Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Caspar Aquila

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Caspar Aquila
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 5–6
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
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Caspar Aquila.
Geb. d. 7. Aug. 1488, gest. d. 12. Nov. 1560.


Unter den bedeutenden Theologen, welche getreulich dem Pfade Luther's nachwandelten, und neben Amsdorf, Melanchton, Bugenhagen, Jonas, Spalatin, Cruciger und Myconius wirkten, behauptet auch Caspar Aquila als Reformator eine Ehrenstelle, der nach einem thätigen und mannigfach bewegten Leben eine lange Zeit in Thüringen segensreich wirkte.

Caspar Aquila ward zu Augsburg geboren und entstammte einem angesehenen Geschlechte; der Vater, Leonhard, war Stadtsyndicus und schrieb seinen Namen noch unverwälscht: Adler. Der Sohn erhielt guten Schulunterricht, setzte diesen in Ulm fort, wählte das theologische Studium und machte nach Vollendung der Vorbereitungstudien eine Reise nach den Hochschulen Italiens. Er verweilte auf der Rückkehr in der Schweiz, wo er des Erasmus Bekanntschaft machte, nach der sich alle jungen Gelehrten förmlich drängten, doch war es vornehmlich Bern, welchen den jungen Aquila fesselte. Er predigte in dieser Stadt und erhielt 1514 im 26. Jahre seines Alters eine Berufung zu einem Pfarramte in Bern, welches er zwar annahm, aber nicht lange bekleidet haben kann, da er sich bald darauf nach Leipzig begab, um sich noch mehr in den Wissenschaften zu vervollkommnen. Auf dieser Reise ritt Aquila durch Saalfeld, die Stadt seines letzten langjährigen Wirkens, ohne dieß zu ahnen, traf den Markt noch ungepflastert und den Chor der St. Johanniskirche noch nicht ausgebaut. Aber auch in Leipzig war Caspar Aquila’s bleiben nicht lange; es war seiner jüngeren Lebensperiode eine rastlose Wanderschaft vom Geschick zugedacht, die ihm heilsam lehrte, Widerwärtigkeiten des Lebens mit Leichtigkeit zu ertragen und sich nicht mit Zähigkeit an eine Scholle zu heften. Franz von Sickingen hatte 1515 sein Banner erhoben, führte – damals noch mit Glück – seine Fehdezüge durch, und Caspar Aquila wurde Franzens rüstiger Feldprediger, folgte mit zwei zu seinem Dienst bestellten reisigen Knechten dem Heerlager und theilte Gefahren und Entbehrungen treulich mit dem Herrn und dessen Heere. Als es indessen mit letzteren etwas gar zu bunt sich gestaltete, nahm Aquila eine kleine Pfarrstelle zu Jenga oder Jengen bei Augsburg an und – verheirathete sich. Das war von einem katholischen Pfarrer – protestantische gab es 1516 noch nicht – freilich ein sehr gewagter Schritt, dessen Folge Aquila bald genug zu tragen hatte, denn der Bischof von Augsburg ließ ihn nach einiger Zeit gefänglich einziehen, auf einem Karren nach Dillingen führen und über ein Winterhalbjahr hindurch in harter Haft ohne die mindeste warme Speise halten. Zwar gelang es, ihn loszubitten, und es soll dieß sogar durch die eigene Schwester Kaiser Karl's V. geschehen sein, aber er mußte sein Eigenthum und seine reiche Büchersammlung einbüßen und durfte nichts mit von dannen nehmen, als Weib und Kind. Unterstützt von wohlwollenden Augsburger Freunden wandte sich Aquila jetzt nach Wittenberg, hörte Luther und dessen akademische [Ξ] Freunde, und promovirte am 24. Januar 1521 zugleich mit 15 anderen Candidaten.

Nach der Hand findet sich Caspar Aquila abermals im Sicking’schen Schutz und Dienst; er unterrichtete Franzens Söhne Swickard und Franz Conrad auf Burg Landstuhl, half vielleicht später auch bei dem Druckereigeschäft auf der Ebernburg und bestand auf der letzteren das bekannte höchst gefährliche Abenteuer, daß die Kriegsknechte ihm zumutheten, eine vom Feind in die Burg geschossene Stuckkugel zu taufen, und bei seiner Weigerung ihn in einen großen Feuermörser steckten und drohten, ihn über die Mauern hinaus zu schießen. Nur das versagen des Pulvers auf dem Zündloch des Mörsers habe, so wird erzählt, ihn gerettet, und, wieder auf festen Boden gestellt, habe er muthvoll gesagt: »Und ich taufe die Kugel doch nicht!«

Nach Sickingens traurigem Ende zerstreuten sich die von diesem so treu und liebevoll geschirmten Geistlichen: Oecolampadius, Buzer, Schwabelius und Aquila, und der letzte fand 1523 zunächst in Eisenach ein Asyl, wo er auf's neue zu lehren und zu predigen begann, aber auch dort nicht lange aushielt, sondern sich wiederum nach Wittenberg wandte. Dort leistete er Luther thätige Hülfe bei der Bibelübersetzung, denn er war der heiigen Schrift in so hohem Grade kundig, daß Luther selbst von ihm rühmte: »Wenn die Bibel verbrannt oder verloren würde, so wollt ich sie bei Aquila wieder finden«. Dadurch bildete sich ein inniges Freundschaftsverhältniß Aquila’s mit Luther aus, und so wurde der erstere auch des letzteren Hochzeitgast bei dem Ehrenmahle, das Luther mehrere Tage nach seiner Trauung einigen auserwählten Freunden gab.

Wenige Jahre darauf sandte der Stadtrath zu Saalfeld etliche Rathsverwandte an Dr. Luther mit der Bitte, ihm einen guten Seelsorger – vielleicht Aquila – vorzuschlagen und zu verschaffen; gleichzeitig waren, und in gleicher Absicht mit dem Verlangen nach demselben Mann, auch Abgeordnete des Grafen Heinrich von Nassau in Wittenberg angekommen, doch gewannen diesen letzteren die Saalfelder den Vorrang ab. – Aquila fand Saalfeld noch von ganz katholischem Aeußern; da bestand noch das reiche Benedictinerstift, außerdem ein Franziskanerkloster, ein Benediktiner-Nonnenkloster und sechs gangbare Kirchen und Kapellen, und alle möglichen abergläubischen Gebräuche eines uralt herkömmlichen, tief gewurzelten Volkslebens, zum großen Theil aus dem Heidenthum in das Christenthum mit herüber genommen. Da gab es der geistlichen Arbeit viele, und Aquila hatte anfangs als Prediger, dann bald darauf als Superintendent und Kircheninspector vollauf zu thun. Das erste, was er vornahm, war die Abfassung eines kleinen deutschen Katechismus als Grundlage des christlich-evangelischen Kinderunterrichts, dann entwarf er faßliche Predigten, die er von fähigen Schülern auswendig lernen und in der Kirche aufsagen ließ, was vielen Beifall fand, und so gelang ihm unter Gottes Beistand allmälig trotz aller Gegenbestrebungen der pfäffischen Partei die Reformation seiner großen Gemeinde wie der Umgegend, zumal der Stadtrath ihn schirmte und Luther mit seinem Rath ihn unterstützte.

Als der Reichstag zu Augsburg im Jahre 1530 sich vorbereitete, zog es auch Aquila dorthin, zumal sich mit diesem und seinen wichtigen Angelegenheiten die günstige Gelegenheit bot, die alte liebe Heimath einmal wieder zu sehen; er verfaßte auch eine Ermahnung an die zu Augsburg versammelten Bischöfe und Geistlichen. Ein wichtiges Ereigniß war für ihn, daß auf der Reise nach Augsburg Luther selbst nach Saalfeld kam und in der St. Johanniskirche dort perdigte, von wo er noch bis Coburg reiste, wo er bekanntlich blieb. Der begleitende Freundeskreis aber setzte seine Reise nach Süden fort. Aquila blieb Augen- und Ohrenzeuge der Verhandlungen des Reichstags, und Melanchton schrieb an Luther, daß Aquila, dem es in Augsburg gut ergangen und der auch vom Bischof Stadion sehr wohl aufgenommen worden sei, ihm viel erzählen werde.

Nach der Rückkehr von Augsburg widmete sich Aquila wieder mit allem Eifer seinem Amte, verfaßte eine Auslegung des 34. Psalms und andere theologische Ausarbeitungen, begegnete kräftig den Ansprüchen und Eingriffen des Grafen Albrecht von Mansfeld an und in Saalfelder Klostergüter und wirkte thätig bei der 1534 angeordneten zweiten Generalvisitation der sächsischen Kirchen vornehmlich mit dahin, die Zustände seiner eigenen Parochie zu heben und zu verbessern. Im Jahre 1539 wurde Aquila Wittwer und verheirathete sich sehr bald darauf mit einer nicht mehr ganz jungen Saalfelderin. Später und zumal nach dem von Aquila tief betrauerten Tode Luther’s gerieth er in Verdrießlichkeiten mit seinem Diaconus, wie mit einem dortigen Beamten; bald darauf kam Kriegsgetümmel auch in das friedliche Saalthal, als die unglückliche Schlacht bei Mühlberg geschlagen war, und Aquila flüchtete nach Rudolstadt, richtete mehrere Trostschreiben an seinen gefangenen Herrn, den Kurfürsten von Sachsen, die derselbe auf das gnädigste aufnahm und eigenhändig beantwortete, und zeigte sich nicht minder durch andere Schriften voll treuer Beharrlichkeit auch in gefahrvoller Zeit. Ganz besonders that er sich bald darauf als entschiedenster Gegner des Interim hervor, half das Bedenken dagegen ausarbeiten, unterzeichnete dieses mit und protestirte heftig gegen die von Eisleb ausgesprochene Verläumdung, er habe sich dem Interim geneigt gezeigt. Daß es ihm Ernst war mit seinem Widerspruch, beweist der Umstand, daß der Kaiser einen Preis von 5000 Goldgülden für den aussetzte, der Caspar Aquila tod oder lebendig ausliefern würde. Dieß ward kaum ruchbar, so erbat der Rath zu Saalfeld bei der benachbarten verwittweten Gräfin von Schwarzburg zu Rudolstadt, der hochherzigen Hennebergerin Catharina, Schutz für Aquila, die den fliehenden herzlich gern aufnahm, ihn auf ihrem Schlosse heimlich verbarg, und zwar fast ein halbes Jahr lang. Da aber doch das Geheimniß des Aufenthaltes Aquila’s auf dem Schlosse zu Rudolstadt ein öffentliches geworden sein mochte, verwendete sich die Gräfin für den Bedrohten bei ihren Brüdern, den Fürstgrafen Georg Ernst und Poppo zu Henneberg, die ihn in aller Stille nach Schmalkalden führen und dort erhalten ließen. Dort blieb Aquila, wurde 1550 Decan am Collegiatstift St. Erhardi, war als Prediger beim Volke sehr beliebt, mußte aber Anfechtung von seinen Amtsbrüdern erleiden, und war erfreut, als die Wendung, welche durch Kurfürst Moritzens Abfall vom Kaiser die politischen Angelegenheiten nahmen, ihm erlaubte, wieder nach seinem geliebten Saalfeld zurückzukehren, nachdem eine förmliche Wiederberufung seiner dorthin erfolgt war. Dieß geschah 1552 und nun wirkte Aquila noch 8 Jahre lang treu und unermüdlich im Amte, wohnte der Inauguration der Universität Jena bei, hielt sich fern von den dort bald darauf ausbrechenden widerwärtigen theologischen Streithändeln, beklagte noch Melanchton’s Tod, wurde zum Kirchenrath in Weimar ernannt, kam aber nicht dahin, sondern wurde zu einer andern Stelle in das Jenseits abgerufen, nachdem er noch eine Schrift, welche auf dem bevorstehenden Convent zu Naumburg den evangelischen Fürsten und Ständen übergeben werden sollte, eigenhändig unterzeichnet hatte.