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wie Nicolai’s Briefe, die neueste Literatur betreffend, an dessen allgemeiner deutschen Bibliothek, so wie an der Bibliothek der schönen Wissenschaften und verfaßte auch selbständige philosophische Werke, deren Anerkennung bald über Deutschlands Grenzen hinausdrang. Auch mit Lavater, der im Jahr 1769 nach Berlin kam, befreundete sich Mendelssohn, nur daß letzterer mit männlicher Ruhe dem seltsamen, obschon aus reinem Wohlwollen hervorgegangenen Versuch Lavaters, ihn zum Uebertritt in das Christenthum zu bewegen, widerstand. Er blieb dem Glauben seiner Väter unerschütterlich zugethan und vertheidigte denselben mit Ueberzeugungstreue, doch nicht ohne dabei durch große geistige Aufregungen und Erschütterungen seines zartorganisirten Gemüthes dauernd zu leiden. Aus diesen inneren Kämpfen ging Mendelssohns berühmtes Buch „Jerusalem, oder über religiöse Macht und Judenthum“ hervor; von einem zweiten: „Morgenstunden“ erschien nur der erste Band. Beide legten Mendelssohns religiöse wie philosophische Ansichten in einer gebildeten und edlen Sprache vor Augen, doch blieben dieselben keineswegs ohne Anfechtung. Mendelssohns verbreitetstes und am meisten anerkanntes, fast in alle Sprachen Europa’s übersetztes Werk ist sein auf Platons Phädon gebautes Buch: Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele. In drei Gesprächen. Es ist in sokratischer Form geschrieben und fand soviel Theilnahme, daß man den Verfasser allen Ernstes mit dem Namen des deutschen Sokrates beehrte, ohne an das hinkende eines solchen Vergleichs zu denken. Eine Behauptung des Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi, daß Lessing sich den Lehren Spinoza’s zugeneigt habe, erschütterte Mendelssohn heftig und regte ihn an, eine Gegenschrift zu verfassen, welche den Titel führte: „Mendelssohn an die Freunde Lessings“, die er in so gereizter Stimmung schrieb, daß sein ganzes Nervensystem in Aufregung gerieth. In dieser Stimmung ausgehend, traf ihn eine Erkältung, welche die Ursache seines Todes wurde, der allgemeine Theilnahme bei den gelehrten Zeitgenossen Mendelssohns hervorrief. Mendelssohn war einer der hervorragendsten und begabtesten Geister, die aus dem Judenthum der Neuzeit hervorgegangen, und von großer Trefflichkeit des Charakters, daher ihm im Kranze deutscher Philosophen von Bedeutung stets eine ehrenvolle Stelle gesichert bleibt.