Für junge Frauen!
Für junge Frauen!
Goldene Träume umspielen den Lebensmorgen des Kindes; goldene Träume umgaukeln den Knaben im Vorgefühle dessen, was er durch seine Manneskraft erreichen kann; goldene Träume hegt auch die Jungfrau, sie schmücken ihr die Ehe, den Hausstand und ihre ganze Zukunft als Frau. Diese goldenen Träume sind ein Prärogativ der Jugend, wir lassen dieselben gern unangetastet; es sind die Perlen, welche der Glaube säet, daß dem redlichen Streben noch Alles erreichbar sei; sie schwinden, sobald die Erfahrung sich mit ihrer mahnenden Stimme hörbar macht. – Das Mädchen träumt: die Liebe eines Mannes zu gewinnen, und mit ihm vereint erst glücklich zu sein. Dieser Traum hat seine volle Berechtigung. Was sie ihrer ganzen Natur nach zu sein und zu werden vermag, das wird sie nur in diesem Verhältniß, in welchem allein sie alle ihre Kräfte und Anlagen verwerthen und damit ihre völlige Entwicklung erreichen kann. Diesem Traume braucht kein Erwachen zu folgen, wenn sie das gehoffte Glück auf eine Basis gründet, wo es stets neue Blüthen treibt.
Das Mädchen tritt in die Ehe mit der Hoffnung auf Glück; sie muß aber zugleich bedenken, daß jedes Glück verdient sein will. Sie meint, der Mann gehöre nun ihr, und sie irrt; denn er gehört der Welt. Sie ist für ihn da; er nicht für sie. Sie lebt für das Haus, sorgt für seine Bequemlichkeit, nimmt Theil an seinen Interessen, fördert sein Glück, wo sie kann; er hat den Sinn nach Außen gerichtet, wo sein Streben liegt. Nur in ihrer Liebe zu einander stehen sie gleich, nur hier ist der Punkt, wo sie sich, ohne Rücksicht auf Beruf und Arbeit, auf gleichem Fuße begegnen.
– Kann hierin jemals eine Veränderung eintreten? Unmöglich! – Der Platz, den Schicksal und Natur anweisen, den räumt man nicht, ohne zugleich alle Beziehungen zu verschieben und die Buße Dafür zu entrichten. –
Das Mädchen tritt aus ihrem Familienkreise heraus in das eigene Haus, wo sie sich nun mit dem Gatten allein befindet und erwartet, daß sie in seiner Gesellschaft nichts entbehren werde. Das ist auch allerdings nicht der Fall, wenn er bei ihr ist; aber wie wenige Stunden des Tages kann der Mann dem Geplauder mit seiner Frau widmen und welch ein Mann wäre das, der, könnte er es, seine Zeit auf diese Art anwenden möchte? Die Folge ist, daß die Frau sich vereinsamt erscheint, sie wird traurig, sie klagt, sie glaubt sich nicht mehr geliebt. – Eine junge Ehe hat manche Stürme der Art zu bestehen und wenn die Wolken sich so häufig am Horizonte zusammenziehen, so verliert man leicht den Muth, noch auf lichte Tage zu bauen.
Da eine so unwesentlich scheinende Ursache so häufig die Veranlassung zu gegenseitiger Entfremdung wird, so wollen wir einmal betrachten, worin diese ihren Sitz hat und wie sie aus dem, Wege geräumt werden könnte.
Die junge Frau entbehrt zunächst das Aelternhaus und fühlt sich einsam, weil sie an keine Selbstbeschäftigung gewöhnt ist und keine stillen Stunden kennt. Um die Einsamkeit zu lieben, muß man denken können, und das hat man sie nie gelehrt; – man muß nach einer Selbstbildung streben, die nur gefördert wird durch Nachsinnen, ein Zurechtlegen seines Tages, ein Ueberdenken seiner Pflichten, eine ernste Lectüre. Talente reichen nicht aus für stille Stunden, sie wollen Andern unter die Augen gestellt sein, und der Mann wird schnell gleichgültig gegen solche Spielereien, die die Frau in seiner Meinung nicht mehr erbeben. Zunächst also ist es der Fehler unserer jetzigen Erziehung, der der jungen Frau die ersten Jahre ihrer Ehe so schwer macht, bis Theegesellschaften und Kaffeeschwestern die Lücke ausfüllen.
Der zweite Grund liegt denn freilich noch darin, daß sie ihre Lage nicht richtig übersieht. – Sie schwelgt noch in den Tändeleien der Liebe, mit denen Brautleute ihrer Umgebung so lästig fallen und ahnt nicht, daß jetzt das Stadium einer schönern Beziehung eingetreten, wo sie dem Manne kein bloßes Spielzeug, wo sie ihm Freundin sein soll. Verfehlt sie, diesen Schritt zu gehen, so verfehlt sie ihre ganze Zukunft und Alles. Folgt sie ihm mit Klagen, daß sein Beruf ihn ihr entfremde, daß sie nicht die Hauptsache in seinem Leben sei, so zeigt sie ihm durch dies mangelnde Verständniß für des Mannes bürgerliche Stellung, daß er eben nur ein eitles, thörichtes Weib sein genannt, das angebetet sein wollte, wo sie mit ihrer Liebe ihm sein Leben verschönern sollte. –
Die junge Frau darf daher nie klagen, wenn der Mann durch seinen Beruf von ihr entfernt wird; sie darf sich aber freuen, und herzlich freuen, wenn er ihr wiederkehrt. Mit zartem Tacte muß sie dann wissen das Thema zu berühren, das ihn am heitersten stimmt, und selbst das oft Erzählte soll sie noch gerne hören. Ist es ihm Bedürfniß, ihr die Leiden und Freuden seines Tagewerkes mitzutheilen, von seinem Beruf als Arzt, als Advocat, als Kaufmann mit ihr zu reden, so muß sie den größten Antheil an Allem nehmen, wie ihn die rechte Liebe stets nimmt, und auch so viel davon zu verstehen suchen, um mit Einsicht ihren Antheil auszudrücken. – Auf die Art wird sie ihm eine liebe Gefährtin werden und manche Stunde, die er sonst einem Freunde widmen würde, kann sie für sich dadurch gewinnen. Ist es möglich, daß sie ihm irgendwie behülflich sei, so ist das eine goldene Gelegenheit, ihren Werth in seinen Augen zu erhöhen, kann sie ihm mit ihrer Sprachkenntniß dienen, ein Buch für ihn lesen, eine Lieblingsbeschäftigung mit ihm theilen, so muß sie stets Zeit, Muße und Lust haben, diesen Platz einzunehmen, der der würdigste ist, den eine Frau für sich gewinnen kann, die Freundin des Mannes zu sein, dem sie als Gattin angehört. Wie viel die jungen Frauen gerade in dem Punkte versäumen, das sprechen keine Worte aus! – Es ist nicht Mangel an gutem Willen, es ist Mangel an Einsicht, an einer Vorbildung für die Ehe, die sie die fürchterlichsten Fehlgriffe thun läßt, die sie oft so schwer, so schmerzlich mit ihrer ganzen Zukunft büßen müssen.