Textdaten
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Autor: A. B.
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Titel: Zwei Weihnachtsabende
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 814–815
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[814]
Zwei Weihnachtsabende.

In jener prachtvollen Straße der reichen Kaufmannsstadt, wo sich die geräumigen, wohnlichen Häuser an Eleganz zu überbieten scheinen, gewahrt man heute an vielen Fenstern hellen Lichterglanz. Riesige Christbäume mit zahllosen Kerzen verbreiten einen Schimmer, der selbst durch die dichten Gardinen dringt und den Vorübergehenden eine Ahnung giebt von der Pracht und dem Reichthume, die sich heute dort entfalten mögen.

Nur eines der palastähnlichen Häuser ist finster und die wenigen erleuchteten Fenster geben Zeugniß, daß man dort auch heute in nichts von der täglichen Gewohnheit abgegangen ist. Das Haus gehört einem Manne, dessen Reichthum ein fürstlicher genannt werden kann. Er bewohnt das weitläufige Gebäude nur mit seiner Gattin und der Dienerschaft, aber es ist ein finsterer Geist, der in jenen Räumen waltet. Der reiche Mann scheint den Freuden des Lebens entsagt zu haben, finster ist sein Blick, gebeugt sein Gang, die bleichen Lippen mögen des Lächelns schon längst entwöhnt sein; nur ein bitter höhnischer Zug spielt zuweilen um seinen Mund. Auch des reichen Mannes Gattin, eine würdige Matrone, muß schon schwere Sorgen in ihrem Leben ertragen haben; ihr Haar ist gebleicht und die kummervollen Falten des edlen Antlitzes erzählen von den schweren Leiden eines gekränkten Mutterherzens. Die matten Augen mögen wohl unzählige Thränen geweint haben, aber den Zug unendlicher Güte konnten sie aus den sanften Blicken doch nicht verwischen. In Gegenwart ihres Gatten zwingt sich die Matrone, heiter und gefaßt zu erscheinen; sie möchte so gern seinen Kummer heilen, den sie so lange getheilt hat und der noch immer schwer ihr Herz bedrückt.

Die beiden alten Leute stehen allein, ganz allein in der Welt, und nie mag wohl eine solche Einsamkeit drückender auf Herz und Seele lasten, als am Christabend, wo Jubel und Freude überall zu herrschen pflegen.

Einstens freilich war es anders in diesem Hause. Vor zehn Jahren herrschte auch hier ein freudiges Leben und das jetzt so stille und trübe Elternpaar schwelgte im Vollgenusse eines Glückes, das durch ihr einziges Kind, die liebliche Gertrud, begründet wurde. Wie es kam, daß dieses schöne Glück mit einem Schlage für immer zertrümmert ward – wir wollen es hier nicht des Breitern erzählen. Es ist kalt heute auf der Straße, und die Geschichte, die da drinnen in dem reichen dunklen Hause just vor zehn Jahren am Weihnachtsabend spielte, ist eine heiße, glühende Geschichte, wie sie nur im Herzen der Menschenbrust geschrieben steht. Unter den heißen Thränen eines schönen Mädchenauges, unter Bitten und Flehen eines jungen, aber armen Mannes und dem zürnenden Fluche eines Vaters wickelt sich hier ein trübes, erschütterndes Drama ab, dessen Schlußact mit der Zerstörung eines schönen Familienglückes endet. An jenem Weihnachtsabend brannten umsonst die Lichter des Tannenbaums, umsonst waren all’ die reichen Gaben für das geliebte Kind in dem Salon aufgestapelt, umsonst das Warten der Eltern – das einzige Kind, um dessenwillen alle Pracht aufgebaut war, erschien nicht am Weihnachtstisch, und statt ihrer kam nur ein Brief mit Worten des Abschieds und Bitten um Verzeihung, daß sie mit dem geliebten Mann hinausgezogen – fort von dem zürnenden Vater, der dem armen Liebling ihres Herzens die Anerkennung versagte.

Was an jenem Abend des gestörten Christfestes in dem Hause vorging, übergehen wir mit Stillschweigen. In den Ausbrüchen des wüthenden Zorns warf der Vater der fliehenden Tochter Verwünschungen nach, die das Herz der armen Mutter erbeben machten. All’ ihr Bitten und Flehen prallte am eisernen Willen des beleidigten Vaters ab. Selbst als die erste Nachricht von der glücklichen Ankunft des jungen Paares in London eintraf, als die junge Frau mit der ganzen Gluth der jungen Liebe ihr Glück schilderte, dem nur noch die Verzeihung des Vaters fehle, um die sie mit aufgehobenen Händen flehe – selbst da wies der Zürnende jede Vermittelung zurück und befahl seiner Frau Stillschweigen, als sie immer und immer wieder für das einzige Kind bat.

Aufgebracht, wie er war, schrieb er damals sofort an den Verführer, daß ihn seine ganze, tiefste Verachtung treffe, Gertrud aber möge versuchen, ob sie, belastet mit dem Vaterfluche, im Stande sei, an der Seite ihres Verführers zu vergessen, daß ihre eigenen Eltern den Tod herbeisehnten, um von der Schande befreit zu werden, die ein mißrathenes Kind über ihr Haupt gebracht hätte.

Die jungen Leute hatten sich hierauf, wiewohl mit schwerem Herzen, hinüber nach Amerika gewandt, von wo aus Gertrud noch einigemal versuchte, den harten Sinn ihres Vaters zu erweichen. Alle ihre Briefe aber blieben ohne Antwort, denn der alte Herr öffnete niemals einen derselben, sondern übergab sie ungelesen den Flammen. Er hatte das Bild seiner Tochter ganz aus dem Herzen verbannt, wenigstens versicherte er dies oft kalt seiner Gattin, wenn diese in Klagen um ihr verlorenes einziges Kind ausbrach. Unter solchen Verhältnissen wird man leicht begreifen, daß gerade das Fest allgemeiner Freude – Weihnachten, für jenes alte Ehepaar immer ein sehr trauriges war. An diesen Tagen flossen der Mutter Thränen im Geheimen endlos um die Tochter, von deren Schicksal sie schon seit Jahren nicht das Mindeste erfahren hatte. Der Vater dagegen bemühte sich, in dieser Zeit womöglich noch kälter und verschlossener zu sein, als es gewöhnlich der Fall war.

Der Weihnachtsjubel war verbannt aus jener Stätte des Reichthums, doch unterließ die würdige Matrone es nie, am Christfeste wohlthätige Spenden an Bedürftige nach allen Seiten hin auszutheilen, und wenn dann die Armen kamen, um ihr dankerfülltes Herz vor ihrer Wohlthäterin auszuschütten, sagte sie beim Abschied heimlich zu den Beglückten: „Betet für mein armes Kind, das vielleicht so arm wie Ihr in der weiten Welt umherirrt; dies ist der einzige Dank, den ich von Euch verlange.“

An dem Abend, von dem im Eingang unserer Erzählung die Rede war, am zehnten Jahrestage von Gertrud’s Flucht aus dem elterlichen Hause, konnte sich die alte Mutter einer tiefen Wehmuth nicht erwehren. Sie hat an eine Menge Armer die gewohnten Wohlthaten vertheilt, womöglich noch reichlicher, als früher. Aber auch ihrem tiefgebeugten Gatten wollte sie eine Freude bereiten. So Manches, wodurch sie ihn zu erfreuen glaubt, hat sie eingekauft und dazu auch einen mächtigen Tannenbaum, den ersten, der seit jenem Schreckensabend wieder in das Haus der Trauer gekommen ist. Wieder hat sie unter Thränen der Erinnerung im Prunkzimmer den Weihnachtstisch geordnet und die Gaben für ihren Gatten darauf ausgebreitet. Sie will jetzt die Kerzen des Baumes anzünden. Da mitten in die Vorbereitung fällt ihr ein, daß diese Ueberraschung vielleicht den Gatten unangenehm berühren könne; sie beschließt deshalb, ihn lieber auf die beabsichtigte Feier vorzubereiten.

Drüben im Nebenzimmer sitzt der alte Herr vor dem Kamine und blickt finster in die lustig emporleckenden Flammen.

„Guter Ferdinand,“ sagt seine Frau, sich ihm nähernd und die Hand schmeichelnd auf seine Schultern legend, „darf ich Dir wohl einen Vorschlag machen?“

„Warum nicht? sprich nur,“ entgegnet gleichgültig der alte Herr, ohne seine Stellung zu verändern.

„Du weißt, wir haben so lange kein Weihnachtsfest mehr gefeiert,“ beginnt zaghaft die Matrone.

„Ich dächte, das letzte vor zehn Jahren wäre ein so mißlungenes gewesen, daß Dir wohl auf Lebenszeit die Lust dazu hätte vergehen müssen,“ unterbricht sie der Gatte heftig.

„Ich möchte Dir gern auch wieder einmal eine Freude bereiten,“ fährt die Gattin im sanftesten Tone fort, als überhörte sie jene bittere Anspielung. „Ich habe Dir einige Kleinigkeiten gekauft, auch habe ich, soweit es meine blöden Augen erlaubten, selbst etwas für Dich gearbeitet, worüber Du Dich gewiß freuen wirst. Drüben liegt Alles bereit, darf ich die Kerzen des Christbaumes anzünden?“

„Frau, wenn Du mich noch ein klein wenig lieb hast und wenn Du willst, daß ich Dir nicht gram werden soll, so sprich mir kein Wort von Weihnachten und vom Christbaume. Fort, fort, in das Feuer damit!“

So poltert, heftig aufspringend, der alte Herr und durchmißt mit großen Schritten die Stube.

„Aber Ferdinand, willst Du mir denn nicht diese kleine Liebe erweisen?“ bittet die gute Frau, die sich schon ihrer Thränen nicht mehr erwehren kann.

[815] „Keine Silbe mehr, oder – ich laufe zum Hause hinaus,“ ruft im höchsten Zorn der aufgebrachte Mann und achtet es selbst nicht, als seine Gattin laut schluchzend das Zimmer verläßt. Es ist, als ob sich der Groll der verflossenen zehn Jahre in ihm auf einmal Luft machen wollte. Erst nach geraumer Zeit findet er seine Ruhe und Fassung wieder und nimmt seinen gewohnten Platz am Kamine ein.

Die bekümmerte Gattin aber ist hinübergegangen in das Prunkzimmer und läßt dort ihren Thränen freien Lauf. Wie wenig entsprach der Erfolg der geringen Freude, die sie vom heutigen Abend gehofft hatte! Mit tiefbekümmertem Herzen nahm sie die für ihren Gatten so liebevoll gewählten Geschenke wieder von dem Tische und verbarg sie in dem untersten Winkel eines Schrankes, damit die zufällige, spätere Entdeckung der schönen Sachen durch ihren Gatten die Heftigkeit desselben nicht noch einmal wach rufe.

Während dieser traurigen Beschäftigung hat, unbemerkt von ihr und von dem mühsam beruhigten Manne, ein Wagen unten vor dem Hause gehalten, Thüren sind leise geöffnet worden, und bald darauf tritt Martin, der alte Diener, vorsichtig, aber mit freudig überraschten Blicken in das Prunkzimmer, wo die Matrone noch am Weihnachtstische beschäftigt ist. Es wären Fremde da, meldet mit leiser Stimme Martin und bittet die Herrin, sich nur auf wenige Augenblicke in das untere Stockwerk hinab zu bemühen. Verwundert folgt die Frau dieser Aufforderung, und nicht lange währt es, so hört man von unten herauf einen mühsam unterdrückten Ruf der Freude, dem ein langes, verhaltenes Schluchzen mehrerer Stimmen folgt.

Der alte Herr hat nichts von dem bemerkt, seine trüben Gedanken machen ihn unempfindlich für die Einwirkungen der Außenwelt, und dennoch scheint es zuweilen, als hätte er alle Kraft nöthig, um eine aufkeimende Rührung seinem Zorne unterzuordnen.

Eine halbe Stunde mag vergangen sein, da wird plötzlich leise die Thür seines Zimmers geöffnet und zwei liebliche Kinder, ein Knabe von neun Jahren und ein etwa siebenjähriges Mädchen, treten ebenso leise ein. Der alte Herr gewahrt sie anfangs gar nicht und fährt erschrocken zusammen, als sich der Knabe durch ein freundliches „guten Abend“ bemerkbar macht.

„Was wollt Ihr hier?!“ fährt der Ueberraschte auf.

Die Kinder erschrecken über diese barsche Frage und zumal das Mädchen will sogleich die Flucht ergreifen, allein der Knabe, dessen ganzes Wesen schon große Entschlossenheit zeigt, faßt seine Schwester beim Arm und hindert sie, davon zu laufen.

„Schämst Du Dich nicht?“ flüstert er ihr zu, „Mama hat Dir doch gesagt, daß Großpapa ein ganz guter Mann wäre. Habe nur keine Furcht und stocke nicht in Deinem Verschen.“

„Wer hat Euch hier eingelassen?“ fragt der alte Herr noch einmal ziemlich heftig. Anstatt aller Antwort schiebt der Knabe seine Schwester, die ein Blatt Papier in der Hand hält, jetzt noch weiter vor, und das kleine, liebe Mädchen spricht mit vor Angst zitternder, aber so recht zum Herzen dringender Stimme:

Vergieb, daß einst die Tochter Dir
So schweren Kummer zugefügt;
Ihr Kind ist’s, das zu Füßen hier,
Verzeihung flehend, vor Dir liegt.

Bei den letzten Worten knieet die Kleine nieder und will dem finstern Manne das Blatt überreichen. Auch der Knabe knieet jetzt neben der Schwester hin und hält ebenfalls ein Blatt empor.

„Was soll mir diese Komödie?“ ruft aufspringend und zornig der alte Herr. „Ich kenne Euch nicht und mag Euch nicht kennen; wehe Demjenigen, der Euch hier eingelassen hat!“

Das Mädchen bricht bei diesen harten Worten in Thränen aus, der Knabe aber verliert nicht so rasch seine Fassung. Mit einem Sprunge steht er wieder aufrecht da.

„Wie? Du willst uns nicht kennen und doch bist Du unser Großpapa,“ spricht unerschrocken der Knabe. „Ich heiße Ferdinand Bernhard; die Mutter sagte mir immer, Du hießest auch Ferdinand und Dir zu Liebe wäre ich so genannt. Das hier ist meine Schwester, Marie Bernhard. Wir sind aus Amerika herübergekommen, weil die Mutter so große Sehnsucht nach Dir hat. Der kleine Vers, den Marie Dir gesagt, steht dort auf dem Blatt; Mama hat ihn gedichtet und meine Schwester hat ihn selbst geschrieben. Und hier auf meinem Blatte habe ich das Haus gezeichnet, worin wir in Amerika wohnten. Diese beiden Blätter sollen das Weihnachtsgeschenk sein, das wir Dir bringen. Da nimm, Großpapa!“

Dieser aber hat sich während der Erzählung des Knaben abgewandt. Kalt und unwillig kehrt er den beiden Kindern den Rücken zu. Nur einmal war es, als wolle ihn die Rührung übermannen und versöhnlichere Gedanken bei ihm einkehren; doch plötzlich fuhr er rasch mit der Hand über die Augen, stampfte heftig mit dem Fuße und rief, ohne sich umzusehen, den kleinen Geschwistern zu: „Fort von hier, ich will Euch nicht länger hören. Sagt nur Euerer Mutter, daß ich sie längst aus meinem Herzen und aus meinem Gedächtnisse verbannt habe. Jetzt, wo wahrscheinlich die verdiente Noth sie drückt, denkt sie wieder einmal an den reichen Vater. Das hätte Euere Mutter aber schon heut vor zehn Jahren thun sollen. Geht nur hin, sagt ihr das und – bettelt dann vor anderen Thüren!“

„Betteln? Wir brauchen nicht zu betteln,“ entgegnete stolz der kleine Ferdinand. „Wir haben in Amerika so schöne Zimmer gehabt, als dieses hier ist, und Papa hat selbst oft gesagt, daß er weit mehr Geld verdiene, als er brauche. Mama hat aber so lange geweint und gebeten, bis Papa sagte: ,Gut, wir wollen die Reise machen, Gott gebe ihr nur Erfolg!’ Und dann erst ist Mama wieder froh geworden und hat uns von Dir erzählt, daß Du ein guter lieber Mann wärest; aber Mama hat uns belogen; Du bist kein guter Mann!“

Dann ergreift der Knabe seine noch immer auf den Knieen liegende und heftig weinende Schwester und zieht sie sanft in die Höhe. „Komm, Marie,“ tröstet er sie, „weine nicht mehr. Mama hat uns ja gesagt, daß wir nach Amerika zurückfahren würden, wenn Großpapa noch immer böse sei. Komm, Schwester, Großpapa will uns ja nicht einmal ansehen; wir reisen wieder nach Amerika!“

Bei diesen Worten hat der kleine Ferdinand die weinende Schwester bis zur Thüre gezogen. Der Großvater ist aber in seinen Stuhl zurückgesunken und bedeckt im heftigen Gemüthskampfe sein Gesicht mit beiden Händen. Und schon sind die beiden Kinder an der Thür angekommen und die ängstliche Schwester greift nach der Thürklinke, da dreht sich der Junge noch einmal um nach dem Großvater. Er sieht den alten Mann, wie er in sich geknickt dasitzt, das Gesicht mit beiden Händen bedeckt – still weinend. Mit einem Sprunge ist er zurück und reißt die beiden Hände des Alten herunter. „Großvater!“ ruft er und hält die Hände des Greises gefaßt, „lieber, guter Großvater…“

Da endlich löst sich die eisige Rinde vom Herzen des strengen alten Vaters, stärker rollen die Thränen und vor Schluchzen bringt er kaum die Worte hervor: „Bleibt bei mir, Kinder! bleibt bei mir!“

Kaum aber ertönt diese Botschaft des Friedens, so öffnet sich die Thür, und die alte Mutter und Gertrud mit ihrem Gatten an der Hand treten herein und werfen sich um Verzeihung flehend zu den Füßen des Vaters nieder. Worte vermag der alte Herr nicht hervorzubringen, die Thränen hindern ihn daran, aber segnend legt er die Hände auf die Häupter der vor ihm Knieenden – der Vaterfluch ist vergessen, alles Unrecht verziehen.

Endlich nimmt die Matrone ihren Gatten bei der Hand. „Darf ich nun die Christbescheerung eröffnen?“ fragt sie schmeichelnd den Gatten.

„In Gottes Namen!“ antwortet dieser, unter Thränen lächelnd, indem er Kinder und Enkel freudig umfaßt.

Die Thüren des Prunkzimmers fliegen auf, und jetzt strömt von dort her auch der altgewohnte Lichterglanz. Neben den wieder ausgebreiteten Geschenken für den Großvater und dicht vor dem Lichterbaum sitzt aber auf dem Tische noch ein kleiner, prächtiger Knabe von vier Jahren, der aus voller Kehle ununterbrochen ruft: „Vivat Großvater und vivat Großmutter! Juchhe! Nun gehen wir nicht wieder nach Amerika!“

A. B.