Zwei Herbstlieder
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Zwei Herbstlieder.
Von Karl Stieler.
1. Sonntagsläuten.
Ich lieg’ auf der Halde
Im Morgenblau,
Herbstgoldener Schimmer
Wie Flor und Flimmer
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Webt um die Au.
Es liegen die Dörfer
Wohl stundenweit;
Doch hör’ ich klingen
Auf Windesschwingen
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Ihr fernes Geläut.
Du bist noch weiter –
Und dennoch tönt
Der Klang deiner Grüße
Zu mir, du Süße –
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Fern und versöhnt.
2. Vergessen.
Du stürmend Herz, lern’ leiser schlagen,
Ist denn Vergessen gar so schwer?
O schau’ dies schweigende Entsagen
Der schönen Erde rund umher!
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Schau, wie der Sonne Gluth sich wendet,Horch, wie verstummt des Vogels Sang;
Sie tragen’s alle, daß es endet,
Was eh’dem blüthe, glänzte, klang.
Es giebt der Strauch sein grünes Leben
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Und seine letzten Rosen her;Mein Herz, wann wirst du dich ergeben,
Ist denn Vergessen gar so schwer?