eine Fülle von Gedichten klingen, die er an Olear, an Grahmann, an den Hofjunker v. Imhof u. a. in Astrachan und Ispahan und andern Orten richtete. Viele dieser Gedichte gingen auch verloren. Flemming verehrte Opitz sehr hoch, beweinte in Gedichten dessen Tod, den Flemming in der Nogaischen Tatarei vernahm, nannte ihn in einem Athem Pindar, Homer und Maro seiner Zeit, und wandelte ihm als Dichter nach, weniger als Schüler, denn als Ebenbürtiger. Ein frommer Sinn begeisterte Klemming zu religiösen Liedern, deren mehrere in Gesangbücher aufgenommen wurden, und von denen: »In allen meinen Thaten« das beste ist; treue Vaterlandsliebe ließ ihn Deutschlands Unglück tief empfinden und poetisch beklagen; ein warmes Gefühl für Freundschaft trieb ihn an, die zahllosen Beglückwünschungs- und Trauercarmina zu verfassen, die seine Geist- und weltliche Poëmata zu so starker Fülle anschwellen machten. Sie bezeugen eine höchst ausgebreitete befreundete Bekanntschaft, die sich bei vielen jungen Damen zu hoher und vertraulicher Zärtlichkeit gesteigert zu haben scheint.

Mit besonderer Vorliebe pflegte Paul Flemming das Sonett; er war der vierte deutsche Dichter, der sich der edelgefügten südlichen Form des Klanggedichtes annahm; nur Wirsung, Weckherlin und Opitz von Boberfeld hatte er zu Vorgängern. Geistliche Gemüthserhebungen, Glückwünsche, Liebesgedanken und Trauergefühle goß er in die Form der vierzehn Verszeilen, die nur der stets gebrauchte Alexandriner einigermaßen schwerfällig erscheinen läßt. Aber das Gefühl ist rein, die Empfindung zart, die Gedanken sind reich, oft originell, auch Natur und Landschaften traf er mit sichern Pinselzügen.

Im Beginn des Jahres 1639 erst kehrte die Gesandtschaft vom Hofe des Perserschahs Sophi in Ispahan nach Moskau zurück, nach manchem Genuß und nach mancher ertragenen Beschwerde; dann verweilte sie eine Zeitlang in Reval, wo Flemming die Neigung der schönen Tochter eines Kaufmanns, Niehusen, gewann und sich mit ihr verlobte. Mit der Gesandtschaft zu Anfang des August wieder in Holstein angekommen, reiste Flemming 1640 nach Leyden, wo er als Doktor promovirte, und von da nach Hamburg, wo er sich den häuslichen Heerd gründen wollte. Dort überfiel ihn aber eine jähe Krankheit, ohne Zweifel Folge der vielfach überstandenen Strapatzen und Mühen auf der großen langwierigen Reise, und raffte ihn in der Blüthe seiner Jahre dahin. Mit ihm schied eines der reichsten poetischen Talente seiner Zeit. Sein Schwanengesang, vier Tage vor seinem Tode gedichtet, als er diesen nahen Tod schon fühlte, war ein Sonett, in welchem er beruhigt von dem Schauplatz seines Daseins Abschied nahm und in blühender Jugend wie ein bejahrter Weiser starb.

Der gründliche und gediegene Biograph Paul Flemming’s, K. Varnhagen von Ense, äußert gegen den Schluß der Lebensschilderung des Dichters (Biogr. Denkmale 4. Theil) »von Flemming’s Aeußerem ist uns kein Bild erhalten«. Damit aber niemand das dieser Skizze vorangestellte für ein Phantasiebild halte, sei erwähnt, daß dasselbe einem in des Dichters Todesjahr erschienenen Kupferstich von C. Hortranst in Zittau, 1640, treu nachgebildet wurde.