Zwei deutsche Philhelenen vom Jahre 1821
[153] Zwei deutsche Philhelenen vom Jahre 1821. Bei der Gelegenheit der jetzigen Insurrection in Griechenland wendet sich unwillkürlich der Blick zurück auf die Erhebung vom Jahre 1821, und bei diesem Rückblicke treten vor die Erinnerung des Schreibers dieser Zeilen zwei Männer, die er persönlich kannte, und die voll glühenden Eifers ihr deutsches Vaterland mit Hintansetzung oder Zerreißung ihrer günstigen Verhältnisse verließen, um den heldenmüthigen Freiheitskampf, der sich aus der Ferne so schön ausnahm, mitzukämpfen. Herr von Jargow hieß der Eine, Herr von Byern der Andere, und der Schreiber dieser Zeilen hatte nach ihrer Rückkehr aus dem classischen Lande der Helenen Gelegenheit, mit Beiden, jedoch zu verschiedenen Perioden, über ihren griechischen Feldzug und die dabei gemachten Erfahrungen, zu sprechen. Das Resultat dieser Mittheilungen später. Vorläufig einige Worte über die Verhältnisse, unter denen beide Männer, durch Alter eben so verschieden, wie durch ihre ganze bürgerliche Stellung, den Entschluß zu der Theilnahme an dem Kampfe faßten. Verhältnisse, welche bei Beiden hinlänglich ihren reinen, von keinen Nebenabsichten begleiteten Enthusiasmus darthun.
Herr von Jargow war unlängst aus dem Berliner Cadettencorps als Offizier in das Brandenburgische Cürassier-Regiment eingetreten, und war noch nicht achtzehn Jahre, als der griechische Freiheitskampf ausbrach. Sein jugendlichen Gemüth wurde davon entflammt, und – er desertirte vom Exerzierpiatz in Brandenburg aus, um an dem Kampfe Theil zu nehmen. Nur geringe Baarschaft konnte er mitnehmen, und obgleich seine ganze militärische Ausrüstung, und namentlich das Pferd, einen guten Nachhalt hätten geben können, war doch seine Jugend und gänzliche Unerfahrenheit mit der Welt Schuld, daß er bei jeder Gelegenheit übervortheilt oder offenbar betrogen wurde, so daß er sich bald von allen Hülfemitteln entblößt sah. Wie er unter den traurigsten Verhältnissen seine Reise dennoch fortsetzte, und endlich glücklich an das Ziel seiner Reise gelangte, mehrere der Hauptgefechte der Griechen, namentlich den Sturm auf die Acropolis mitmachte, darüber giebt sein Tagebuch, im Jahre 1823 oder 1824 von dem Berliner Freimüthigen, redigirt von Dr. Kuhn, ausführliche Auskunft, und es wäre Denen, die sich vielleicht für die gegenwärtige Insurrection interessiren, zu rathen, im Allgemeinen aber zu wünschen, daß dieses Tagebuch, das die interessantesten Data erzählt, und an dessen Glaubwürdigkeit sich nicht zweifeln läßt, unter den heutigen Verhältnissen neu bekannt gemacht werden könnte. – Genug, auf jede Weise abgekühlt, kehrte Herr von Jargow nach seinem Vaterlande zurück, und aus seinem Munde vernahm der Schreiber die Mittheilungen über den Charakter der Griechen, namentlich des Volkes, die derselbe hier zu wiederholen Scheu trägt, die aber nur allzu sehr an das alte Sprüchwort von der punischen Treue erinnern, und daneben nicht etwa Zeugniß für eine Tapferkeit der Termopylen ablegen. – Kurz, wer die Schilderungen mit anzuhören Gelegenheit hatte, die Herr von Jargow von den Helenen der Neuzeit entwarf, bei dem mußte jeder Enthusiasmus nicht nur, sondern sogar jede Theilnahme für dieses Volk für ewige Zeiten verschwinden.
Unter ganz verschiedenen Verhältnissen wurde der erwähnte Herr von Byern Philhelene. Er hatte verschiedene Feldzüge ehrenvoll mitgemacht und lebte, mit Orden, den wohlverdienten Zeichen der Tapferkeit geschmückt, als Rittmeister außer Dienst auf seinem Gute, welches in der Nähe Leipzigs lag. Seine Vermögensverhältniße waren, wenn auch nicht glänzend, doch jedenfalls günstig, wie schon daraus hervorgeht, daß er Gewehre mitnahm, damit die Sache, der er sich selbst widmete, zu unterstützen. Außerdem hatte er, zu gleichem Zwecke noch einige tausend Thaler mitgenommen. Glücklich erreichte er das Ziel, und landete – der Name des Hafens ist dem Schreiber dieses entfallen – mit Gewehren und Geld an der Küste Griechenlands. Schnell verbreitete sich die Nachricht seiner Ankunft, und der Begleitung, in der sie erfolgte. Die Gewehre wurden ausgeschifft und nach dem Quartiere gebracht, das er bezog. Er wurde mit Enthusiasmus begrüßt, im Triumphe begleitet, zu einem, ihm zu Ehren veranstalteten Feste geladen, bei dem er einigen Führern seine Gewehre zusagte. Als er aber am nächsten Morgen sein Versprechen erfüllen wollte, waren die Gewehre – gestohlen! – Gestohlen, um dem Kampfe zu dienen, für den sie bestimmt waren? O nein, gestohlen, um verkauft zu werden! – Herr von Byern sah sich genöthigt, selbst mehrere seiner eigenen Gewehre zurückzukaufen; doch dieser Umstand, so wie das, was er, der wahrhaft tapfere Soldat, von der griechischen Kampfesweise erlebte, verleidete ihm bald die ganze Sache, zog ihm den Schleier von den Augen, und bewog ihn, um eine theure Erfahrung reicher, in das Vaterland zurückzukehren. Seine Aeußerungen über den Volkscharakter der Griechen und ihres Kampfes waren wo möglich noch weniger mittheilbar, als die des Erstgenannten. – Möge man nun aus diesen Mittheilungen über die Vergangenheit die geeigneten Schlüsse auf die Gegenwart ziehen!