Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johannes Regiomontanus

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Johannes Regiomontanus
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 305–306
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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[Ξ]


Johannes Regiomontanus.
Geb. d. 6. Juni 1436; gest. d. 6. Juli 1476.


Camillus Johannes Müller, letzterer der Vatername des berühmten Mannes, wurde in dem Städtchen Königsberg in Franken geboren, nach dem er später sich nannte, oder nennen ließ, indem man den Namen des Städtchens ins lateinische übertrug, und verlebte dort in ziemlicher Dunkelheit seine ersten Jugendjahre. Noch steht zwischen andern in einer zur Höhe des herrschaftlichen Amtssitzes sich emporziehenden breiten Straße das kleine Haus, alterthümlich, mit geschnitztem Holzgebälk, im innern eng und düster, aus welchem dieser helle Geist in die Welt trat, und oben an der Thüre einer finstern Kammer, die auf den Gang führt, steht noch eine von ihm herrühren sollende Inschrift mit großen Buchstaben angeschrieben:

Cui vivas et cur vivas hoc noscere disce,
Si facis hoc, coelo dignus eris.
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Müller wählte zunächst die Hochschule Leipzig, wo er sich mit Vorliebe dem Studium der Mathematik und Dialektik widmete, und begab sich von da, zur Fortsetzung dieses Studiums, nach Wien, wo er auch nach erlangter Magisterwürde vielbesuchte Kollegien las. Als sein hervorragendster Lehrer wird der gelehrte Mathematiker Georg Peuerbach genannt. In Wien lernte Magister Johann von Kunsperk den Cardinal Bessarion kennen, mit dem er im Jahre 1461 nach Italien reiste, um sich in der griechischen Sprache und Literatur zu vervollkommnen. Er erreichte seinen Zweck auf das vollständigste, schrieb Übersetzungen der Werke griechischer Mathematiker, wie Apollonios Conica, Serenos Cylindrica, Heron Pneumatica, und erklärte in Padua vom öffentlichen Lehrstuhl den Alphraganus. Als dem deutschen Mathematiker der Aufenthalt in Italien nicht mehr zusagte, wandte er sich nach Ungarn, widmete dem Könige Matthias Corvinus, dem ganz besondern Gönner der mathematischen Wissenschaften, seine tabuls primi mobilis, und empfing vom Könige ein Ehrenkleid, 800 Gulden und die Zusicherung einer lebenslänglichen Pension. Hierauf zog er nach Nürnberg, verband sich dort mit Bernhard Walther, einem [Ξ] bekannten Astronomen, und errichtete eine neue Druckerei, aus welcher mehrere Werke beider, mit großer Sorgfalt gedruckt, hervorgingen. Das merkwürdigste aller Hervorbringungen dieser Presse ist ein ganz in Holz geschnittener Kalender, der jetzt zu den größten xylographischen Seltenheiten gehört. Schon beim erscheinen kostete 1 Exemplar dieses eigenthümlichen Werks 12 ungarische Goldgulden, und es sind bis jetzt nur 4–5 Exemplare desselben als überhaupt noch vorhanden nachgewiesen. Eins davon besitzt die k. Bibliothek in Dresden, zwei die k. Bibliothek in München, eins die Universitätsbibliothek in Erlangen, und das fünfte befindet sich im Privatbesitz. Außer den übrigen zahlreichen Schriften, welche Magister Johannes von Kunsperk verfaßte und druckte, verstand er auch künstliche Automaten zu verfertigen und deren Verfertigung zu lehren. Dadurch und durch die wesentliche Verbesserung des Kalenders, wie auch durch seine genauen, auf 30 Jahre voraus berechneten astronomischen Ephemeriden erlangte der Meister weiten Ruf, denn seine Arbeiten übertrafen alle Vorgänger. Jeder Zweig der mathematischen Wissenschaft wurde durch Regiomontanus erweitert und bereichert. In der Trigometrie gab er zuerst dem Halbmesser zehn Millionen Theile, und führte den Gebrauch der Tangenten ein. Er wurde zuerst der Begründer der Algebra in Deutschland. Seine Automaten fanden ebenso viele Anerkennung als Bewunderung und zeugten von Scharfsinn und der glücklichsten mechanischen Erfindungsgabe, wenn auch die spätere Zeit einiges ersann und ihm zuschrieb, was er nicht gefertigt. Regiomontanus baute ein bewegliches Sonnen- und Planetensystem, an welchem die Bewegung der Gestirne wahrzunehmen war. Man hat auch erzählt, er habe einen künstlichen Adler gefertigt, welcher dem Kaiser Maximilian bei dessen Einzug im Jahre 1470 entgegen geflogen sei, doch scheint das letztere wohl poetischer Zusatz, und der Adler stand nur auf dem Stadtthore oder auf einer Ehrenpforte, sich bewegend und die Schwingen schüttelnd. Viel auch ward erzählt von einer eisernen Fliege, die aus des Künstlers Hand auf-, um die Tafel herum- und wieder zu ihm zurückgeflogen sei, doch haben sich viele bemüht, die letztere Erzählung völlig in das Reich der Fabel zu verweisen.

Papst Sirius IV., dem die Kalenderverbesserung sehr am Herzen lag, berief den großen fränkischen Mathematiker 1475 nach Rom, bediente sich seiner Kenntnisse und belohnte ihn mit der Verleihung des Bisthums Regensburg, allein Regiomontanus sah Deutschland nicht wieder. Es ist nur zu wahrscheinlich, daß wälscher Neid ihn hinopferte, er starb, kaum im 41. Lebensjahre stehend, an Gift. Vielleicht war dieser Mord ein Ausfluß des Hasses des Cardinal Cusanus, welcher sich und noch mehr andern einzureden suchte, er habe die Quadratur des Cirkels erfinden, welche Phantasie von Regiomontanus gründlich widerlegt wurde. Den literarischen Nachlaß des letzteren brachte sein Freund und Arbeitgenosse Bernhard Walther an sich, und vieles davon ist dann in den Besitz der an literarischen Schätzen aus jener Zeitperiode überaus reichen Stadtbibliothek zu Nürnberg übergegangen, besonders Handschriften griechischer Klassiker, wie eigene Werke Regiomontans.

  1. Wem du lebst und warum du lebst, dieß lerne erkennen;
    Thust du dieses so wirst würdig des Himmels du sein.