Die elektrische Beleuchtung von Dampfschiffen und Eisenbahnzügen

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Titel: Die elektrische Beleuchtung von Dampfschiffen und Eisenbahnzügen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 167–168
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[167] Die elektrische Beleuchtung von Dampfschiffen und Eisenbahnzügen. Seit Jahresfrist hört man fast jeden Tag von einem neuen Fortschritt auf dem Gebiete der elektrischen Beleuchtung. Ueberall werden Versuche angestellt, Straßen, Plätze, Festräume, Theater, Gemälde-Ausstellungen etc. mit elektrischem Lichte zu beleuchten, und fast überall mit dem günstigsten Erfolge. In Berlin werden seit vielen Monaten die meisten Bahnhöfe mit demselben erleuchtet, und zwar, wie der Rechnungsabschluß gezeigt hat, trotz der viel größeren Helligkeit, mit geringeren Kosten als bei der früheren Gasbeleuchtung. Scheint somit die Aufgabe für große Räume und offene Plätze der Lösung nahe, so nähert sich auch die elektrische Beleuchtung kleinerer Räume, wie der Zimmer und Corridore, Eisenbahncoupés etc., alle Tage der Vollendung mehr, und hier scheint die Edison’sche Glühlampe, welche in der „Gartenlaube“ schon vor Jahren sehr richtig als das „Licht der Zukunft“ (siehe Jahrgang 1880, Nr. 5) bezeichnet wurde, in ihren mannigfachen Umgestaltungen und Nachahmungen über alle anderen Einrichtungen den Preis davontragen zu sollen. Besonders wichtig dürfte diese Lampe aber für unsere Dampffahrzeuge zu Wasser und zu Lande werden, um nicht nur Licht, sondern auch erhöhte Sicherheit für die Reisenden zu schaffen.

Die alten Griechen, wie die alten Normannen und andere seefahrende Völker haben ihre Schiffe immer wie lebende Wesen betrachtet, denen man – ich erinnere an das Fahrzeug der Argonauten – eigene Ueberlegung und Wegkenntniß zuschrieb und die man daher am Vordersteven mit einem Thier- oder Menschenantlitz oder wenigstens mit großen gemalten Augen versah, damit sie ihren Weg sicher finden sollten. Im Berliner Antikencabinete kann man ein solches kürzlich im Piräus bei Athen gefundenes Marmorauge sehen, wie solche Augen dem Vordertheil der Schiffe zu beiden Seiten eingesetzt wurden. Statt jener symbolischen Augen bedürfen wir an unseren viel schneller fahrenden Dampfschiffen und Locomotiven wirklicher „Lichter“ und Feueraugen, die weit hinaus in die Dunkelheit blicken. Aber es läßt sich nicht leugnen, daß es nicht nur für Nebel- und Kriegszeiten, sondern schlechterdings für alle Nächte wünschenswerth bleibt, noch weiter die Dunkelheit durchdringende „Augen“ an unseren Fahrzeugen zu haben. Die ersten derartigen Versuche werden schon seit einer Reihe von Jahren auf Kriegsschiffen gemacht, aber es wird nicht lange dauern, so werden alle größeren Schiffe und namentlich auch die Locomotiven solche elektrische Lichter erhalten, um Fahrwasser und Schienenweg auf große Strecken hinaus tageshell zu beleuchten, und so Zusammenstöße, Entgleisungen und Unglücksfälle aller Art auf das Möglichste zu erschweren. Auf der Strecke zwischen London und Brighton und auf der französischen Nordbahn zwischen Creil und Dammartin laufen bereits seit einiger Zeit derartige elektrisch beleuchtete Züge, und ihnen hat sich seit Kurzem ein Probezug zwischen Hanau und Frankfurt angeschlossen. Die Ingenieure Sedlacek in Leoben und Schuckert in Nürnberg haben elektrische Laternen construirt, welche nicht nur den Stößen der Locomotive auf’s Beste widerstehen, sondern auch den Bahndamm auf tausend Meter Entfernung so hell beleuchten, daß man auf dieser Strecke alle Einzelheiten erkennen kann. Auch die sich sonst hierbei darbietenden Schwierigkeiten konnten durch die Erfindungen der letzten Jahre, namentlich mit Hülfe des in der „Gartenlaube“ (1881, S. 488) bereits beschriebenen Elektricitätssammlers (Accumulators) von Faure mit Leichtigkeit überwunden werden, wie dies schon in unsern Berichten über „Die erste elektrische Weltausstellung“ in Aussicht gestellt wurde. Früher glaubte man eine besondere Dampfmaschine auf der Locomotive nöthig zu haben, um die elektrischen Maschinen, welche den die Lampen speisenden Strom erzeugen, auch auf den Halteplätzen in immerwährender Thätigkeit zu erhalten; der Accumulator erlaubt nunmehr, die zum Betrieb der Maschinen erforderliche mechanische Kraft einfach von der des Zuges an der bequemsten Stelle abzuzweigen und den Ueberschuß in einigen Accumulatoren aufzuhäufen, welche die Locomotiv- und Coupélampen während der Haltezeiten weiterspeisen. Bei den drei- bis vierhundert Pferdekräften unserer Züge ist natürlich die Abgabe von etwa zehn Pferdekräften für die Beleuchtung ohne jeden Nachtheil für die Schnelligkeit.

Die auf der obenerwähnten deutschen Bahnstrecke angewandten Apparate, welche von der Firma Möhrig in Frankfurt am Main geliefert und von dem Telephondirector Löbbecke angeordnet worden sind, übertragen die Kraft einfach durch Riemenscheiben von der Wagenachse eines Packwagens aus die in demselben aufgestellten elektrischen [168] Maschinen, sodaß diese bei einer Zuggeschwindigkeit von fünfzig Kilometern in der Stunde neunhundert Umdrehungen in der Minute machen, wodurch ein Strom entsteht, der nicht nur im Stande ist, sechszehn Lampen zu speisen, sondern auch genügende Elektricität in dem Accumulator für die Zwischenzeiten aufzuspeichern. Die Lampen sind Glühlampen in der Art der Edison’schen und erleuchten die Coupés so hell, daß man noch in den entferntesten Ecken im Stande ist, die feinste Perlschrift und Bleistiftnotizen bequem zu lesen.