Textdaten
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Autor: A. C. W.
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Titel: Zur Theeverfälschung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 376
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[376] Zur Theeverfälschung. Der Thee ist bekanntlich in England und Rußland ein allgemein nationales Getränk, das im Palast wie in der Hütte nicht fehlen darf. In jenen Ländern werden daher ungeheuere Mengen Thees verbraucht, und auch in anderen Staaten, zumal in Deutschland, ist der Theeverbrauch in fortwährender Zunahme. Aus diesem riesigen Bedarf sucht die gewissenlose Speculation seit lange Capital zu schlagen. Schon in China wird die Theefälschung betrieben. Dort wird das feine Aroma in Essenzen concentrirt, die schon gebrauchten Blättern beigemischt werden, und schlechter Thee durch allerlei fremde Pflanzen aromatisirt.

Die russischen Häuser bringen ungeheuere Mengen verfälschten Thees in den Handel, und in England steht es noch schlimmer. Wer dort jemals längere Zeit gelebt und ein eigenes Hauswesen geführt hat, dem mag es vielleicht aufgefallen sein, daß an gewissen Tagen, gewöhnlich Sonnabend, Männer wie Weiber in den Küchen der Familien sich einzufinden pflegen, um von dem Dienstpersonal die abgebrühten Theeblätter zu kaufen. Fragt man die von Haus zu Haus gehenden Käufer, wozu die abgebrühten Theeblätter verwendet werden, so erhält man stets die Antwort, sie seien für arme Familien bestimmt, die auch ihren Thee trinken wollten. Diese Angabe ist fast immer Lüge; denn der gebrauchte Thee wird wieder verkauft, und zwar als frische, echte Waare zu hohen Preisen. Dabei ist die Manipulation der Fälscher keineswegs eine complicirte oder große Auslagen erfordernde. Ein Röstofen besorgt das notwendige Einrollen der einzelnen Theeblätter, die durch das Abbrühen groß und flach geworden. Sodann werden die Blätter, je nach ihrer Qualität, mit der entsprechenden Farbe, Graphit oder Preußisch-Blau, versehen. Auch Erdbeer-, Weißdorn-, Hollunder- und Epheublätter werden beigemischt. Diese Mengen bereits gebrauchten Thees kommen alsdann in eleganten Kistchen und Paketen wieder in den Handel und zwar für die ärmeren Schichten der Bevölkerung ganz unvermischt, für die wohlhabenderen mit einem geringen Zusage noch ungebrauchten Thees.

Die Ausbreitung dieses betrügerischen Industriezweiges ist eine so große, daß seine radicale Ausrottung bei der eigenthümlichen Beschaffenheit der englische Gesetze ziemlich problematisch erscheint. Nur groben, handgreiflichen Betrügereien der englischen Theehändler vermochten bisher die britischen Behörden auf den Leib zu rücken.

Der Londoner Gerichtschemiker Dr. Saunders hat jüngst die großen Theemagazine der City untersucht. Er erklärte fünf ihm vorgelegte Theeproben für gefälscht und gesundheitsschädlich. Eine dieser Proben bestand ausschließlich aus abgekochten Theeblättern, die zweite aus einer Mischung, die siebenzig Procent Theestaub enthielt, die dritte aus Theestaub, Sand und gefärbten Pflanzenstoffen; die vierte enthielt, um ein betrügerisches Gewicht zu fingiren, erbsengroße Steine, während die fünfte Probe von der Ladung eines an der portugiesischen Küste gescheiterten Schiffes herrührte, dessen Eigenthümer die aufgefischten Theeballen wieder trocknen und verkaufen ließ. Die von Dr. Saunders untersuchten Proben repräsentirten nicht weniger als 1700 Kisten Thee.

A. C. W.