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Walther Kabel: Zwei neue fremdländische Säugetiere (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 2)

durch Spanien und Frankreich jetzt auch in Elsaß-Lothringen, ja sogar in einzelnen Exemplaren auf dem rechten Rheinufer angetroffen wird, worauf in letzter Zeit in Jagdzeitungen immer wieder hingewiesen wurde. Die Genettkatze ist ein zumeist nächtlich lebendes Tier, das feuchte Orte in der Nähe von Quellen und Bächen, buschreiche Gegenden, zerklüftete Bergwände und ähnliche Schlupfwinkel für seinen Aufenthalt bevorzugt. In seinem äußeren und seiner Größe erinnert es nur wenig an unsere Hauskatze. Es hat unverkennbar marderähnliche Gestalt, einen schlanken, biegsamen Körper mit höherstehendem Hinterteil, der auf sehr niedrigen Beinen ruht. Die Färbung ist hellgrau; an jeder Seite des Körpers verlaufen vier bis fünf Längsstreifen schwarzer, seltener rötlichgelb gefärbter Flecken. Der etwa 40 Zentimeter lange Schwanz zeigt weiße Ringe; er endet in einer schwarzen Spitze. Das raublustige, bissige und mutige Tier schlängelt sich wie ein Aal, aber mit der Gewandtheit einem Fuchses zwischen Steinen, Gras und Büschen dahin. Kleine Nagetiere, Vögel und deren Eier bilden seine Nahrung. Wie Marder und Iltis räubert es auch in unbeschützten Hühnerställen und Taubenschlägen, übertrifft jene jedoch bedeutend an Mordgier und Wildheit. Ein Jäger beobachtete zum Beispiel in dem deutschen Teile der Vogesen eine Genettkatze, die es gleichzeitig mit drei Iltissen aufnahm und einen ihrer Gegner nach dem anderen abtat, nachdem sie freilich auch selbst mehrere stark blutende Bißwunden empfangen und in dem sehr erbitterten Kampfe auch ein Ohr verloren hatte. Jedenfalls wird dieses kleine Raubtier bald der gefährlichste Feind der ohnehin schon so stark im Rückgange begriffenen deutschen Vogelwelt werden, falls es nicht gelingt, einer allzu raschen Vermehrung und Ausbreitung dieses mordlustigen Fremdlings Einhalt zu tun.

W. K.
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Walther Kabel: Zwei neue fremdländische Säugetiere (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 2). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1915, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_neue_fremdl%C3%A4ndische_S%C3%A4ugetiere.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)