Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Philipp Melanchthon

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Philipp Melanchthon
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 253–254
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Philipp Melanchthon.
Geb. d. 16. Febr. 1497, gest. d. 19. April 1560.


Luthers gefeiertster Freund, sein Jonathan, die milde Leuchte neben dem strahlenden Sterne! Der Mann des Friedens, hervorgegangen aus einem Hause blinkender Gewaffen und lärmenden Rüstzeugs. Der Vater war Waffenschmied und Rüstmeister des Grafen von der Pfalz, Herzogs in Bayern, und der Sohn erblickte das Licht der Welt im Städtlein Bretten in der Unterpfalz. Der Großvater nahm sich der ersten Erziehung des Knaben an, und Reuchlin, sein mütterlicher Oheim, leitete dessen ferneren Unterricht auf der Schule zu Pforzheim, ließ ihn den deutschen Vaternamen Schwarzerd in den griechischen Melanchton umwandeln und fürder tragen, und sandte ihn dann zu weiteren Studien nach Heidelberg. Frühe Reife des Geistes zeichnete den jungen Studenten aus; mit vierzehn Jahren erlangte er schon das Baccalaureat der Philosophie und wurde Hofmeister zweier Grafen von Löwenstein. Er wollte auch Magister werden, aber das gaben die alten Professoren nicht zu; er war ihnen denn doch noch zu jung. Melanchton ging darauf nach Tübingen und wurde dort Magister, hielt Vorlesungen und verfaßte eine griechische Grammatik von bleibendem Werth, unterstützte Reuchlin bei dessen Arbeiten und leitete eine Druckerei. So voll Thätigkeit und Eifer wirkend und dabei keinen Tag das eigene Weiterstudieren aus den Augen lassend, traf ihn 1518 ein von Reuchlin veranlaßter Ruf des Kurfürsten Friedrich des Weisen zu Sachsen an dessen Hochschule Wittenberg, als Professor der griechischen Sprache und Literatur, dem er willig folgte. Von da an knüpfte sich das unzertrennliche, stets heilig gehaltene Freundschaftsband mit Luther, der Melanchton nach seinem ganzen vollen Werth zu würdigen verstand. Gründliches Wissen, ernstes Forschen, Sanftmuth und Milde bei edler Charakterfestigkeit, machten Melanchton zur Stütze des großen Werkes der Reformation, ja zur Stütze der Hochschule, wenn Luther abwesend war. Siegreich kämpfte er mit Luther vereint gegen Dr. Eck und Carlstadt in der berühmten Leipziger Disputation, wurde durch die Aufstellung seiner „theologischen Lehrsätze“ der Begründer der protestantischen Dogmatik, richtete, von einer Reise in die Heimath rückkehrend, die neue [Ξ] Schule zu Nürnberg ein, schrieb Visitationsartikel und leistete bei der großen Kirchenvisitation in Kursachsen die wesentlichsten Dienste. Auf dem Reichstage zu Speier 1529 trat Melanchton kräftig dagegen auf, daß man die Bekenner der Lehre Zwingli’s ungehört verdammen wollte, wie er sich denn den Schweizer Reformatoren nicht ganz abgeneigt zeigte und gemäßigter über ihre Lehrsätze urtheilte als Luther. Melanchton gab den von Luther entworfenen Glaubenslehren, die dem Augsburger Reichstag 1550 vorgelegt wurden, Form und milde Fassung, nachdem er schon 1529 auf dem Religionsgespräch zu Marburg mit kluger Sorgfalt zu einigen gesucht hatte, so viel als möglich war. Ebenso verfaßte Melanchton die Apologie des evangelischen Bekenntnisses und gründete sich durch diese beiden Arbeiten in der ganzen protestantischen Kirche den Anspruch auf Dankbarkeit für ewige Zeiten. Bis über Deutschlands Grenzen erscholl Melanchtons Ruhm, die Könige von Frankreich und von England ließen ehrenvolle Rufe an ihn ergehen, allein der Kurfürst von Sachsen enturlaubte ihn nicht, er blieb Deutschland erhalten zu noch lange dauernder Lebensarbeit, zu manchem Kampfe. Oft und viel mußte der milde fromme Melanchton den herben Kelch der Verkennung leeren, oft ward er angefochten und befehdet um seiner Milde willen, seiner versöhnlichen Sinnesart willen, nur einer war, der ihn ganz kannte, der ihn überaus hoch schätzte, der bei aller eigenen Heftigkeit und Strenge den Charakter des Freundes stets im ungetrübten Glänze seiner Reinheit und Klarheit sah, und das war Luther. Als Luther 1546 dahingeschieden war, und noch endlose Religionskämpfe drohten, war Melanchton Haupt und Stutze der Reformation, aber er war es unter großen Mühen und schweren Sorgen. Eine bedeutende Anzahl der protestantischen Gottesgelehrten sahen alles Heil für die neue Lehre und das geläuterte Evangelium nur im starren festhalten an Normen und Formen; da dies bei Melanchton nicht der Fall war, da dieser stets Wege suchte, Hader zu vermeiden und zu verhüten, zu einigen statt zu spalten, da ward er verdächtigt und verketzert, und als Verrath und Treulosigkeit ward gedeutet, was in seinem Charakter nur Milde und mindere Festigkeit war. Seine mehrfach begonnenen Einigungsversuche scheiterten allzumal, und der Schmerz über so manche Kränkung, manche Trennung, nagte an seinem Herzen. 1557 verlor Melanchton auch die treue Gattin, und das Leben hörte auf noch Reiz für ihn zu haben. Auf einer Reise von Wittenberg nach Leipzig, in rauher Jahreszeit, ergriff den durch geistige Schmerzen schon für Krankheit empfänglicher gemachten Leib ein Wechselfieber, das ihn dem Tod in die Arme führte. Unsterblich klingt sein Name neben Luthers Namen fort, und sein Ruhm blüht unvergänglich.