Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johann Wilhelm von Archenholz

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Johann Wilhelm von Archenholz
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 7–8
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
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Johann Wilhelm von Archenholz.
Geb. d. 3. Sept 1745, gest. d. 28. Febr. 1812.


Muster im geschmackvollen Styl und in der ethnographischen Schilderung; durch Reisen hochgebildet und zum Reisebeschreiber geboren, nicht minder durch praktische Kenntniß des Kriegswesens berufen, kriegsgeschichtliches zu bearbeiten – so war und blieb Archenholz lange Zeit Liebling der Freunde einer ernsten, bildenden Lektüre, und wird noch immer von vielen mit Vorliebe gelesen.

J. W. v. Archenholz erblickte das Licht der Welt zu Langfuhr, einer Vorstadt von Danzig, und widmete sich frühzeitig dem Soldatenstande. Er kam in das Cadettenhaus in Berlin, und trat mit 15 Jahren aus demselben als Unterlieutenant in das preußische Heer ein. Im Regiment Forcade machte er den siebenjährigen Krieg mit, den er später so trefflich schilderte, und erhielt nach dessen Beendigung 1763 den Abschied als Hauptmann.

Unbezwingliche Sehnsucht zu reisen, bestimmte v. Archenholz, die unfreiwillige Musse, die der Friedensschluß für ihn herbeigeführt hatte, dazu zu verwenden, fremde Länder zu sehen, berühmte Menschen kennen zu lernen und ihres Umganges sich zu erfreuen, und selbst lernend, durch Schilderung des geschauten und erlebten, wieder andere zu belehren. Dabei unterstützte ihn die trefflichste Beobachtungsgabe, guter Geschmack in der Auswahl des mitzutheilenden, feines Gefühl, von Menschen, Sachen und Ereignissen das charakteristische herauszufinden und hervorzuheben, welche Eigenschaften ihm bald den Beifall der gebildeten Lesewelt gewannen und dauernd sicherten, v. Archenholz durchreiste ganz Deutschland, die Schweiz, Holland und Belgien, Frankreich, England und Italien, Dänemark, Norwegen und Polen. In England war er dreimal und zweimal in Italien. In letzterem Lande traf ihn leider ein schweres Mißgeschick; ein unglücklicher Fall, den er that, wurde von den Aerzten und Chirurgen, deren Hülfe er sich anvertrauen mußte, so übel behandelt, daß ihm lebenslänglich eine Lähmung blieb und ihn, den der Krieg verschont hatte, zum Krüppel machte. Hierauf privatisirte v. Archenholz abwechselnd in mehreren bedeutenderen deutschen Städten, wie Dresden, Leipzig, Berlin, Hamburg, und lebte vom Ertrag seiner [Ξ] zahlreichen Werke, welche alle Zeugnisse seines Fleißes, seines regen Geistes und seines guten Geschmackes sind. In dem Buche »England und Italien« schilderte er besonders England mit großer Vorliebe und gründlich erworbener Kenntniß, dann gab er, während sein »England und Italien« fast in alle lebenden Sprachen Europa's übersetzt wurde, als Fortsetzung des England betreffenden Theiles neunzehn Bände »Annalen der brittischen Geschichte der Jahre 1788–1796« heraus, die mit Bildnissen berühmter Britten neuerer Zeit geschmückt erschienen.

Großen, rauschenden Beifall fand v. Archenholz’s »Geschichte des siebenjährigen Krieges«, zuerst im Historischen Kalender für 1789 erschienen, von Chodowiecki mit Küpferchen geziert, später erweitert und berichtigt selbständig herausgegeben. Dieß Buch wurde ein Volksbuch im edelsten und besten Sinne, der vornehme wie der schlichte Bürgersmann erfreute sich an demselben, man übersetzte es neben andern lebenden Sprachen sogar in die lateinische, wo der Hauptmann v. Archenholz als olim in exercitu Borussico centurio auf dem Titel prangte.

Geistvoll geschrieben erschienen auch die 2 Bände »Kleine historische Schriften«, deren 2ter Band ausschließlich die anziehende Geschichte der Flibustier umfaßt; ferner die »Geschichte Gustav’s Wasa, Königs von Schweden, nebst einer Schilderung des Zustandes von Schweden etc.« – 2 Bände, und der in Gemeinschaft mit Wieland begonnene Kalender für Damen, Jahrgang 1790, mit Bildern von Chodowiecki – in welchem Toilettenbüchlein v. Archenholz mit gewandter Feder die Geschichte der Königin Elisabeth von England zugleich mit jener von deren Nebenbuhlerin schilderte.

Neben dieser rastlosen Thätigkeit begründete v. Archenholz auch noch einige periodische Werke, in denen er Ansprüche und Geschmack des gebildeten Lesepublikums entsprechend traf. Das erste war seine »Literatur- und Völkerkunde«, welche belehrend, gemeinnützig, anziehend unterhaltend, eignes und fremdes, deutsches und ausländisches, Prosa und Poesie im anmuthigen Wechsel brachte, und auf viele anregend und fördernd wirkte. Dieß Werk und eine Fortsetzung desselben erlebte neun Jahrgänge. Noch längerer Dauer, man könnte sagen unvergänglicher, erfreute sich die v. Archenholz begründete Zeitschrift Minerva, ein Journal historischen und politischen Inhalts, welche auch nach des Begründers Tode fortgesetzt wurde und noch heute besteht. v. Archenholz begann diese Zeitschrift nach seiner Rückkehr aus Paris, 1792, und bestimmte sie vorzugsweise zur Schilderung französischer Zustände der Gegenwart. Er ließ sich in Hamburg nieder, in dessen Nähe er einen Landsitz, Oyendorf, erwarb, auf welchem den thätigen Mann in seinem 67. Jahre der Tod ereilte. Für seinen Ruhm hatte er genug gethan und seinem Andenken bleibt in den Annalen der deutschen Literatur eine Ehrenstelle gesichert.