Zwei neue fremdländische Säugetiere
[208] Durch zwei neue fremdländische Säugetiere hat das Tierleben Mitteleuropas eine Bereicherung von freilich zweifelhaftem Wert erfahren. Im Frühjahr 1906 ließ ein böhmischer Großgrundbesitzer im Parke seines Schlosses zwei aus dem östlichen Nordamerika importierte Pärchen der Bisamratte aussetzen. Diese, ein 32 Zentimeter langes, seines dunkelbraunen, dichten und glänzenden Felles wegen sehr gesuchtes Tier, gehört [209] zu der Familie der Nager und vermag mit seinen scharfen Schneidezähnen und starken Krallen sowohl starke Holzhindernisse zu beseitigen, als auch das festeste Erdreich zu durchdringen. Die Heimat der Bisamratte ist hauptsächlich Kanada, wo sie an Flüssen und Teichen lebt und ähnliche Bauten wie der Biber errichtet. Von den Pelzjägern wird sie eifrig verfolgt, da das Fell mit ein bis zwei Dollar bezahlt wird. Auch die erwähnte Güterverwaltung gedachte das Pelzwerk der Bisamratten, die man in den ersten Jahren ganz ungestört sich vermehren lassen wollte, später nutzbringend zu verwerten und sich so eine neue Einnahmequelle zu verschaffen, hatte bei dieser Kalkulation aber zweierlei übersehen. Einmal liefern nämlich Pelztiere, die aus nördlichen Ländern in das mitteleuropäische Klima versetzt werden, erfahrungsgemäß infolge der veränderten Lebensbedingungen bedeutend weniger wertvolle Felle; dann aber vermehrt sich die Bisamratte – das Weibchen wirft jährlich viermal drei bis sechs Junge – auch so ungeheuer schnell, daß sie in kurzem infolge ihrer Neigung zum Unterwühlen des Bodens geradezu zu einer Landplage werden kann, da hier in Europa alle ihre natürlichen Feinde, namentlich der Luchs, fehlen, die in Kanada ihrem Überhandnehmen vorbeugen.
Heute ist die Bisamratte nach knapp achtjährigem Aufenthalt in Böhmen bereits die Elbe aufwärts bis Dresden vorgedrungen. Nach den Angaben der böhmischen Deichämter haben die schädlichen Tiere bereits von ganz Böhmen Besitz ergriffen und sind bis in die kleinsten Nebenflüßchen der Elbe gewandert. Überall stehen die Deichbauten in Gefahr, da die Bisamratten sie vollständig unterwühlen. Auch in Sachsen ist man schon auf die lästigen Eindringlinge aufmerksam geworden und verfolgt sie auf Schritt und Tritt. Trotzdem wird es kaum möglich sein, ihre weitere Ausbreitung zu verhindern. Jedenfalls wiegt das Pelzwerk dieser Nager auch nicht im entferntesten den Schaden auf, den sie durch das Unterminieren der Deichdämme anrichten.
Ähnlich wie mit den Bisamratten verhält es sich mit der ursprünglich in Nordafrika heimischen Ginster- oder Genettkatze, die im Laufe der Jahrhunderte bei ihrem Vordringen [210] durch Spanien und Frankreich jetzt auch in Elsaß-Lothringen, ja sogar in einzelnen Exemplaren auf dem rechten Rheinufer angetroffen wird, worauf in letzter Zeit in Jagdzeitungen immer wieder hingewiesen wurde. Die Genettkatze ist ein zumeist nächtlich lebendes Tier, das feuchte Orte in der Nähe von Quellen und Bächen, buschreiche Gegenden, zerklüftete Bergwände und ähnliche Schlupfwinkel für seinen Aufenthalt bevorzugt. In seinem äußeren und seiner Größe erinnert es nur wenig an unsere Hauskatze. Es hat unverkennbar marderähnliche Gestalt, einen schlanken, biegsamen Körper mit höherstehendem Hinterteil, der auf sehr niedrigen Beinen ruht. Die Färbung ist hellgrau; an jeder Seite des Körpers verlaufen vier bis fünf Längsstreifen schwarzer, seltener rötlichgelb gefärbter Flecken. Der etwa 40 Zentimeter lange Schwanz zeigt weiße Ringe; er endet in einer schwarzen Spitze. Das raublustige, bissige und mutige Tier schlängelt sich wie ein Aal, aber mit der Gewandtheit einem Fuchses zwischen Steinen, Gras und Büschen dahin. Kleine Nagetiere, Vögel und deren Eier bilden seine Nahrung. Wie Marder und Iltis räubert es auch in unbeschützten Hühnerställen und Taubenschlägen, übertrifft jene jedoch bedeutend an Mordgier und Wildheit. Ein Jäger beobachtete zum Beispiel in dem deutschen Teile der Vogesen eine Genettkatze, die es gleichzeitig mit drei Iltissen aufnahm und einen ihrer Gegner nach dem anderen abtat, nachdem sie freilich auch selbst mehrere stark blutende Bißwunden empfangen und in dem sehr erbitterten Kampfe auch ein Ohr verloren hatte. Jedenfalls wird dieses kleine Raubtier bald der gefährlichste Feind der ohnehin schon so stark im Rückgange begriffenen deutschen Vogelwelt werden, falls es nicht gelingt, einer allzu raschen Vermehrung und Ausbreitung dieses mordlustigen Fremdlings Einhalt zu tun.