Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Gebhardt Lebrecht v. Blücher
„Marschall Vorwärts!“ so nannte das Volk den
deutschen Kampf- und Siegeshelden, der sich um das
Vaterland den ewigen Dank und den Lorbeer der Unsterblichkeit
verdiente. G. L. v. Blücher aus dem Hause
Großen-Ranzow, wurde zu Rostock geboren und war
der Sohn eines Hessen-Cassel’schen Rittmeisters. In
kriegerisch bewegte Zeit fiel seine Jugend, da klangen
schon die hohen Namen Ziethen, Schwerin u. a., denen
einst der seine sich ruhmvoll genannt anreihen sollte.
Blücher hatte schon 1755 im v. Mörner’schen Husarenregiment
schwedische Dienste genommen, wurde im
2. Dienstjahre preußischer Kriegsgefangener und dann
preußischer Husar unter Oberst Belling, sah sich aber
zurückgesetzt, mit Absicht übergangen und forderte als
Stabs-Rittmeister den Abschied, indem er sich zugleich
vermählte und sich in die Ruhe des Landlebens zurückzog,
nächst dem, daß er in den Civildienst trat und die Stelle
eines Ritterschaftsrathes bekleidete. Noch war Blücher’s
Zeit nicht gekommen, und schien auch nicht kommen zu
wollen; denn Blücher zählte 45 Jahre, ehe noch der durch
die französische Revolution erregte Waffenlärm durch
die Länder rauschte. Jetzt rief ihn König Friedrich
Wilhelm II. 1787 als Major wieder zum alten Husarenregimente,
das Blücher später als Obrist gegen die
Franzosen führte. Binnen kurzer Zeit war sein Name
geachtet und gefürchtet; von Blücher und seinen tapferen
Husaren sprach bald genug alt und jung; als Generalmajor
wurde er zum Wächter des Niederrheins bestellt,
bis der Friedensschluß zwischen Preußen und Frankreich
im Jahre 1795 die sieggewohnten Waffen in die Scheiden
bannte. Blücher wurde 1801 zum Generallieutenant erhoben,
nahm 1802 für seinen König Friedrich Wilhelm III.
Erfurt und Mühlhausen in Besitz, und als der Feldzug des
Jahres 1806 begann, befehligte er in der Hauptarmee.
Sein Scharfblick, seine Vorsicht im Bunde mit energischer
Raschheit, wenn es galt, kühn und feurig und doch
besonnen zu wirken, an Jahren nun schon ein Sechziger,
an Muth und Kraft noch ein Jüngling, bewirkten unendlich
viel und so leistete Blücher als Feldherr ausgezeichnetes
und außerordentliches, namentlich in den
Schlachten von Auerstädt und Jena, bis gleich dem
Preußens auch sein eigener Glücksstern sich trübte, und
[Ξ] das Mißgeschick durch gänzlichen Mangel an allen
Kriegsbedürfnissen und nach der mannhaftesten Gegenwehr
ihm in den Tagen von Lübeck die Kapitulation
abzwang und ihn zum Kriegsgefangenen machte. Seine
Auswechselung erfolgte jedoch nach kurzer Frist gegen
den von Schilt gefangenen französischen Marschall
Victor (Belluno), und da nun 1807 abermals ein
Friedensschluß, der zu Tilsit, zu Stande kam, erhob
der König Blücher zum Militairgouverneur der Provinz
Pommern, berief ihn aber später nach Berlin,
um ihm im Kriegsdepartement eine geeignete Wirksamkeit
zu übertragen.
Wieder zogen Jahre vorüber. Napoleon wälzte die Massen seiner Heereswogen gegen Rußland, und Blücher sah sein siebenzigstes Lebensjahr herannahen, ein Alter, in welchem selbst rastlos thätige, wenn sie es erreichen, gern das Ziel der Ruhe begrüßen; da erhob sich Preußens König mit seinem Volke, da saß der alte Blücher wieder hoch zu Roß und tummelte es jugendlich, und als die verhängnißvolle Schlacht bei Groß-Görschen geschlagen ward, war es Blücher’s Heldengeist und Heldenarm, der unter Gottes Schutz den preußischen Waffen zum Siege half. Es bedarf nur der Namen der Schlachten, von denen jede ein Sieges- und Ruhmesstern für Blücher wurde, um die hellleuchtende Glorie um das verehrte Haupt des greisen Helden, Deutschlands Befreiers, zu erblicken: Bautzen und Wahlstadt an der Katzbach, Wartenburg und Leipzig, la Rothirre, Champaubert und Laon – bis der Einzug der verbündeten Monarchen und ihrer Heere die Kette glorreicher Thaten würdig abschloß. Allseits auf das freudigste anerkannt, schmückten die Monarchen des Generalfeldmarschalls Blücher Brust mit ihren höchsten Orden; er ward reich mit Gütern begabt und in den Fürstenstand erhoben. Fürst von Wahlstadt hieß er nun so recht bedeutungsvoll, denn fast jede Wahlstatt, auf welcher er kämpfte, war ihm eine Siegesstätte geworden; sein bekannter Zuruf: »Vorwärts Kinder, vorwärts!« begeisterte die Mannschaften, setzte Regimenter in unwiderstehbare Bewegung, und Rußlands Krieger zuerst waren es, die dem großen Heerführer den schnell allbeliebt bleibenden volksthümlichen Namen »Marschall Vorwärts« beilegten. In Paris drohte eine Krankheit dem durch unerhörte Kriegsstrapatzen erschöpften Leben Blücher’s ein Ende zu machen, aber die kräftige Natur besiegte selbst den Tod; Blücher folgte seinem König nach England, ärntete auch dort als einer der gefeiertsten Helden der Zeit die höchsten Ehren, und kehrte endlich in das durch ihn zumeist mitgerettete und von dem tyrannischen Druck der napoleonischen Herrschaft befreite deutsche Vaterland zurück, um auf den ihm zu Theil gewordenen Gütern nun endlich zu ruhen und zu rasten. Aber nur kurz war seine Rast; Napoleon befreite sich und wieder traf seines Königs Ruf den dreiundsiebzigjährigen Helden, der thatendurstig aufbrach, abermals harte Kämpfe bestand und durch seine thatkräftige Raschheit in der Schlacht bei Waterloo den Verbündeten den schweren Sieg über Napoleon rettete. Noch einmal ergab sich die stolze Seinestadt dem deutschen Sieger, der nun die Rückgabe aller aus Preußen geraubten Kunstschätze befahl und schwere Kontributionen zu gerechter Strafe über Frankreich verhing, worauf er auf seine Güter in Schlesien sich zurück begab. Dort beschloß er sein Heldenleben, 77 Jahre alt, noch erlebend, daß seine Vaterstadt Rostock ihm ein ehernes Denkmal setzte. In würdevoller Einfachheit, wie des Helden Leben gewesen war, dichtete Goethe des Denkmals gedankenschwere Inschrift:
„In Harren und Krieg,
In Sturz und Sieg
Bewußt und groß!
So riß er uns
Vom Feinde los.“