Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Moses Mendelssohn

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Moses Mendelssohn
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 255–256
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Moses Mendelssohn.
Geb. d. 9. Sept. 1729, gest. d. 4. Janr. 1786.


Philosoph und scharfsinniger Denker israelitischer Abkunft, Lessings Freund und durch sein Werk über die Unsterblichkeit der Seele selbst unsterblich im Gedächtniß der Nachwelt fortlebend. Moses Mendelssohn wurde in Dessau geboren, und zeichnete sich schon im zarten Alter durch mächtigen Wissenstrieb aus. Der Vater, ein Schreiber der Thora und anderer Gesetzesrollen, unterrichtete den Knaben selbst in der hebräischen Sprache, durch andere Lehrer wurde er mit dem Talmud, wie mit den Schriften des berühmten Rabbi Mosche ben Maimon (Maimonites) vertraut und steigerte seinen Fleiß bis zur krankhaften Nervenreizbarkeit, die ihm nachhaltig blieb und frühzeitig niederbeugte. Dazu kam des Mangels trübe Schule, die ihm nicht erlassen blieb; arm und dürftig ging er 1742 nach Berlin, nährte sich dort kümmerlich, verdiente sich mit Abschreiben seinen kärglichen Unterhalt, lernte dabei immer fort, und wurde durch die Bekanntschaften mit mehreren gelehrten Juden, des armen aber geist- und poesievollen Schulmeisters Israel Moses, des jungen jüdischen Arztes Kisch aus Prag und Baron Gumperg aus Berlin immer weiter gebracht, aufgemuntert und gefördert. So hatte sich Moses Mendelssohn endlich so viel Kenntnisse angeeignet, daß er nicht nur begabt mit Sprachkunde, sondern auch in der Mathematik und in Künsten, die den Kaufmann machen, die Stelle eines Erziehers im Hause des jüdischen Seidenfabrikanten Bernard übernehmen konnte. Sein Principal entdeckte mit Freude Mendelssohns gute Eigenschaften, seine Fähigkeit im rechnen, schönschreiben und buchhalten, und nahm ihn als Aufseher in sein bedeutendes Geschäft, in welchem Mendelssohn es bald zum Faktor brachte, bis des Geschickes Gunst den begabten Mann sogar zum Mitgenossen und Theilhaber des blühenden Geschäftes machte. Vom wichtigsten Einfluß auf Mendelssohns spätere Geistes- und Lebensrichtung war sein im Jahre 1754 erfolgtes bekanntwerden mit Lessing. Dieser wurde ihm anregendes Vorbild, auf Lessings Veranlassung schrieb Mendelssohn seine „Briefe über die Empfindungen“, welche Lessing sogleich drucken ließ. Nun war die Bahn gebrochen, Mendelssohn schrieb nun mehr, betheiligte sich an schönwissenschastlichen Unternehmungen, [Ξ] wie Nicolai’s Briefe, die neueste Literatur betreffend, an dessen allgemeiner deutschen Bibliothek, so wie an der Bibliothek der schönen Wissenschaften und verfaßte auch selbständige philosophische Werke, deren Anerkennung bald über Deutschlands Grenzen hinausdrang. Auch mit Lavater, der im Jahr 1769 nach Berlin kam, befreundete sich Mendelssohn, nur daß letzterer mit männlicher Ruhe dem seltsamen, obschon aus reinem Wohlwollen hervorgegangenen Versuch Lavaters, ihn zum Uebertritt in das Christenthum zu bewegen, widerstand. Er blieb dem Glauben seiner Väter unerschütterlich zugethan und vertheidigte denselben mit Ueberzeugungstreue, doch nicht ohne dabei durch große geistige Aufregungen und Erschütterungen seines zartorganisirten Gemüthes dauernd zu leiden. Aus diesen inneren Kämpfen ging Mendelssohns berühmtes Buch „Jerusalem, oder über religiöse Macht und Judenthum“ hervor; von einem zweiten: „Morgenstunden“ erschien nur der erste Band. Beide legten Mendelssohns religiöse wie philosophische Ansichten in einer gebildeten und edlen Sprache vor Augen, doch blieben dieselben keineswegs ohne Anfechtung. Mendelssohns verbreitetstes und am meisten anerkanntes, fast in alle Sprachen Europa’s übersetztes Werk ist sein auf Platons Phädon gebautes Buch: Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele. In drei Gesprächen. Es ist in sokratischer Form geschrieben und fand soviel Theilnahme, daß man den Verfasser allen Ernstes mit dem Namen des deutschen Sokrates beehrte, ohne an das hinkende eines solchen Vergleichs zu denken. Eine Behauptung des Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi, daß Lessing sich den Lehren Spinoza’s zugeneigt habe, erschütterte Mendelssohn heftig und regte ihn an, eine Gegenschrift zu verfassen, welche den Titel führte: „Mendelssohn an die Freunde Lessings“, die er in so gereizter Stimmung schrieb, daß sein ganzes Nervensystem in Aufregung gerieth. In dieser Stimmung ausgehend, traf ihn eine Erkältung, welche die Ursache seines Todes wurde, der allgemeine Theilnahme bei den gelehrten Zeitgenossen Mendelssohns hervorrief. Mendelssohn war einer der hervorragendsten und begabtesten Geister, die aus dem Judenthum der Neuzeit hervorgegangen, und von großer Trefflichkeit des Charakters, daher ihm im Kranze deutscher Philosophen von Bedeutung stets eine ehrenvolle Stelle gesichert bleibt.