Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Franz Volkmar Reinhard

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Franz Volkmar Reinhard
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 303–304
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Franz Volkmar Reinhard.
Geb. d. 12. März 1753, gest. d. 6. Sept. 1812.


Dieser hochberühmte Theolog und Kanzelredner wurde in dem vormalig herzoglich Sulzbachischen Marktflecken Vohenstrauß geboren. Sein Vater war dort Prediger und gab ihm eine gute, christlichfromme Erziehung, bei welcher er als den Urgrund einer solchen die Bibel als erstes Lehrbuch anwandte. Christenthum und die Kenntniß alter Sprachen wurden die hauptsächlichsten Stützen des für den geistlichen Stand bestimmten fähigen Jünglings, welcher im Alter von 15 Jahren, 1768, auf die Schule nach Regensburg kam und nach der vollendeten Schulzeit die Universität Wittenberg 1775 besuchte. Dort studirte Reinhard neben Theologie und Philologie mit Vorliebe auch Philosophie, in welcher er die erhabene Führerin zu höherer Weisheit, den Grundpfeiler geistiger Bildung, den Weg zur Gotterkenntniß fand, und nicht, wie so manche neuere, die Bahn zu eitler Selbstvergötterung und zum spiritualistischen Atheismus. Nach vollendeten Studien wollte Reinhard nach seiner Heimath zurückkehren, aber wohlwollende Gönner und Freunde riethen ihm, zu bleiben und das academische Lehrfach, zu dem er voll befähigt erschien, zu ergreifen. Reinhard folgte dem Winke und nahm 1777 unter dem Vorsitze seines Gönners Dresde die akademischen Würden an. Der junge Docent war freilich anfangs durch seine ökonomische Lage bedrängt und ging gleich andern nicht ohne Mühen und Dornen und durch Dunkel zum Licht, ja es litt dabei sogar seine Gesundheit, aber wachsender Beifall erhob ihn und ein festes Vertrauen auf Gott und die eigene Kraft ließ ihn nicht sinken. Im Jahre 1778 wurde Reinhard Adjunkt der philosophischen Facultät, dann Baccalaureus der Theologie und las nun theologische Collegia; zwei Jahre später trat er als außerordentlicher Professor der Philosophie auf und verheiratete sich; 1782 wurde er ordentlicher Professor der Theologie; das Jahr 1784 sah ihn als Propst an der Schloß- und Universitätskirche zu Wittenberg, und zugleich empfing er die Anstellung als Assessor des geistlichen Provincialconsistoriums. Reinhard lebte einfach, still, doch gemüthsfroh in schöner Häuslichkeit, unterstützte mit Freudigkeit jetzt, da er es vermochte, arme Studirende, nahm von unbemittelten kein Honorar und [Ξ] verbreitete nur Liebe, Güte und Wohlwollen um sich her, während der treuesten Führung seiner Aemter und Erfüllung seiner Pflichten. Einen ehrenvollen Ruf an die Universität Helmstädt, welcher ihm eine Professur mit 1200 Thaler Gehalt sicherte, lehnte er dankend ab, folgte aber bald darauf im Jahre 1792 der Berufung nach Dresden, wo durch Hermann’s Tod wichtige Stellen erledigt waren, und wurde nun Oberhofprediger, Kirchenrath und Oberkonsistorial-Assessor. So wurde Reinhard dem mit Fleiß und Freude geübten akademischen Lehramt entzogen, um in noch wichtigerer Stellung ausschließlich dem Predigtamte, der Seelsorge und dem geistlichen Berufe als Kirchenrath und im Konsistorium zu folgen. Ein großer und wichtiger Thätigkeitskreis that sich vor ihm auf, aber Reinhard war der Mann, denselben auszufüllen und dem in ihn gesetzten Vertrauen auf das glänzendste zu entsprechen. Unter ihm hob sich das kirchliche Leben, hob sich die Blüthe der Lehranstalten, verbesserten sich die Gehalte der Lehrer, und mit unermüdlichem Eifer wirkte er nach allen Richtungen hin anregend und das gute fördernd, unter andern auch durch Einführung neuer Perikopen und Gesangbücher. Dabei fand Reinhard doch noch Muße für eigene zahlreiche schriftstellerische Arbeiten, von denen mehrere vollständig erst nach seinem Tode erschienen. Außer vielen kleineren und Gelegenheitsschriften schrieb Reinhard: »Versuch über den Plan, welchen der Stifter der christlichen Religion zum Besten der Menschheit entwarf«, dieser Versuch erlebte 4 Auflagen; »System der christlichen Moral«, 5 Auflagen; »Vorlesungen über Dogmatik«, 3 Auflagen. Reinhards allbekannte, mit Recht geschätzte Predigten, 35 Bände mit einigen Supplementbänden erschienen von 1792 bis 1833, seine Opuscula academica gab er 1809 gesammelt heraus. Seine Uebersetzung der Psalmen erschien, von Dr. Hecker herausgegeben, 1813; seine Reformationspredigten ließ Berthold von 1821 bis 1824 in drei Bänden erscheinen.

Wie Reinhard groß und bedeutend als akademischer Lehrer gewesen war, so war er es auch als Kanzelredner und als Schriftsteller. Die Glaubensrichtung, die er einschlug, hielt sich gleichweit von der frömmelnden Mystik, wie von dem alles kirchliche Gemüthsleben zersetzenden Rationalismus. Reinhard war und blieb überzeugungtreuer Supranaturalist, ohne übereifriger und überstrenger Orthodox zu sein. Sein Glaube war der innige, tiefe und beseligende, den die durch die Bibel geoffenbarte Religion Jesu Christi lehrt und predigt. Ihm folgte er nach, ihn lehrte er durch Wort und Schrift, vielen Tausenden zum Hell und zum Segen.

Ein unglücklicher Fall, den Reinhard auf einer Geschäftsreise im Sommer 1808 that, und der einen Beinbruch zur Folge hatte, wirkte höchst nachtheilig auf seine Gesundheit ein, die selbst durch den Gebrauch des Karlsbades nicht völlig wieder hergestellt wurde. Im Jahre 1809 erging ein höchst ehrenvoller Ruf von Berlin aus an Reinhard; er sollte dort Mitglied des Staatsrathes werden, seinen Gehalt selbst bestimmen, der König von Preußen war entschlossen ihm 4000, ja 5000 Thaler zu bewilligen – aber Reinhard nahm dieses glänzende Anerbieten nicht an, er wollte dem Sachsenlande, dem er so viel dankte, nicht untreu werden. Schon 1808 hatte er bei Gelegenheit der 400jährigen Stiftungsfeier der Universität Leipzig abändernde Verbesserungen ihrer innern Einrichtung vorbereiten helfen; im Jahre 1810 wurden durch ihn Leipzig und Wittenberg und die Schulen Pforta, Meißen und Grimma revidirt und besser organisirt. Es war dieß die letzte von Reinhard’s segensreichen Thätigkeiten; nach der Rückkehr von dieser Reise warf ihn eine heftige Krankheit nieder – und ob auch die Kunst der Aerzte ihm noch eine längere Zeit das Leben stiften half, so erlag er doch nach zwei Jahren einem erneuten Anfall. Was Sachsen Reinhard’s Wirken zu danken hat, wird nie vergessen werden.