Textdaten
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Autor: C. Hance
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Titel: Zwei Heilige
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 166–167
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[166] Zwei Heilige. Der gute Heilige und frühere Bischof St. Valentin hat es sich wohl schwerlich träumen lassen, daß er, der im dritten Jahrhundert mit Knütteln zerschlagen und zuletzt geköpft wurde, seinen Namen für eine artige Spielerei hergeben sollte.

Zu Shakespeare’s Zeit begnügte man sich bei der St. Valentin-Feier in England mit Geschenken, die aus Blumen und Gedichten bestanden. Master Pepys dagegen, der manche köstliche, werthvolle Aufzeichnung in seinen Tagebüchern uns bietet, erzählt, wie man zu seiner Zeit, im siebenzehnten Jahrhundert, seiner „Valentine“ kostbare Juwelen überreichte. Diese Aufmerksamkeiten wurden oft sehr kostspielig; denn die Herren hatten ihre [167] Geschenke doppelt zu spenden: Jeder beschenkte die von ihm gewählte Dame und die, welche ihn erkoren hatte; Beide mußte er außerdem zu Vergnügungen führen.

Die schöne Stuart, später Herzogin von Richmond, erhielt einmal vom Herzoge von York ein Valentin’s-Geschenk im Werthe von dreihundert Pfund Sterling, und Lord Mandeville gab ihr im nächsten Jahre einen Ring, der dreihundert Pfund Sterling werth war.

Charles, Herzog von Orleans, der prinzliche Dichter, welchen Heinrich der Fünfte bei Agincourt gefangen nahm, wird als einer der ersten Verfasser von Valentin-Gedichten genannt.

Am flottesten wurde das Fest unter der Regierung des genußsüchtigen Monarchen Karl des Zweiten in England gefeiert. Damals wurden sogar verheirathete Leute als Valentine und Valentin gewählt, und Mr. Pepys erzählt uns, daß er seiner Frau im Jahre 1667 ein Geschenk im Werthe von fünf Pfund Sterling machte, sich selbst beruhigend schreibt er aber in sein Tagebuch: „Schließlich hätte ich es ihr aber doch geben müssen, auch ohne daß sie meine Valentine wäre.“

Misson berichtet, daß in England und Schottland die durch das Loos bestimmten Valentins ihren Valentinen Bälle und Gesellschaften gaben und während dieser ganzen Zeit deren Namen auf ihren Aermeln oder auf der Brust trugen. Diese kleine Auszeichnung endigte gar oft in ernster Liebe.

In Amerika schwindet seit der Einführung des deutschen Ostereies allmählich die wohl aus England herübergebrachte Sitte der St. Valentin’s-Feier. Aber dennoch bleibt dort der Tag einer der schwersten für die Postbeamten; denn unter der großen Anzahl Schulkinder und Dienstboten herrscht noch heute das „Valentin’s-Fieber“. Urkomisch nimmt es sich aber aus, die Knaben zu sehen, die es verschmähen die Post in Anspruch zu nehmen, wie sie heranschleichen, sich dicht an den Häusern haltend und sich so der Wohnung der von ihnen erkorenen kleinen Schönen nähernd, das Couvert mit der Valentin’s-Karte auf die Thürschwelle legen, mit kräftigem Ruck die Klingel ziehen und dann Hals über Kopf davon eilen. Nächst den Schulkindern sind es in Amerika besonders die irländischen Dienstboten, die sich gegenseitig mit Valentin’s-Karten beschenken.

Gleich nach Neujahr erscheinen an den Schaufenstern in den großen und kleinen Städten Amerikas die Valentin’s-Bilder, -Karten und -Kästchen. Ein Herz, ein Pfeil, ein Amor sind und bleiben die am meisten Gesuchten, und naht der 14. Februar, da eilen die Dienstmädchen noch einmal so schnell, um die Thür zu öffnen, sobald die Klingel ertönt, hoffen sie doch jedes Mal, daß „Patrick“ oder „Mike“ ihnen ein Liebeszeichen in Form eines schön bemalten und bedruckten Bildes schickt.

Reizend sind die feinen „Valentins“, wie man sie nennt, die hier und da ein verliebter Jüngling der besseren Stände seiner Herzdame sendet. Viele von diesen wie aus Gazewolken hervortretenden Wünschen sind in Frankreich, einige in Deutschland und die meisten in Amerika selbst fabricirt. Von den letzteren werden die in Fächerform am häufigsten begehrt. Aber auch jene billigeren Karten, die nur wenige Cents kosten und auf denen der alten Jungfer, dem hochmüthigen Mädchen oder dem eitlen Manne hart mitgespielt wird, finden reichlich ihre Abnehmer.

Weder Extrabälle noch Concerte verherrlichen jetzt in Amerika dieses Fest, und jene Zeit, wo die jungen Schönen mit ihren Verehrern zusammen kamen, um den Tag durch Tanz und Spiel zu feiern, liegt weit hinter uns. Das deutsche Element gewinnt immer mehr Raum, und somit ziehen auch die Amerikaner es vor, ihren Kindern das Osterhäschen zu schenken und die Eier zu verstecken, welche, schön bemalt, oder aus Gurken geformt, die kleinen Herzen mehr erfreuen, als die bunten Bilder mit ihren holperigen Sprüchen, die sonst St. Valentin Allen brachte. Gar bald wird die Zeit kommen, wo man in Amerika nichts mehr von einer Valentin’s-Feier hört noch weiß.

Zwischen dem Valentin’s-Tage und Ostern liegt noch ein anderer Festtag, der mit einem stolzen Gefühl von allen irländischen Katholiken der Union begrüßt wird. Am 17. März feiern sie nämlich den Namenstag des heiligen Patrick, dieses frommen Mannes, der nach seiner Enthauptung mit dem Kopfe unter dem Arme zurück nach seiner geliebten grünen Insel geschwommen kam. Er, der dort die Schlangen vertilgt, überhaupt solche Wunder vollführt hat, daß noch heute der gläubige Irländer mit verklärtem Augenaufschlag die Thaten des Heiligen erzählt, wird alljährlich nicht nur diesseits des Oceans, sondern auch in der amerikanischen Union mit gebührenden Ehren überhäuft.

Alljährlich am 17. März (fällt der Tag auf einen Sonntag, so den 18.) finden in den Städten der Union große Processionen statt, welche von den Irländern veranstaltet werden. Wenn auch boshafte Menschen solchen Umzug „die alte Hutparade!“ nennen, da an dem Tage die wunderlichsten Façons an’s Tageslicht gefördert werden, so thut dieser Hohn dem frommen Eifer der Marschirenden keinen Abbruch. In langem Zuge ziehen die irländischen Männer durch die Straßen der Städte, voran Musik, nach einigen Abtheilungen wieder Musik und nochmals ein Musikcorps – alles trägt das Abzeichen der smaragdenen Insel, sei es nun ein grünes Sträußchen oder ein Endchen Band im Knopfloch, viele sogar die grüne Cravatte mit dem Wahrzeichen Irlands, dem dreiblätterigen Kleeblatt. An den Schaufenstern hängen um jene Zeit nur solche Cravatten, auf denen sich das in Silber gedruckte Kleeblatt gar glänzend ausnimmt. Vor dem Zuge marschirt eine Abtheilung Polizisten; ihnen folgen Marschälle zu Pferde mit schwedischen oder dreieckigen Hüten, auf denen grüne Federn schwanken; die über die Schulter hängende ebenfalls grüne Schärpe nebst den großen weißen Stulphandschuhen, hohen Stiefeln und gezücktem Schwert verleihen ihnen ein martialisches Ansehen; die hinter diesen Reitern Marschirenden tragen schwere seidene Fahnen, auf denen Bilder aus der irländischen Geschichte oder Scenen aus dem Leben des St. Patrick abgemalt sind; dann folgen die irländischen Soldaten in ihren grauen Uniformen mit auf der Brust gekreuztem Lederzeug und einer grünen Schleife oder Cocarde. Weiter erblicken wir Civilisten mit Heiligenbildern und dann die irländischen Logen. Die verschiedenen Abzeichen bringen eine angenehme Unterbrechung in das Chaos der dunklen Röcke.

Kleine Knaben, grün costümirt wie Laubfrösche, sprengen auf Ponys neben dem Zuge her und erregen allgemeine Bewunderung. Die Straßen sind dicht mit weiblichen Neugierigen besetzt, die auf den Treppenstufen oft stundenlang im strömenden Regen geduldig des Zuges harren.

Die Procession findet erst statt, nachdem in den katholischen Kirchen Messe gelesen und großes Hochamt abgehalten worden, und die ganze Feier zu Ehren des St. Patrick endet am Abend mit einem solennen Souper, an welchem der Bürgermeister, sowie andere Honoratioren als Ehrengäste Theil nehmen.

Wie Jung-Amerika dem 4. Juli, dem Jahrestag der Unabhängigkeit, entgegen jauchzt, so freut sich der Irländer in seinem Adoptiv-Vaterlande auf den 17. März. Wehmuthsvoll gedenkt er der alten Heimath und rührend sind die Loblieder, die der arme Insulaner dem Lande darbringt, wo er seine Jugend verlebte. Freilich verbrachte er diese seine Jugend mit Mutter und Vater und Schweinchen in einer elenden Hütte ohne Rauchfang. Aber die Erinnerung verklärt alles mit dem Hauche der Poesie, und jene Zeiten, wo er ohne Schuhe, in dürftige Lumpen gehüllt, hinauslief, um die Sonne am Ostermorgen springen oder die Elfen im Mondlichte tanzen zu sehen – sie webt ihren Zauber um das Haupt des Greises wie der Matrone, wenn sie im fernen Amerika, die unentbehrliche Branntweinflasche zwischen sich, am Familientische sitzen und an Irland denken. C. Hance.